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Autorenbuch Marc Mrosk LIEBESKUMMER LOHNT SICH NICHT – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Marc Mrosk

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LIEBESKUMMER LOHNT SICH NICHT


Sie wartete auf den Anruf und schenkte sich Whiskey nach. Sie trank das Glas in einem Zug leer und goss es erneut voll. Das Leben ist schwach, dachte sie sich und das bin ich auch. Ein kurzes hohes Lachen erfüllte den Raum. Das Telefon blieb stumm und diese Frau mit diesem Whiskeyatem, der ihr aus dem Hals stieß, ging rüber zur Stereoanlage und machte Musik. Sie mochte Jazz, doch in diesem Moment wollte sie etwas anderes hören. Sie wählte ein klassisches Stück von Mozart, hörte eins, zwei Minuten zu und drehte den Lautstärkeregler wieder runter. Die Musik war aus, doch sie hörte noch immer ein Summen, das durch den Raum hallte. Sie hielt ihr linkes Ohr an einen der Lautsprecher und lauschte. Das Summen verstummte. Sie dachte an letzten Winter und sah plötzlich wieder das Bild des alten Mannes, der vor ihrer Haustür ausgerutscht war und sich die Schulter ausgekugelt hatte. Sie war mit ihm durch den Schnee gegangen, während es nicht aufhörte nasskalte Flocken vom Himmel zu schneien.  Sie fasste sich an die Nase, spürte ein wenig Nässe und Kälte zwischen ihrem Zeige- und ihrem Mittelfinger, ging rüber zum Tisch und schenkte sich noch einen Whiskey nach. Ihr Hals wurde wieder warm. Sie drehte sich einmal, als ob sie tanzen würde, doch sie kam sich so lächerlich vor und blieb im Raum stehen wie eine Porzellanpuppe. Sie trank und blies ihren scharfen Atem in den Raum. Es war Still und das störte sie. Sie holte die Mozart CD aus dem CD-Spieler, legte die Disc zurück in die Hülle und zog eine andere aus dem Regal. Kurz darauf schallte ein brachialer Heavymetal Sound durch ihre Wohnung und sie fing an ihren Kopf vor und zurück zu bewegen. Headbanging. Sie dachte an ein vergangenes Konzert, das mit einem scheiß-heißen Nachmittag begann und mit einem Wasserfall aus Kotze, den sie in irgendeinen Vorgarten in irgendeiner kleinen Pissstadt laufen ließ, endete. Sie lachte und nahm gleich noch einen Schluck. Ihr Blick wanderte rüber zum Telefon, das noch immer keinen Laut von sich gab.

 

„Ich möchte am Ende schlauer sein“, sagte sie ganz leise zu sich und hielt sich den Glasrand an den Mund.

 

Sie ging rüber zur Stereoanlage, schaltete diese ab und stellte den Fernseher an. Durch das Nachtjournal wurde sie erst auf die späte Stunde, die sich erreicht hatte aufmerksam. Sie hörte sich schlechte Nachrichten an und schaltete den Fernseher wieder ab. Sie berührte mit ihrer Zunge einen Eiswürfel in ihrem Whiskeyglas und schob ihn durch den Whiskey an den anderen Eiswürfel heran. Wieder wurde es für sie zu still im Zimmer und sie schaltete das Radio ein. Ein Lied lief, das sie als unerträglich empfand, doch sie hörte weiter zu, so als wollte sie sich einer Folter unterziehen. Natürlich einer, die man ohne Schwierigkeiten überstehen konnte. Eine für vollkommene Schlappschwänze oder wie sie sich in ihrem Fall nannte: Schlappschlampe. Sie lachte, als sie sich das sagen hörte und suchte einen anderen Sender. Das Knacken und Rauschen wurde lauter und gerade als man dachte, das Radio zerplatzt durch die statischen Laute ertönte ihr Lieblingslied und sie lächelte und ihre Augen wurden ganz feucht. Sie machte zwei große Schritte zurück zum Tisch, schenkte sich ordentlich Whiskey nach und zündete sich eine Zigarette an. Sie setzte sich auf den Tisch und bewegte sich langsam dem melodischen Rhythmus entsprechend.

 

„Das liebe ich“, sagte sie und fing an den Text des Liedes mitzusingen.

 

Das Telefon klingelte und sie schreckte auf. Intuitiv ging sie rüber zur Stereoanlage und drückte den Pauseknopf des CD- Spielers, als sie merkte, dass es nichts half.

 

Sie musste über ihre kleine Dummheit schmunzeln und machte ihre nächste Bewegung zum Telefon hin.

 

„Hallo?“ Ihr Zittern wurde immer heftiger, denn am anderen Ende, hörte sie eine männliche Stimme, die sie in den letzten zwei Tagen immer wieder total nervös machte.

 

 „Er ist tot, Maggie. Hörst du? Er ist tot.“

 

Sie nickte, obwohl sie wusste, wie dumm dies während eines Telefongesprächs war.

 

„Hörst du?“ wiederholte sich die männliche Stimme.

 

Sie nahm den kabellosen Hörer und hielt ihn an die Lautsprecherboxen.

 

„Hörst du, Bernhard?“ fragte sie anschließend und es wurde still am anderen Ende. Sie trank ihren letzten Schluck aus dem Glas und legte auf. Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich zurück, ließ den Hörer und das Glas aus den Händen gleiten und sang mit: Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling. Schade um die Tränen in der Nacht.

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