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Autorenbuch Klaus Anders Kutscher der Familie – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Klaus Anders

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Kutscher der Familie


Da kommt er aus der Tür, geht ein paar Schritte,
Unsicher, zögert, kehrt wieder um und ist
Schon wieder drinnen. Ich bin seit zwanzig Jahren
Kutscher bei den Leuten und kannte
Den Jungen schon, da machte er noch
In die Windeln. War immer zart,
Zerbrechlich, kränkelte, und nie
Ließen ihn die Alten draußen spielen
Mit anderen Kindern, im Dreck, was doch
Das Beste ist. Und trotzdem hieß es bald:
Ein Wunderkind! Er war noch nicht so weit,
Daß er nach Mädchen schaute, da waren
Seine Lehrer allesamt am Ende
Und mußten gehen. Von da an
Sah ich ihn nur noch selten, er
Vergräbt sich in der Bibliothek,
Studiert bis weit in die Nacht, schreibt
Sogar schon Bücher. Kommt er mal raus,
Sieht man ihn, wie er herschleicht, krumm,
Mit dünnen Ärmchen, seitlich hochgestellter Hüfte,
Blass, ein Nachtschatten, man denkt beim ersten
Blick: Ach was. Doch täuscht man sich.

 

Der alte Leopardi, hoch verschuldet, selbst das Puder
Der Perücke auf Pump gekauft, wenn er kommt
Mit seinen Gästen, alles Gelehrte und Poeten
(oder sie halten sich dafür), über die ganz Renacati
Lacht, hat mich noch nie gesehen, er spricht zu mir,
Als könnt ich ebenso ein anderer sein,
Als hätt ich kein Gesicht. Nie, so lang ich
Hier bin und ihn durch die Gegend fahre,
Hat er je das Wort an mich gerichtet,
Es sei denn, er befahl, noch wüßte er,
Daß ich es bin, käm ich in einer anderen
Kleidung her als dieser. Da ist der Junge
Anders. Du glaubst, er träumt nur immer,
Schläft fast im Gehen, liest und denkt
Und sieht nicht das Geringste um sich her.

 

So ist er nicht, schon darin, wie er grüßt,
Zeigt sich Noblesse, keine Spur von Dünkel.
Er sieht, sieht alles, in seinem Zimmer sitzend
Die ganze Welt, als säh er sie durch dichte
Vorhänge aus Musselin, als ob er
Mit den Ohren sähe. Er grüßt die Schwalben,
Wenn er aus dem Haus tritt,
Bis ihm die Augen tränen, schmerzen von
Dem Licht. Über die Schnecke steigt er
Vorsichtig, als sei sie wichtiger
Als er. Und als ich ihn einst sah, von
Meinem Kutschbock aus, am Hang zwischen
Den schwarzen Felsen und Lavabrocken,
Mit nichts um sich als Ginster, Gras
Und Grillen – er saß verzückt
Als trügen Engel ihn. O glaub nicht, er
Wäre so einer, der nur auf Wolken schwebt,
So ein Geistchen, das sein Leben träumt.

 

Nein, du solltest seinen Blick sehen,
Wenn er auf den Menschen ruht, so wissend
Wie die Alten, wie Jesaja von seinem Hügel
Schaute auf das Geschiebe in Jerusalem.
Und tränenüberströmt saß er mal auf
Der Hintertreppe, biß sich die Daumenballen,
Er hatte sich verliebt in meine Tochter,
Natürlich aussichtslos, er weiß es selbst.
Andere junge Herren hätten keine Skrupel,
Meine Gianna…
                               Er wird nicht alt,
Ich seh’s, schon jetzt so krank, wird
Bald der Stoff verbrannt sein.

 

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