das kind ist wild und wundersam ...
Liebe Monika Vasik, lieber Timo Brandt,
es gibt, denke ich, zwei Phasen in Liebesbeziehungen, wo es noch relativ leicht fällt, Liebesgedichte zu schreiben (ob es letztlich gelungene sind, bleibt natürlich dahingestellt): zum einen in der Phase des Frisch-Verliebtseins (schwärmerische Gedichte) und zum anderen in der Phase des Auseinanderbrechens einer Beziehung, wo der/die Verlassene noch einmal in einen hormonellen Ausnahmezustand gerät und größte Liebe und größten Schmerz empfindet, auch wenn die Beziehung seit Jahren narkotisiert war (im endgültigen Verlust wird die Liebe bekanntlich nochmal geweckt wie ein schon eingeschläferter Hund: ein letztes Herzklappenklappern, -flimmern … aber durchaus dramatisch). Viele Liebesgedichte dieser Art, aus diesen beiden Phasen, finden sich in „ich lebe in einem wasserturm am meer, was albern ist“.
Am schwersten aber sind wohl Liebesgedichte zu schreiben, denke ich inzwischen, die von einer Liebe erzählen, die nicht am Anfang und nicht am Ende steht, die stark und gleichzeitig belastet ist, gestärkt und belastet durch das Leben an sich und seine Herausforderungen an jeden einzelnen. Im neuen Gedichtband finden sich nun einige Liebesgedichte bzw. Liebesgedicht-Versuche dieser Art. Auch Kinder sind da und dort ein Thema, denn auch (oder gerade) Kinder sind für jedes Liebespaar eine Stärkung (siehe: „das kind ist wild und wundersam“, S. 62) und eine Belastung zugleich (siehe: „gespräch mit kindern“, S.70).
„kleiner klappaltar für eine liebe“ versucht nun wiederum verschiedene Phasen einer Liebe in einem Triptychon zu skizzieren. Gedicht 1: erste Verliebtheit (körperliche Gier, die Welt ringsumher scheint ausgeblendet zu sein), Gedicht 2: erste Bedrohungen (die Welt tritt wieder ein, in die Köpfe der Liebenden, mit all ihren Bedrohungen; der Versuch, diese Welt auszusperren, zusammen gerettet zu sein, gerettet zu bleiben), Gedicht 3: Melancholie (ein immer stärkeres Sich-bewusst-Werden der eigenen Vergänglichkeit, nicht mehr vollständig abzufangen von der Umarmung des Geliebten), inspiriert auch von Albrecht Dürers „Melencolia I“.
Mit besten Grüßen, Carl-Christian Elze