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Autorenbuch Josef Bordat Martin Heidegger – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Josef Bordat

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Martin Heidegger


Ein Bahnhof in Ostdeutschland.

Lautsprecherdurchsage:
(tiefe Stimme) Meine Damen und Herren an Gleis 9, der ICE 549 Richtung Freiburg im Breisgau über Hannover, Kassel-Wilhelmshöhe, (hohe Stimme) Frankfurt Hauptbahnhof, (tiefe Stimme) Frankfurt Flughafen, Frankfurt Drogenstrich hat voraussichtlich 2 Minuten Verspätung.

Martin kommt besoffen auf die Bühne, setzt sich auf eine Bank, in der Hand eine Flasche „Öttinger Export“.

Martin (zu einem imaginären Bahnhofsgast):
Was glotzt Du denn so blöde. Auf’s Maul, oder was?

Auftritt Sylvana.

Sylvana:
Martin?

Martin:
Hä?

Sylvana:
Martin! Erkennst Du mich nicht?

Martin:
Was willst Du, Du Schlampe.

Sylvana:
Martin! Ich bin’s: Sylvana.

Martin (spöttisch):
Ach, ne?! (Er mustert sie.) Haste Dir die Titten vergrößern lassen, oder was?!

Sylvana (mit gespielter Empörung, den Stolz aber nicht ganz verhehlen könnend):
Martin!

Martin:
Machst’n hier?!

Sylvana:
Ich fahre auf eine Fortbildung für Parfümeriefachverkäuferinnen zum Thema Permanent-Makeup.

Martin:
Permanent-Makeup? (verächtlich) Was ’s’ ’n’ das für ’ne Scheiße?

Sylvana:
Es ist ein Verfahren, welches wir im Rahmen der Gesichtskosmetik anwenden.

Martin (äfft sie nach):
Es ist ein Verfahren, welches wir im Rahmen der Gesichtskosmetik anwenden. (mit eigener Stimme) Du bis ja immer noch so blasiert wie damals im Institut.

Sylvana:
Martin...

Martin (laut):
Es war Dir damals nicht gut genug bei uns, was?

Sylvana:
Das stimmt doch gar...

Martin (laut):
Was? Warum bist Du dann gegangen? Du und Deine Parfümerie-Freundinnen!

Sylvana:
Mar...

Martin (laut):
Der Lehrstuhl für Fundamentalontologie war Dir nicht gut genug, was?

Sylvana (beleidigt):
Wenn Du meinst.

Martin (zu einem Unbeteiligten):
Hej, du Wixer, verpiss Dich, Mann!

(Martin trinkt sein Bier.)

Sylvana (zögerlich):
Und bei Dir?

Martin (äfft sie nach):
Bei Dir, bei Dir! (stöhnt) Ich krich heute den Heideggerpreis für meine Habil.

Sylvana (erleichtert):
Aber das ist ja großartig!

Martin (laut):
Was weiß Du denn! Scheiße ist das! Ich häng hier rum, frier mir den Arsch ab und warte auf den verfickten Zug nach Freiburg. Nach dieser ganzen Scheiß-Zeremonie: Mittagessen mit dem Stiftungskuratorium. Ertragen der Ehefrauen irgendwelcher Alpha-Futsis. (mit piepsiger Stimme) „Hach, was ist denn jetzt der Sinn des Lebens, ich meine, jetzt wo wir einen echten Philosophen unter uns haben. Ha, ha, ha. Prösterchen.“ (wieder normal) Scheiße ist das! OK?

Sylvana (beschwichtigend):
OK, OK. – (ernst) Weißt Du: Ich habe Dich mal geliebt. (verträumt) Damals, als wir gerade mit unserer Promotion fertig waren. (wieder in die Realität zurückkehrend) Aber... Ach! (winkt ab, mustert Martin, der sein Bier trinkt, um dann verbittert fortzufahren) Nach drei Essays erkennt man Dich kaum wieder. Und, (jetzt wieder einfühlsam-besorgt) Du hast wieder angefangen, für die „FAZ“ zu schreiben, stimmt’s?

Martin (trinkt sein Bier aus, rülpst, stellt die Flasche weg und sagt nachdenklich):
Wenn man allein ist, weil das Beste, das man im Leben hatte, einen verließ, um von Heidelberg nach Castrop-Rauxel zu ziehen, dann sind die Abende oft lang. Und die Nächte. Und bis zum Redaktionsschluss ist noch (kitschig in die Länge gezogen) sooo viel Zeit. (trinkt einen Schluck) Und, ja, verdammt noch mal, dann schreibt man eben für die „FAZ“! (leise) Oder für’s Feuilleton des „Tagesspiegel“.

Sylvana (erschrocken):
Für den „Tages...“ Meine Güte, das wusste ich nicht! (sehr ernst) Das tut mir so Leid. (will ihn am Arm berühren, er wehrt ihre Hand unwirsch ab) Martin, ich geh’ jetzt besser.

Martin (wieder gefasst):
Ja, genau, verpiss Dich! So wie damals.

Sylvana (weinerlich, sich in ihre Rede hineinsteigernd):
Irgendwann wirst Du mich verstehen. Du wirst einsehen, dass es mehr gibt als Substanz, Essenz und Existenz! Es gibt nicht nur Sein und Da-Sein! (verzweifelt schreiend) Es gibt Lidschatten, Wimperntusche und künstliche Fingernägel mit Blumenmotiven! (geht raus)

Martin (schreit ihr hinterher):
Halt die Fresse, du Fotze! (mit Blick ins Publikum, ernst, im Stile des Moderators in einer Kultursendung) Um das Leben und Werk Martin Heideggers heute wieder verstärkt ins Bewusstsein der Menschen zu führen, bedarf es unkonventioneller Methoden. (steht auf und geht raus)
 

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