Nachdenken auf Bäumen
Auf toten Bäumen über Bäume nachdenken, allein schon das: sehr meta. Aber schlagen wir mal einen Weg durchs Dickicht und fangen mit dem Schwierigsten an, um die Sache etwas einfacher zu gestalten: der Beschreibung der Form. Tim Hollands Debütband Vom Wuchern kommt als aufklappbare Mappe daher, die einerseits eine faltbare Karte mit darauf verstreuten (oder: systemisch angeordneten?) Gedichten enthält und andererseits ein kleines Büchlein mit dem Titel Theorie des Waldes.
Am Anfang steht also bereits eine Entscheidung, die zwischen dem poetologischen Überbau oder der Beschäftigung mit dem poetischen Material. Das allerdings ist schon wieder eine sehr strikte und vielleicht willkürliche Grenzziehung, denn die Theorie kommt bei Holland in lyrisch-grafischer Form und die Lyrik nicht ohne theoretische Anteile aus. Schon auf dem Cover von Theorie des Waldes, dem Buch im Buch, werden die Verschränkungen und Verschiebungen zwischen Semantik und Phonetik grafisch entlarvt:
wald ↔ wand
↕ ↕
wild ↔ wind
In der Theorie des Waldes - ich nehme einfach mal diese Abzweigung zuerst - geht es ähnlich weiter. Wie ein Mallarméscher Würfelwurf verstreuen sich die Wörter in unterschiedlichen Fonts über die weißen Seiten, ergänzt werden sie von grob geschwungenen oder schraffierten Bleistiftzeichnungen. »supermarkierter wald / strichcode wald« steht beispielsweise auf derselben Seite, auf der auch ein paar wüste, parallel verlaufende Striche zu sehen sind. Natürlich erkenne ich diese abstrakten Kritzeleien dann auch: als Wald. Aber wieso eigentlich? Ist das nicht nur eine Art interpretatorischer Reflex, der auf die Kontextualisierung vom Gesehenen durch Sprache erfolgt? Anders gefragt: Lasse ich mich hier gerade verarschen? Von Holland, oder aber der Sprache als System, das Sinn und Ordnung zugleich schafft?