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Von Flugbahnen und Erbsenzählern
verdränge den panzer. im moment hat das schlichte vorrang.
Nach meinem Versuch meine Leseart an einem speziellen Gedicht nachvollziehbar zu machen, habe ich geschrieben: "Das ist vielleicht wirklich weniger verstehen als Dynamik, Bewegung. Da sollten wir weitermachen." Kollege Schmitzer reagiert darauf mit einem eloquent formulierten Verweis auf die Techniksoziologie. Was soll das? "Reden wir über Gedichte?" fragte Monika in ihrem Kommentar, und ich fürchte, genau das tun wir zu wenig. Wir arbeiten uns lieber an Formulierungen ab. Am liebsten offensichtlich am Begriff des Verstehens. Selbst ich habe mittlerweile begriffen, dass Gedichte nicht unbedingt verstanden werden müssen. Wenn ich aber keinen Zugang über eine Art des Begreifens, der Begeisterung und des Mitgerissenwerdens habe, und dennoch über den Gegenstand sprechen will, bleibt mir da wirklich etwas anderes übrig, als ein irgendwie geartetes Verständnis für mich zu erarbeiten? Das scheint mir zielführender, als anzunehmen, dass "verstehen"ohnehin in andere wissenschaftliche Bereiche gehört, und es deshalb auch egal ist, ob Vögel gebären, statt Eier zu legen, und, wie Monika in ihrem Kommentar bemerkte, Magma in diesem Gedichtband über seltsame widersprüchliche physikalische Eigenschaften verfügt.
Ich habe, im Gegensatz zu Katharina, nicht das Gefühl, dass wir gelandet sind. Jedenfalls nicht in Rufweite voneinander.
Die Vögel verwandeln sich seit Jahren in Geschosse, ohne uns zu treffen. Das ist es vielleicht.
schreibt Yevgeniy. Vielleicht sollten wir uns auf die Flugbahn konzentrieren. Die Flugbahn als unsere individuelle Leseerfahrung mit dem Buch. Wenn wir uns darauf beschränken, diese Flugbahn sehr genau zu beobachten, könnten wir die Geschosse vielleicht zu friedlichen Landungen veranlassen, solchen, die das Buch immer weiter öffnen und zu immer mehr, einander widersprechenden und einander ergänzenden Einsichten führen. Uns kritisch verständigen, über unsere Lesekonventionen, nicht um einander zu verurteilen, nicht einmal um einander zu beurteilen, sondern um uns unserer eigenen Grenzen (und gegebenenfalls der Grenzen der Gedichte) bewusst zu werden, und auf diese Weise immer wieder aus dem dunklen mythischen Wald herauszufinden ins offene Feld, von wo aus wir die Flugbahn der Vögel beobachten können.
Für mich hieße das, das Unverständliche an einem Text nicht nur zu erkennen, sondern anzuerkennen. Was die Bereitschaft voraussetzt, mich selbst und mein eigenes Selbstverständnis in Frage zu stellen. Auch das meinte ich mit Dynamik. Dazu hat mich diese Diskussion gezwungen, und ich sehe das als gewinnbringend an. Ebenso wie ich für Hinweise dankbar bin, die den Bezugsrahmen betreffen, in dem das mich ratlos machende Gedicht, sich befindet. Das da Bezug genommen wird auf die Tradition des kaputten Geräts und Martina Hefters "Ungeheuer", macht mir das Gedicht nicht verständlich, aber es hilft mir, es einzuordnen.
Frank hat sich in seinem Kommentar Gedanken gemacht, welche Kriterien brauchbar sein könnten, um sich über den Gedichtband auseinanderzusetzen. Eine Aufgabe, die eigentlich uns zugestanden hätte. Wir sollten seine Vorschläge prüfen, statt die Kommentarstränge auszublenden. Und uns einlassen auf seine Frage.
Dann reden wir nicht länger über das "Verstehen" der Texte, sondern über die Ränder, das, was die Lesearten ändert, die Flugbahnen der Vögel beeinflusst.