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Bertram Reinecke,

Lieber Frank, Alex wird ja nun klarer in seinen Äußerungen. Man versteht es besser. Ob Jan Kuhlbrodt es schon gelesen hat? Der beklagt sich an anderer Stelle, dass das Gespräch hier wieder in die alte politische Neiddebatte zurückfällt.
Ich staune: Jan wünscht sich eine Debatte um (Wagner)gedichte, und hat sie nicht. Ich versuche an eine Debatte über die Poetologie von Lyrikberichterstattung und andauernd schieben sich poetologische Ausführungen zu Wagner dazwischen. (Nun z.B. von Alex.)
Ich finde Jan hat aber nicht recht, wenn er sagt, die Debatte falle zurück, wenn wir hier das Thema Neid nochmal vorsichtiger aufnehmen. Denn Du hast dieses Thema vor kurzem ja schon mal rustikaler gehandhabt und mühst Dich hier um eine differenzierende Klarstellung.
Es hat mich zunächst etwas verletzt, dass Jan Kuhlbrodt seinen Unmut über das Rücksinken ins Politische beklagt. Ich habe zunächst gedacht: Wozu der ganze Zauber, damit er und wir endlich über Poetik reden können, ohne so sehr missverstanden zu werden. Warum klagt er? Nun ist mir aber klar: auch ich bin dünnhäutig geworden. Es ist ganz legitim und ich finde, dass man über Poetik reden können muss, wann man will. Man sollte sogar den Begriff „Neobiedermeier“ der missverständlich ist, gebrauchen dürfen dabei, ohne sogleich in eine Schublade verwiesen zu werden. Wenn ich anfinge, ihm vorzuwerfen, dass die politische Vorfelddebatte erstmal zu führen sei und man später dann vielleicht über Wagner reden könne, mache ich ja ihm zum Vorwurf, was schlechter Zustand des öffentlichen Gespräch ist. Diesen Vorgang hatte ich ja selbst an Delabar und anderen kritisiert. So haben jene verblassten Parteikader damals auch immer argumentiert: Das Utopische wird später sein und die realexistierenden Bedingungen des Sozialismus erlaubten uns in der heutigen leider noch nicht … und die Lage war nie danach und die Öffentlichkeit meist trist. Nein, eine Jan Wagner Debatte kann man anzetteln, wann immer einem danach ist und man muss sie auch nicht in einem so nüchternen, manchmal spröden Vokabular führen, wie ich dies tun würde …
Aber nochmal zurück zum Neid. Du betreibst eine sensible Psychologie des Neides, gewiss, aber merkwürdig daran ist doch, dass sich dieses öffentliche Psychologisieren nur einige gefallen lassen müssen. Welche Eitelkeiten mögen Nora Bossong oder Walter Delabar bewegen? Irgendwie sieht man hier viel schneller ein, wie schnell die Grenze zur Geschmacklosigkeit überschritten ist.
Du teilst ja Jan Kuhlbrodts Utopismus (“ist es zu früh und die äpfel noch nicht reif, doch der hunger groß/ bruder nimm den stecken, schlag sie für uns los.”), wenn Du über Neid reden möchtest, ohne als Partei missverstanden zu werden. Dann müsste man psychologisch in verschiedene Richtungen schauen. Denn das Schöne an Deinem Beitrag ist ja, dass er den Neid im Zusammenhang mit Wettbewerb stellt. Es müsste ihn also nicht nur bei irgend welchen zu kurz Gekommenen geben sondern überall. Im Wettbewerb stehen ja noch stärker diejenigen, die erfolgreich genug waren, ihre Existenz darauf zu gründen, für die ein Preis nicht bloß ein Luxus on top wäre.
Aber das wäre dann mehr Deine Debatte. Das Einzige, was mir dazu einfiele ist, dass bestimmte Lyriker erstaunlich undifferenziert mit Kritik umgehen, sich überall von Neidern umstellt sehen und für mich sind diese Neider unsichtbar, weil ich mich mit deren poetologischen Gegenentwürfen beschäftigt habe. Für manche Preisträger muss Lebenszeit unter Lyrikern grauenhaft sein, dass man sie am Besten mit Gesprächen über Fußball überbrückt.