ein stream muss her
express! Eine neue Form von Kritik. Wir exp_erimentieren mit neuen Ansätzen in der digitalen Literaturkritik. Wer denkt wie und warum? Was sagt die Autorin dazu? Können Sie das nachvollziehen? Interaktiv und transparent - eine demokratische Debatte über Literatur. Zwei Literaturkritikerinnen und eine Autorin im Dialog. Heute gehts weiter mit flüchtige monde von Yevgeniy Breyger. Im Stream Elke Engelhardt, Yevgeniy Breyger und Stefan Schmitzer. express! yourself!
Treideln

Ich bin Schriftsteller, das ist nicht nur ein Beruf, sondern die Entscheidung, die Welt als Sprache zu sehen. Als die eigentliche Sprache erscheint mir die, in der das Wort und das Ding zusammenfallen. Aus dieser Sprache, die sich rings um uns befindet, zugleich aber nicht vorhanden ist, gilt es zu übersetzen. Wir übersetzen, ohne den Urtext zu haben. Die gelungenste Übersetzung kommt ihm am nächsten und erreicht den höchsten Grad an Wirklichkeit. Erst wo die Übersetzung sich dem Original annähert, beginnt für mich Sprache. (Günter Eich)
Kein weniger an Kritik, sondern ein mehr an darin enthaltener Reflexion, schreibt Max Czollek am Ende der ersten Express Staffel. Und das ist auch der Kern der sich bei der akutellen Diskussion um Lyrikkritik herausschält.
Vielleicht vollzieht dieses neue Format der Auseinandersetzung über Literatur gewissermaßen den Schritt von einem statischen Urteil hin zu einem offenen Gespräch. Die Möglichkeit, eine Haltung zu entwickeln, und im Gespräch zu bleiben - über imperiale Köpfe, Gerste und Mond. Über das Erhöhte im Gedicht. Darüber wie Yevgeniy Breyger das Unsagbare umkreist, wie er versucht auf magisch-mystische Weise an den Urtext (siehe Eich) zu rühren. Gelingt ihm das mit den „flüchtigen monden“, oder lässt er sich treiben auf einer Sprache, die vom Mond beeinflusst zwischen Ebbe und Flut auf- und abbrandet?
„Lesen ist das Nachvollziehen des Schreibprozesses einer anderen Person“, behauptet Breyger in einem Interview mit Sibylla Vricic Hausmann im Poet Nr. 19. Was ich momentan erkenne ist ein Dichter, der den Mond liebt -
ich liebe nur den mond
und die Sprache den Gezeiten aussetzt. Die Frage, die sich mir jetzt stellt ist, wie man über etwas redet, das man nicht versteht, aber gerne ergründen möchte.
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es handele sich um das
die methode, das buch zuerst
flüchtige monde ist ein
wobei, liebe verena, express!
ahhh, liebe julietta, danke
in diesem gedichtband geht es
Wenn sich ein Dichter an
Dreidel dreidel...

wir nehmen erstens zur kenntnis: da liegen gedichte vor, in denen es um den mond geht. (sagen wir nicht "die sich um den mond drehen" - das impliziert sofort die eine oder andere analogie, die uns die lektüre verunklären könnten - "...wie dieser sich um die erde dreht" u.ä.). der mond der dichter ist, wie wir eh wissen, ein mehrfach und widersprüchlich codierter topos, beinah eine universalchiffre. als sinnbildchen des jenseitigen, irrealen, natürlichen war er in den letzten paarhundert jahren austragungsort verschiedener kämpfe um utopie, um das verhältnis der äussern zum inneren, der ethik zur ästhetik, nátur und kúlltur und trallala und schlags nach in den registern der proseminararbeiten.
damit ist der mond nicht alleine, so geht es den lindenbäumen, den feldern, wäldern, gärten und gewittern, den blumen dieser oder jener farbe, diversen tieren, flüssen, landwirtschaftlichem gerät von sense bis traktor. was ihn, den mond, vor diesen anderen aber auszeichnet, ist, dass er trotz seines status als leitfossil für die literaturgeschichtler und -soziologen noch immer, wo er auftaucht, seiner alten kernkompetenz nachkommt und machtvoll zweifel am prinzip der verstehbarkeit evoziert, nebst nebulösen sehnsuchten und vagen andeutungen richtung körper-versus-geist, verführung, siehe oben. er tut das selbst noch da, wo diese seine topogenese just der gegenstand des textes ist. auch der als doppeltes zitat zitierte mond strahlt fahl auf irgendn ding; das macht dann wirkung.
will sagen: elke engelhardt ... (sind wir in diesem textformat hier eigentlich zweite personen miteinander, oder sind wir dritte? - ich bleib mal bei der dritten) ... elke engelhardt also verwendet die begriffe "unsagbar", "magisch" und "mystisch", wenn sie das gespräch über yevgeniy breygers auffallend umfangreichen gedichtband "flüchtige monde" eröffnet.
dabei spräche manches dafür, gerade dieses mond-buch als offensiv antimystischen gedichtband zu lesen - breyger verwendet keine der drei meines wissens denkbaren verfahrensweisen, mit denen "unsagbar"-"mystisches" üblicherweise ins gedicht geholt wird: weder erstens die "negative theologie", ob in listenform oder als beinahe-verstummen des textes; noch zweitens das (sprachliche oder sachliche) paradoxon, also die vorsätzliche kapitulation der sprache vor der eigenen ungeschicklichkeit; noch auch drittens die schlichte anbringung einer hinweistafel im text "das folgende bitte als mystisches raunen rezipieren".
nichts von alledem. statt dessen stellt sein buch einen durchwegs narrativ zu lesenden, wenn schon nicht "entschlüsselbaren" streifzug eben, siehe wiederum ganz oben, durch die geschichte der gesichter des mondes dar. wir können uns denken: individualgeschichte, klug montiert als geschichte einer gesellschaft oder einer tradition. wir können auch denken: lustig, das. hier zum beispiel:
vorwärts amphoren, trockene kostbare bären. empören
sich die wälder? sie siechen aus euch heraus.
fahnen voller protest, um ohren verschobene tonspuren,finnen. falls ihr es seid, werdet ihr euch erkennen. doch das
seid ihr vor allem: geschlechtliche kiebitze ohne instanz.
gehaltlose teaser. zärtliche freude eilt euch voraus.(...)
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„wer mitmacht, versteht was
Schade, schade! Nach dem
Ein Auter, der den Mind liebt

Elke führt ihre Annäherung von natürlich Außen nach natürlich Innen. Wäre das unnatürliche Ausbrechen aus dem Textkörper heraus mir lieber? Auch in diesem Fall wäre das vermeintlich Unnatürliche (Ich spiele dem für meine Pointe die passende Rolle zu.) natürlich. Wie sehr reibe ich mich am vorangestellten Schutz vor dem "unverständlichen"? Nicht zu knapp. Ich möchte die Topoi dieses und seines Gegenbegriffs nicht repetierend (in Gedenken an andere Kritiken anderer Gedichte anderer AutorInnen) diskutieren. Denn was taucht auf?
-
Der Autor, der den Mond liebt wird erkannt aus der Zeile "ich liebe nur den mond". Eine Reihe von voreiligen Kettenschlüssen: Breyger=Autor=Ich=Ich redet wahr etc. Jeder Schluss in meinen Augen viel zu scharf (Das Arsenal meiner Schiefheiten bringt sich in Stellung.). Bitte nun auf die Autorfrage im Generellen eingehen...1,2,3...fertig, bitte nun nicht mehr.
Die andere Beobachtung, von Schmitzer weitergeführt und abgewiesen, das Mystische. Die Zwei Stühle des Mystischen und seines Gegenparts (Welcher wäre das?) werden ins Zimmer gebracht. Ich möchte mich auf beide setzen. Beschwörungstexte, sehr gern, antimystische, ja, mystisch, ok. Antimystik (oha!)! Verweilen wir im ersten Kapitel, wäre die Diskussion fruchtbar. Doch sonst? Geht es wirklich so viel um den/einen Mond oder deren viele? Die Frage sei halb ernsthaft wirklich gestellt, aber bitte zum schnell abhandeln. Meine Antwort: nicht so wichtig. Was wäre in der Bewegung von Außen nach Innen noch zu beschreiben? Es sind Kapitel vorgegliedert, die Texte sind nummeriert etc etc. Was wäre die gegenteilige Bewegung (um in Gegenbewegungen zu spielen.)? Kommen wir von den kleinen Gedichten nicht besser auf ein größeres Ganzes?
Schmitzer spricht das Narrativ an – wir haben einen Punkt, in einem Kommentar von Jayne wird „Unsagbares“ hier als Irrweg angezeigt – sehr gern.
Jetzt sind wir wo anders, gleich wieder in Bewegung, dann in Ruhe (Ich versuche diese Abstraktheiten ab jetzt zu unterlassen, Gott sei dank.).
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Der Autor nimmt die Rolle des
lieber y breyger, da die
genau, es geht mit 4. los. im
Hat der Mond Stefan Schmitzer
oder er sieht nach, ob nicht
Julietta! Bestes Zitat!
Irrweg

Während der Kollege und der Autor Stühle aufstellten, umstellten und sich den Raum aneigneten, hatte ich mich ausgesperrt. Stand vor der Tür, guckte in den Himmel und suchte den Mond. Nicht weil die Suche nach dem Umgang mit dem "Unsagbaren" generell kein brauchbarer Ansatz für die Annäherung an einen Text wäre, sondern weil es in diesem speziellen Fall nicht weiterführt. Selbstverständlich ist ein Gedichtband nicht schlecht, nur weil ich keinen Zugang dazu finde. Das wollte ich wohl damit sagen. Dennoch gibt es Gründe, warum mir ein Gedichtband zugänglich ist und ein anderer nicht. Die gilt es zu suchen.
Den Kapitelüberschriften folgend, werde ich zunächst überflutet von Unverständnis, das auch in der Ebbe anhält, und beim Umdrehen im Traum dichter und undurchlässiger wird. Ein wenig greifbarer werden die Gedichte im "Amphoren" überschriebenen Kapitel. Für Stefan Schmitzer ist das:
individualgeschichte, klug montiert als geschichte einer gesellschaft oder einer tradition..."
Das kann man hineinlesen. Überhaupt ist alles politisch und auf komische Art und Weise kritisch. Aber auf einem derart abstrakt intellektuellen Niveau, das nur meinen Verstand anspricht. Ist das Dichtung, oder eher ein Spiel mit Metaphern, Anspielungen und Abstraktionen?
wer mitmacht, versteht was mit absicht. die betrachter
drumrum, jetzt so aktiv wie erwartet. mit handschuh
im ring ein wenig verschnaufen. hinter mir augen,
die durchscheinen. spießen mich auf, als wär ich aus plastik.
im fallen inbegriffen. drastisch
Bin ich jetzt im richtigen Raum? Ist von hieraus das größere Ganze zu sehen, das Yevgeniy vorschlägt?
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Im Auftrag eines Lesers:
Ob wir da nicht einen trägen
Form wahren! Yevgeniy - wenn
berechtige Forderung! Das
Der absurde Vorwurf ich hätte
aufm irrweg lässt sich genausogut spazierengehen

du warst schon vorhin im richtigen raum, elke (=unterm offenen himmel, im bleichen licht et cet); des autors ahnung, es sei der schluß des buchs noch nicht gelesen worden, galt wohl mir (weil ich kommentarspaltigerseits fragte, ob das mit den nummern undsoweiter); sie galt mir zurecht: ich hatte die texte durchaus studiert mit heißem bemühen, aber den diversen gliederungselementen gar zu wenig aufmerksamkeit geschenkt. das geht natürlich nicht, just im vorliegenden fall, wo diese gliederungselemente uns was zur zumindest intendierten "leserichtung" sagt. ...
also nachgereicht, auch in hinblick auf die kommentarkommentare über verstehen und offenheit und proseminare ...
erstens,
dass wir all-só den aufbau der "flüchtigen monde" beschreiben können: 31 mit arabischen zahlen nummerierte gedichte, sieben mit römischen zahlen, 29 ungezählte; mit arabisch vier beginnt der reigen und endet mit arabisch drei. die kapitel heissen
FLUT
EBBE
SICH UMDREHEN IM TRAUM
AMPHOREN
SICH AUF DER FLUCHT UMDREHEN
PFLANZENFAMILIEN
SANDFAMILIEN
THEAS ENDE
ohne die texte zu kennen, können wir nun denken: aha: 31 - die tage eines langen monats, dann VII, die tage einer woche, in der sich mutmaßlich alles – was auch immer, erstmal – zuspitzt und memorabel wird (weil: inschriftcharakter römischer zahlen und so). dann auch, in hinblick darauf, dass der band nicht mit dem "1." gedicht beginnt, sondern dem "4.": entweder, was da geschieht, hat die eigenschaft von (zyklischer?) wiederkehr (ahhh); oder wir habens mit irgendeiner sorte von rückblende zu tun (ohhh), oder beides, oder chaos. wir denken alles dieses und legen es zu allfälliger späterer verwendung ad acta.
zweitens,
zum narrativ: es gibt da offensichtlich eine thea, nicht nur in jener einen letzten überschrift. mit ihr endet der band, der "arabische" gedichtzyklus aber beginnt mit ihr – das vorletzte gedicht steht im inhaltsverzeichnis als "2. thea beim duschen", und ein paar gedichte vordem heisst es:
ich nenne mein rheuma beim namen, thea rheuma,
auf welcher bahn sich die energie verliert, unbekannt.
thea prostata, weltliche schmerzen, hochstaplerkraft.
ich bin die verzweiflung des tags bei sonnenuntergang,
ich bin der einflussmann ohne fließend wasser.
ich gehe freiwillig schlafen. wohin mich das führt?
... ist diese "thea" also wirklich bloß "göttin", so eine vage frauenförmige generalallegorie (frau welt, herrin der zipperlein, wie sie mit den gezeiten schlimmer oder besser werden; sachwalterin des jungseins / altwerdens; tannhäusers dämonin)? wo sie doch wenig später, im erwähnten text nummer "2.", ganz greifbar duschen gehen wird, während das ich "draussen" mit der mutter herumsitzt, in einer szene, nicht der einzigen, die nahelegt, dass diese thea dem ich seine ganz konkrete geliebte o.ä. ist (und zwischen diesen beiden texten als nützliches text-du verwendung findet).
es gibt alles das, also hinweise, anspielungen, mehrdeutige figuren; gewählte formulierungen, die in hinblick auf solches rätselwerk wohl stets was leisten, aber von denen man nicht alle verstanden haben wird (was dann erschwert, in der schmalen spur des bisschen "handlung" drinzubleiben - am schon zitierten beispiel: "der einflußmann ohne fließend wasser", der "freiwillig schlafen" geht, ok, das bekomme ich noch zusammen: prostatabeschwerde, kann nicht pissen, schmerzen verleiden den feierabend, also ab in die heia mit dem machtgewohnten ich, in rührendem gegensatz zu seinem sonstig-alphamännischen dasein ...). kommentatorin verena hat das begeisterter so beschrieben, dass "flüchtige monde"
erst durch wiederholtes lesen erarbeitet werden will, erst durch überdenken einzelner gedichte, verse, worte und durch das verstehen der fäden, die unter den jeweiligen Gedichten/Zyklen zarte Verbindungen ziehen, auf poetologisch- theoretischer Ebene verstanden werden möchte.
mir dagegen soll reichen, dass es diese labyrinthische ebene des ganzen bandes gibt; ich vertraue komplett darauf, dass alle echten und papierenen wände, alle fährten, silberfäden und fallstricke an ihren stellen sitzen ... und ich revidiere sogar noch gerne mein rasches wort "antimystisch". zumindest manches hier wird im strengeren wortsinne mystisch sein, also: in geheimen, nur den eingeweihten zugänglichen zeichen abgehandelt werden.
das widerspricht nun alles nicht meinem ersten eindruck, individualgeschichte sei hier montiert als traditionengeschichte. das sagt nur, dass ich mich beim lesen dieser individualgeschichte übers buch hin weit mehr anstrengen muss als beim lesenden herausarbeiten der bezüge auf die tradition im einzelnen gedicht. (bis an den punkt, da ich mich fragen darf, obs überhaupt beabsichtigt ist, dass ich die "story" kapiere – ist die am ende nur für diese eine, na, sagen wir "thea" zu ihr, bestimmt? oder: ist es solche intimität, die inszeniert wird?) und damit –
drittens –
zu den einzelnen gedichten. die gehen für sich genommen ohne eingeweihtensprech-verdacht in mein gehirn. weil auf dem cover "flüchtige monde" steht, lese ich sie (und las sie schon, ehe ich auf meinen gliederungslapsus gestoßen wurde) als ebensoviele miniaturen, in denen "monde" der literaturgeschichte zu sich kommen, von einem ich auf brauchbarkeit hin abgetastet, abgeglichen mit dem eigenen. dass viele der gedichte strengst klassische rhythmik aufweisen, gehört zu den details, die mich in dieser leseweise noch bestärkt haben ganz zu anfang; gehört auch zu den gründen, warum ich geschrieben habe: "lustig, das". (ist das ein zeichen von betriebs- und/oder proseminar-blödheit?)
zum schluss:
wir können uns jetzt fragen, ob wir mehr gewinnen, wenn wir übers großganze weiterreden – drinnendraussenzeug – oder über einzelne solcher gedichte – obenuntenzeug, einstundheutezeug. beides zugleich wird kompliziert werden.
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Wie reden über ein Buch? Als
Kein Text unter dem Text

Folgende meine Annahme: Wir müssen nicht mehr darüber reden, wer etwas in einem Gedicht "nicht versteht", denn wir haben irgendwann als unsere ersten Gedanken über Gedichte im Kopf herumschwirrten kapiert, dass Gedichte fast immer a.) kein Klartext sind (1 zu 1 lesbar), bedeutet, wenn im Gedicht die Wortgruppe "ich liebe nur den mond" auftaucht, kann man daraus nicht eine Aussage ableiten, der Autor dieses Gedichtes liebe den Mond. (Nicht einmal das lyrische Personal.) Und b.) dennoch keinen darunter zu entschlüsselnden Subtext haben (außer es sind besonders blöde Gedichte). Wir haben damals den Verstehensbegriff hinterfragt und dann war es auch gut und wir sind zum Entschluss gekommen, es lohnt sich nicht mit dem Begriff "Nichtverstehen" zu operieren.
Die Annahme, es gäbe eine sogenannte hermetische Lyrik, die nur szenelesbar oder intelektuell verklärt, verrätselt sei und dem gegenüber stehe die andere "verständliche" Lyrik, ist tatsächlich dermaßen absurd und verklärend, dass ich nicht das Gefühl habe, dafür noch argumentieren zu müssen, das wurde genügend getan.
Beziehen wir das auf meine Gedichte: Nein, es ist nicht nötig den "Schlüssel" zu finden, den Weg durch ein Labyrinth, um dann eine Schatztruhe vorzufinden. Es gibt nicht einen verständlichen Subtext darunter, es gibt wenn überhaupt dutzende verschiedene Subtexte, die genauso wie das wörtliche auf der Oberfläche offen und zugänglich für eine direkte Lesart stehen. Wenn Berge auftauchen, sind es eben Berge, wenn Steine und Wasser auftauchen, sind es ebendiese. (Lassen wir bitte auch die Diskussionen um die Metapher beiseite.) Dementsprechend ist es unmöglich hier etwas "nicht zu verstehen". Alles liegt offen da.
Wie Verena feststellt, geht es um den Versuch, das eigene Maximum (maximale Dynamik?) aus der Sprache herauszuholen und lebendige multidimensionale Gebilde zu entwickeln, die in alle Richtungen weisen und dennoch auf einen gemeinsamen Fluchtpunkt im Inneren hinauslaufen. (Ein eingerollter Igel.) Der Witz ist: Diese Beschreibung von mir könnte man nun genauso gut Streichen und durch eine Gegensätzliche ersetzen. Und weiter? Der Punkt ist, man kann damit vieles machen, wenn man will und gewillt ist, sich zu bewegen.
Elke artikuliert in den Texten zusätzlich das komisch Politische, das Komische wird auch von Stefan aufgegriffen. Das Komische (Seltsame, Witzige) und das Politische stellen für mich weitere wichtige Punkte meines Anliegens dar. Bisher nicht erwähnt: Eines der Kapitel beispielsweise ist ein direkt politisches szenisches Langgedicht, in dem Flucht, Staatenlosigkeit, Russland/Ukraine-Konflikt behandelt werden, in dem es vor allem um die Möglichkeit, überhaupt politisch zu sprechen geht. Selbstverständlich alles auf eine irgendwie seltsame Art und Weise. (Bitte auch die Diskussion darüber, ob Lyrik nicht immer politisch sei außen vor lassen, auch diese haben wir damals in der Steinzeit abgehandelt.)
Stefan macht in seinem Beitrag weiterhin eine, wie ich finde, überaus wichtige und kluge Differenz auf: Ist die narrativtragende Thea eine lyrische Überfigur, eine Muse? Oder ist es eine "private" Person? Ja, sie ist beides, das weiß Stefan sehr gut. Und doch erwähnt er es, denn Narrative in surrealen Szenerien fördern surreale Lesarten. Wenn wir meinen falschen Begriff "surreal" nun durch etwas wie "second world" ersetzen, kommen wir der Sache eventuell näher.
wann verwandeln sich diese traurigen kiefern in ein gebirge?
im frühling?
vielleicht im nächsten frühling?
lass uns ehrlich sein, du bist mindestens müde,
es sind deine lungen gemeint. meine augen?
tiefer, vertrau mir.
du sitzt in der wiesenwelt, mit offenem hemd.
es ist frisch.
dein atmen mischt sich mit dem atmen der vielfedrigen,
der armen zweifelflügler, der nichtatmer.
ihre leuchtenden bäuche umschwirren die wipfel der kiefern.
doch dein bauch leuchtet hier nicht,
deine füße gehorchen den elementen,
dich belächeln sie so milde, wie du es von der milde kennst
zu dir selbst.
deine kleinen lügen sind bekannt, aber niemand nimmst sie ernst.
lass mich dein hemd zuknöpfen. die kiefern,
achja, die kiefern
biegen ihr dehnbares holz unaufhaltsam nach innen,
ihr sprödes holz transzendiert nicht,
es bricht, es ist normales holz.
Was gäbe es hier zu verstehen? Was gäbe es hier nicht zu verstehen? Ich hoffe, nichts.
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"... dass Gedichte fast immer
Nach der 7 und 31 wäre die
Gedichte sind eigentlich
Wieso denn BWL-Professor?
meine erste motivation,
liebe julietta, ich glaube,
lieber frank, es war spät
Prinzipiell gebe ich Ihnen,
alles ist erleuchtet

„gehet aufeinander zu,
das sei eure bestimmung.“
Endlich ist der Weg erleuchtet, dank der Erläuterungen von Kollege Schmitzer zum Aufbau des Buches. Ein zahlenmystischer Aufbau, in den man allerlei hineininterpretieren könnte. Dazu vielleicht später.
Halten wir für den Moment fest, das da immer noch dieselben Gedichte liegen. Selbstredend unverändert. Verändert aber hat sich mein Blick auf sie.
Kein Subtext, keine Notwendigkeit nach Schlüsseln zu suchen, betont Yevgeniy. Alles liegt offen da. Die inszenierte Intimität ebenso wie das Spiel mit den Mythen, die Bewegungen der Gedichte von innen nach außen, vom Individuellen ins Großeganze.
Mehrfach erwähnt worden ist der hohe Ton der Gedichte, der im Gegensatz steht zu deren Inhalt, indem sich Ton und Inhalt in verschiedene Richtungen bewegen, wie Ebbe und Flut in etwa, um in den Bildern des Bandes zu bleiben. Die ja auch zusammengehören, trotz aller Gegensätzlichkeit, und die sich abhängig vom Mond auf ihre je eigene Weise bewegen. So wie auch diese Gedichte sich immerzu in Bewegung zu befinden scheinen, zwischen innen und außen, Individuum und Gesellschaft. An Grenzen gehend (so sieht es Verena). Was dem Dichter gefällt. Weil mir diese Aussage von den Grenzen der Sprache eher nichtssagend erscheint, gehe ich noch einmal zurück zum einzelnen Gedicht, bzw. zu zwei aufeinander folgenden Gedichten, und formuliere ein vorläufiges Verständnis und eine Frage.
Im Kapitel Pfanzenfamilien, in dem u.a. Glauben und Definitionsmacht verhandelt werden, steht folgendes Gedicht:
aus den wässrigen untiefen einer sphäre erheben sich
fünf käfer, jung noch,
wackeln mit ihrem chitin.1 ein ruhiger fideler freund,
2 trist im körperbau, hat hunger,
3,4 und 5 wie 1.1,3,4,5 spucken giftige ladungen in einen abguss,
scheuen den konflikt.2 breitet seine fühler aus in richtung der pole,
zitiert, was ihm einfällt, erfindet dazu:
ich komme aus dem wald, wo kälte eine währung ist.
das wesen der krankheit ist dort unklar,
entspricht dem gegenteil von hunger, also europa.
da kommt man um vor bergen.
1,3,4,5 befeuern 2 mit giftigster galle,
2 zieht zurück.
Hier werden die angedeuteten Ursprungsgeschichten konkret: fünf Käfer erblicken das Licht der Welt. 4 von ihnen ähneln einander, einer ist anders und hat zudem noch Hunger.
Die einander gleichenden tun gewissenlos Dinge, deren Folgen sie nicht kümmern. Spätestens hier werden die Käfer für mich europäische (wenn nicht explizit deutsche) Käfer (Stichwort Globalisierung, Ausbeutung rohstoffreicher Länder, Waffenexporte, ganz besonders natürlich die ausdrücklich erwähnte Scheu vor Konflikten).
2, der andersartige, hungrige, also noch nicht bis zur Verblödung mit Wohlstandsmüll gesättigte, Käfer, hat seinen Auftritt. Er zitiert urdeutsche Symbole (Wald) und definiert das Klima dieses Herkunftsortes so klar und pointiert, dass es keiner weiteren Worte bedarf. Die Kälte als Währung, ergänzt durch das unklare Wesen der Krankheit als Gegenteil von Hunger, fängt die ganze momentane Stimmungslage in einem wohlstandsgesättigten Land ein, dessen Bürger kürzlich besorgniserregende Wahlergebnisse verantwortet haben. Die konfliktscheuen, nationalistischen Käfer reagieren auf diese Rede, wie sie zu handeln gewohnt sind; sie verspritzen Gift.
So weit, so gut. Wirklich sehr gut, weil auf kleinstem Raum hochkomplexe Problemberge (da kommt man um vor bergen) verdichtet werden.
Yevgeniy hat in seinem letzten Statement die Frage nach der "Möglichkeit, überhaupt politisch zu sprechen" gestellt. Eine Frage, die andersherum genauso gut funktioniert, als Unmöglichkeit nicht politisch zu sprechen, so dass ein Gedicht über Käfer von einer Leserin mit politischen Deutungen aufgeladen wird. Das ist vielleicht wirklich weniger verstehen als Dynamik, Bewegung. Da sollten wir weitermachen.
Obwohl das ein schöner Schluss wäre, ist da noch meine eingangs erwähnte Frage. Sie beginnt mit dem Gedicht, das unmittelbar auf das Käfergedicht folgt:
blumen feiern hochzeit vor meinem fenster.
ich liege wach und kann nicht weinen.
wo sind die einsamen geblieben? wo
mein batteriebetriebener toaster? wo
die skelette der abgeschossenen mücken?ich sehe sie nur noch bekleidet im traum.
die atmosphäre besteht aus aussortierten nebeln,
aus mündigen verbrechern, geficktem motorstaub.ich will ein tretschwan sein, um zumindest einen see zu kennen.
früher dachte ich, die stärke der planeten triebe mich voran.
sie war müdes kreisen.
die planeten schoben sich ineinander,
einsamkeit kam auf, zog vorbei.
Ohne dieses Gedicht, hätte ich Verena in diesem Statement die Hand gereicht und gesagt: Ja, dieser Dichter ist groß. Dieses Buch ist ein Trost.
Aber so? Was soll das? Gegenbewegung von außen zurück ins Innen? Widerspruch? Bruch? Oder die Einlösung von Stefans Versprechen, dass das Gespräch über die Gedichte kompliziert bleiben wird? Das soll kein Qualitätsurteil sein, das soll nicht einmal bedeuten, dass ich wieder auf das alte Nichtverständnis zurückfalle. Es geht darum, dass "flüchtige monde" ein tatsächlich klug montierter Band ist, von dem Zahlenaufbau, den Stefan kundig erschlossen hat, bis zu den sinnhaften Fäden, die sich durch den Band ziehen. Vielerorts erkenne ich das. Gerade darum irritiert mich dieser "Zusammenstoß" der Gedichte. Und mit dem Etikett "naiv" versehen, das mir ein Leser verpasst hat und das ich mir bereitwillig auf die Stirn klebe, gebe ich zu: Hier tappe ich aller Erleuchtung zum Trotz, erneut im Dunklen.
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verhülle deinen himmel / zeus als tretschwan

protokollarisches I: ich blende die subtexte der kommentarspalte jetzt aus, sonst kenn' ich mich nicht mehr aus hier.
protokollarisches II: können wir uns drauf einigen, elke und yevgeniy, dass der begriff "verstehen" in der literatur ggf an die technik-soziologinnen weiterzureichen wäre, äquivalent zum abbildbegriff und was in der bildenden kunst im einzelnen mit ihm geschah, nachdem der fotoapparat erfunden ward? was wird aus dem text, was aus dem produkt buch unter solchen und unter solchen bedingungen? welches bedürfnis erfüllt er / es hier, welches da? (je nach vorliebe lässt sich an dieser stelle dann (a) wehklagen oder (b) jubilieren, dass unser feld, im gegensatz zur bildenden kunscht, nicht um einen markt für mehr oder weniger origanale "originale" herum organisiert ist ...)
wo waren wir? ach ja ...
... waren tief im kapitel "PFLANZENFAMILIEN", bestehend aus vierzehn unnummerierten gedichten, von denen eines elke als problemlos politisch lesbar gegenübertritt (oder politisch-in-zweiter-ableitung, gut, soll sein), während ein anderes, das mit der blumenhochzeit, sie nervt. verstehe ich in grenzen, will sagen: ich mag am zweiteren text die wendung von wegen
geficktem motorstaub
nicht; sie wirkt, als hätte sie entweder us-amerikanische schimpfkultur (=nähere schauplatzbestimmung?), oder eine zusätzliche vorhin-wurde-gebumst-konnotation, oder beides, ins gedicht locken sollen, doch da ihr, der wendung, die verführungskräfte erlahmten, zerrte sie die beiden widerspenstigen objekte der begierde eben an den haaren herbei ... gegen den rest der blumenhochzeit hab ich dagegen wenig einzuwenden: weibchen weg, und unter sehr genau bestimmten umständen, und leer so leer das zimmer ... wett macht den äh fickstaub dann für mich der
tretschwan
der "er" sein will,
um zumindest einen see zu kennen.
... die nachwehen eines lohengrin-clubmix am sommerlichen baggerloch also – da bin ich sehr dafür. daraufhin sehe ich mich im restlichen kapitel um, ohne eine so bestimmte frage vor augen zu haben wie elke, und bemerke:
ei der daus, das kapitel heisst ja PFLANZENFAMILIEN, und es kommen aber gar nicht in allen texten pflanzen vor; manchmal sind es nämlich tiere, in einem fall gar bloß ein truck, dem aber immerhin
dumme[n] pfoten
bescheinigt werden; allen gedichten des kapitels dagegen gemeinsam ist, dass sie sofort gehorsam sich auftun, wenn wir sie (auf unterschiedliche weisen) als texte über gruppendynamiken von irgendwelchen leuten lesen, die am belebten bildmaterial niederschlag und/oder entsprechung finden; es fällt dann eine allgemeine atmosphäre der mühsamen selbstdistanzierung und rastlosigkeit auf, eine aufbruchstimmung, die wir genauer bestimmen wollen; sagen wir "provinzpunks letzter sommer im dorfe, bevor er nach leipzig aufbricht, um am dll zu inskribieren" (oder so) ... der letzte text des kapitels geht dementsprechend so:
die weissagung wird sich bewahrheiten.
meine hände werden enorme feuer entfachen.
feuer, weit über die hecken der nachbarsgärten,
hinaus ins wahre gebüsch.meine kiemen werden expodieren, nichts
wird bleiben. alles ruhen. du wirst es merken, ja,
wirst mich ansehen ohen augen, das wird hart.
vögel werden sich paaren im licht der laternen,sie werden neue vögel gebären.
das ist der alltag der beinahvögel-zyklopen,
so sheen sie uns durch ihre plastikfernrohre.
daher ihre ängste.
zwischenfrage - was wären das für beinahevögel, die, statt eier zu legen, "gebären"? wir wissen zwar, die anforderungen der metapher triumphieren im zweifelsfall über die erkenntnisse carls von linné, aber trotzdem... ach egal. weiter im text:
ich werde meinen drucker einschalten,
einen fahrplan ausdrucken in ihre volieren.
du wirst mich nicht fahren lassen, du wirst
sagen: bleib bei mir und wirst es so meinen.
die beseelten tiere und pflanzen, die da kreuchen und fleuchen im kapitel, sie legen jenes allegorische lesen nahe, das elke anhand der fünf käfer schon vorgeführt hat; evozieren märchen und verzauberung à la tieck-novellensammlung (womit das vorkommen in einem buch über "flüchtige monde" gerechtfertigt wäre), evoziert damit leider auch fantasy als gewaltsames herbeizwingen des märchenmodus in bewusstseinsstufen, da er für meine begriffe nichts veroren hat ...
... siehe etwa das schon von elke zitierte geopolitische käferballett, dessen zierliche anschaulichkeit die leichte einordenbarkeit von sachverhalten besingt, die eben nicht sooo klar einzuordnen, überblicken, abzuhaken sind; seine wirkung lebt von einer scheinkatharsis der rezipienten, die sich mit käfer 2 oder käfern 1, 3, 4, 5 identifizieren und denken dürfen: "der stand der dinge ist zwar scheisse, aber immerhin *das* ist in seiner gänze erkennbar." - wo doch genau dieses nicht zutrifft. solches ficht nun die käferlein in ihrem text nicht an (über das dogma der auferstehung kannstú streiten, über ein gelungenes altarbild nicht); wird das gedicht aber, wie schon diskutiert wurde, als politische rede rezipiert, muss man's dazusagen. (natürlich passt, so reflektiert ist der verfasser, die künstliche vereinfachung sowohl zum hallraum "tieck" alsauch zum textserviervorschlag "aufbruch des dorfpunks in die weite welt". das bild ist in sich stimmig. lassen wirs dabei.)
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Spannend der Verleser von
hihihihihihihihi ojé.
Liebenswürdigkeit

Da mein letzter Bowie-Mondlink keine Beachtung fand, erst einmal hier ein neuer Bowieversuch:
https://www.youtube.com/watch?v=uqZSwmA_a-E
Womit wir bei dem Gegenwartsmärchen AHS-Freekshow wären. In meinen Gedichten konnte ich bisher keine verkümmerten Arme küssen, wunderschöne Stümpfe, doppelgesichtige liebenswerte Köpfe streicheln. Das Genre Märchen (Stefan, Fantasy?) will ich allerdings trotz Stefans Kritik daran auf meine Fahnen schreiben. Der Grundgedanke des verstümmelten, seiner Funktion enthobenen, dennoch und gerade darum schönen Körpers beschäftigt mich und bindet mich an die Tradition des kaputten Geräts. Die beschriebenen Käfer, die bösen (sic!) und die guten (sic!), die batteriebetriebenen (a - e - i - e -i - e - e) Toaster (in Martina Hefters "Ungeheuer" viel stärker noch "toaster in einer welt, die toastbrot nicht kennt"), der Weltraummüll, alle fehlprogrammierten Roboter und umherstreifende Wölfe im Palmenwald, ihnen allen ist in meinen Augen etwas gemein: eine immense Liebenswürdigkeit.
Wenn ein Rudel Wölfe im Gedicht auftaucht, liebe ich dieses Rudel, (Elke, hier, wo nicht "ich liebe" gesagt wird, vielleicht, doch auch dort bei "ich liebe nur dem mond", ich gebe dir letztendlich Recht - der Autor, der den Mond liebt, in letzter Instanz hast du vollkommen Recht.) Mücken, Trucks, Blumen selbstverständlich auch die Blumen, den Mond nicht zuletzt, Tundra, einen Fliederbaum, Vögel als den Körper durchbohrende Geschosse, Vögel als Geschosse, die nicht treffen.
Zu all diesen Dingen pflege ich ein schüchtern verliebtes Verhältnis. Ich will sie in ihren bildlichen, literarisch traditionellen, falschen, richtigen und bedeutungslosen Bedeutungen für mich ins Feld führen. (Das Arsenal meiner Schiefheiten bringt sich wieder in Stellung.) Selbst der "gefickte Motorstaub" ist für mich etwas unagressives, liebenswürdiges, es ist eben etwas, das dem Zerfallprozess des Motors als unnützes Abgas entspringt, der Grausamkeit des Wortes gefickt, hätte die Passivform der Wendung entgegenstehen sollen, das tut sie auch im Kleinen, zu klein, um Verständnis herauszufordern.
Ich bin sehr froh, Elke, über deine Lesart des Käfergedichts, die der meinen entspricht. Stefans andere Lesart entspricht ebenso der meinen. Nur ungern würde ich dieser Käferkolonie eine Lesart wegnehmen.
Mehr als zurecht kritisiert Stefan die inflationäre Märchenwerdung der Textrealität in diesen uns vorliegenden meinen Gedichten. Wer auf der Suche nach aphoristischen Aussagen über die Realität, Vereinfachungen der komplexen Wirklichkeiten sucht, der ist verloren, schlichtweg dumm. Wer "Wer-Aussagen" trifft, ist ebenso verloren.
Worauf ich hoffe, ist die Bildung eines mehrdimensionalen Individuums (Buch), das offen offen offen offen und verletzlich viele Alternativrealitäten (dazu gehört eben im besten Fall eine unerbittliche Klang- und Spracharbeit, andernorts eine einfache plumpe Sprache) anbietet, sie begehbar macht.
Dazu gehört sowohl das politische Sprechen, das der Unmöglichkeit nicht politisch zu sprechen entspringt, als auch die direkte politische Rede ("...europa. da kommt man um vor bergen.").
Die Vögel verwandeln sich seit Jahren in Geschosse, ohne uns zu treffen. Das ist es vielleicht.
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Ihr seid jetzt gelandet. Habt
Auch wenn es jetzt wieder als
Sie meinen sicher die
Ach ja. PS: Verstehen muss
Die Leserinnenzahlen sind
Da muß ich wiederum Marcello
du hast schon Recht, aber du
Von Flugbahnen und Erbsenzählern

verdränge den panzer. im moment hat das schlichte vorrang.
Nach meinem Versuch meine Leseart an einem speziellen Gedicht nachvollziehbar zu machen, habe ich geschrieben: "Das ist vielleicht wirklich weniger verstehen als Dynamik, Bewegung. Da sollten wir weitermachen." Kollege Schmitzer reagiert darauf mit einem eloquent formulierten Verweis auf die Techniksoziologie. Was soll das? "Reden wir über Gedichte?" fragte Monika in ihrem Kommentar, und ich fürchte, genau das tun wir zu wenig. Wir arbeiten uns lieber an Formulierungen ab. Am liebsten offensichtlich am Begriff des Verstehens. Selbst ich habe mittlerweile begriffen, dass Gedichte nicht unbedingt verstanden werden müssen. Wenn ich aber keinen Zugang über eine Art des Begreifens, der Begeisterung und des Mitgerissenwerdens habe, und dennoch über den Gegenstand sprechen will, bleibt mir da wirklich etwas anderes übrig, als ein irgendwie geartetes Verständnis für mich zu erarbeiten? Das scheint mir zielführender, als anzunehmen, dass "verstehen"ohnehin in andere wissenschaftliche Bereiche gehört, und es deshalb auch egal ist, ob Vögel gebären, statt Eier zu legen, und, wie Monika in ihrem Kommentar bemerkte, Magma in diesem Gedichtband über seltsame widersprüchliche physikalische Eigenschaften verfügt.
Ich habe, im Gegensatz zu Katharina, nicht das Gefühl, dass wir gelandet sind. Jedenfalls nicht in Rufweite voneinander.
Die Vögel verwandeln sich seit Jahren in Geschosse, ohne uns zu treffen. Das ist es vielleicht.
schreibt Yevgeniy. Vielleicht sollten wir uns auf die Flugbahn konzentrieren. Die Flugbahn als unsere individuelle Leseerfahrung mit dem Buch. Wenn wir uns darauf beschränken, diese Flugbahn sehr genau zu beobachten, könnten wir die Geschosse vielleicht zu friedlichen Landungen veranlassen, solchen, die das Buch immer weiter öffnen und zu immer mehr, einander widersprechenden und einander ergänzenden Einsichten führen. Uns kritisch verständigen, über unsere Lesekonventionen, nicht um einander zu verurteilen, nicht einmal um einander zu beurteilen, sondern um uns unserer eigenen Grenzen (und gegebenenfalls der Grenzen der Gedichte) bewusst zu werden, und auf diese Weise immer wieder aus dem dunklen mythischen Wald herauszufinden ins offene Feld, von wo aus wir die Flugbahn der Vögel beobachten können.
Für mich hieße das, das Unverständliche an einem Text nicht nur zu erkennen, sondern anzuerkennen. Was die Bereitschaft voraussetzt, mich selbst und mein eigenes Selbstverständnis in Frage zu stellen. Auch das meinte ich mit Dynamik. Dazu hat mich diese Diskussion gezwungen, und ich sehe das als gewinnbringend an. Ebenso wie ich für Hinweise dankbar bin, die den Bezugsrahmen betreffen, in dem das mich ratlos machende Gedicht, sich befindet. Das da Bezug genommen wird auf die Tradition des kaputten Geräts und Martina Hefters "Ungeheuer", macht mir das Gedicht nicht verständlich, aber es hilft mir, es einzuordnen.
Frank hat sich in seinem Kommentar Gedanken gemacht, welche Kriterien brauchbar sein könnten, um sich über den Gedichtband auseinanderzusetzen. Eine Aufgabe, die eigentlich uns zugestanden hätte. Wir sollten seine Vorschläge prüfen, statt die Kommentarstränge auszublenden. Und uns einlassen auf seine Frage.
Dann reden wir nicht länger über das "Verstehen" der Texte, sondern über die Ränder, das, was die Lesearten ändert, die Flugbahnen der Vögel beeinflusst.
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unter bienen.

1. cirque de versteh:
ich lese nochmal unsere ganze bisherige auseinandersetzung mit "flüchtige monde" und miteinander, und ich stelle fest, wir haben mehr zeit mit den bedingungen des lesens-selber verbracht als mit dem konkret zu lesenden dings. dass ein text anlass gibt, erstmal über grundätzliches klarheit zu kriegen, sagt nicht das schlechteste über ihn.
ich stelle ausserdem fest, mein versuch vorhin, das thema aussen vor zu halten mittels extraabsatz ("protokollarisches") ward mißverstanden als (feindselige?) reaktion auf elkes spezielle lesart / leseweise. da muß ich was falsch gemacht haben. die idee dort war, konziliant zu sein: individuelle versteh- und nichtversteh-konzepte müssen ja nicht, können ja gar nicht gegeneinander ins feld geführt werden, da doch die entscheidung über ihre allfällige richtigkeit (besser: angemessenheit) ganz anderswo fällt, nämlich eben siehe oben, techniksoziologie, aufschreibemodelle, reproduktionszusammenhänge von text, von wissen. daran dann multipel festgemacht ist die frage: "was ist die objektive gesellschaftliche funktion von solchem und solchem geschriebenen?" (was natürlich nichts zu tun hat mit der sehr subjektiven funktion von text fürn einzelnen autor / leser; ein unterschied, der, siehe wieder oben, in den bildendenkunst-diskursen längst durchgekauet ist, und an dessen undurchgekautheit die dichtung diutiscer zunge seit jahrzehnten laboriert).
das zweite mißverständnis (wie gesagt: ich gehe davon aus, dass ich vorhin einfach zu unkonzise war) wäre dann, dass, wenn die entscheidung übers verstehen anderswo falle, eh schon egal wär, ob das zeug im text (gebärvögel und so) einem sinnvoll / sinnlos vorkomme. elke schreibt:
Das scheint mir zielführender, als anzunehmen, dass "verstehen"ohnehin in andere wissenschaftliche Bereiche gehört, und es deshalb auch egal ist, ob Vögel gebären, statt Eier zu legen, (...)
(...)
Vielleicht sollten wir uns auf die Flugbahn konzentrieren. Die Flugbahn als unsere individuelle Leseerfahrung mit dem Buch. Wenn wir uns darauf beschränken, diese Flugbahn sehr genau zu beobachten (...)
und zu dieser individuellen leseweise, über die wir uns dann sinnvoll austauschen können, gehört mmn dazu, dass zeug im text mit unserem verständnis von welt zusammenpasst (eier) oder nicht zusammenpasst (lebendgeburt), und welche produktiven reibungen das ggf. macht.
2. kommentarkommentar:
frank half uns wortreich auf diverse sprünge, breitete kriterien aus in seinem langen kommentar zu yevgeniy. und dann kommt leser florian und fordert forsch:
Wer soll das denn alles lesen? Mich wundert langsam nicht mehr, dass keiner Lyrikkritik liest, das ermüdet. Mein Prof. würde sagen, fass das mal zusammen, was du da sagen willst in max. 12 Sätzen.
daran ließe sich ein exkurs über den veränderten bildungsbegriff, die veränderte rolle der professoren, das veränderte selbstverständnis der studierenden anschließen; eventuell unterfüttert durch den hinweis, es sei objektiv unrichtig, dass
keiner Lyrikkritik
liest (man hat als fixpoetry-mitarbeiter den luxus, zugriffszahlen und verweildauer-pro-artikel einzusehen). natürlich ist es ein nischenprogramm, was wir hier treiben, und durchaus ließe sich monieren, dass die schnittmenge zwischen lyrikproduzentinnen, -leserinnen, -rezensentinnen und -rezensionsleserinnen sehr groß ist, aber: und? erstens ist die nische nicht sooo klein, paartausend leutchen immerhin, und zweitens:
gerade weil's ein nischenprogramm ist, darf ohne rücksicht auf verluste dem nischenvergnügen gefrönt werden, text text text immer her damit (weniges geht mir mehr auf die nerven als lesungen, bei denen nach einer stunde schon schluß ist, mit rücksicht auf die delikate aufnahmefähigkeit des publikums - da sitze ich und will die volle dröhnung, und kaum bin ich warm geworden mit dem mir gebotenen, is' schluss). es handelt sich bei einer debatte auf fixpoetry nicht um ein proseminar, nicht um eine (sammlung von) wissenschaftliche(n) arbeit(en), noch auch um einen wikipedia-edit-war über zb "flüchtige monde". dieser hinweis dázu. so.
3. AHS freakshow:
yevgeniy führt american horror story ein, mit bowies "life on mars", gesungen von jessica lange als marlene-dietrich-stand-in, in einer freakshow mit defekten körpern; verweist dabei auch noch aufs nichtfunktionale ... neben den körpern die kaputten geräte ... verweist auf die poeise, die die gerätschaft macht (ggf im maschinenraum der sprache selbst) (zb die [b]a[tt]e[r]i[eb]e[tr]i[eb]e[n]e toaster), wenn man sie lässt, und zuhört. man könnte da manches entpacken: den kontext, mehrererlei übersetzungen (bowie-lange-dietrich), die auf diesen kontext weisen, und das ästhetische programm, dass sich für yevgeniy daraus ableitet. könnte man entpacken; kann der geneigte leser gerne selber tun; muss aber nicht gerade hier an dieser stelle sein – materialschlachten, zitatwürste aus wikipediaartikeln wären unser lohn.
4. zur sache. zu monden. zum haupttext: "magma, staat"
viel weiter oben schreibt yevgenij:
Bisher nicht erwähnt: Eines der Kapitel beispielsweise ist ein direkt politisches szenisches Langgedicht, in dem Flucht, Staatenlosigkeit, Russland/Ukraine-Konflikt behandelt werden, in dem es vor allem um die Möglichkeit, überhaupt politisch zu sprechen geht.
und es ist auch bis jetzt nicht weiter erwähnt worden. wohlan. das kapitel "sich umdrehen auf der flucht" besteht aus einem einzelnen gedicht, und dieses gedicht ist betitelt "magma, staat". es beginnt mit einer aufzählung von figuren –
camille
nadja
josh
enzo
ichan meinem küchentisch, sitzecke im winter, schnee fliegt durchs offene fenster ins innere, wir frieren.
– und gewitzigt, wie ich durch yevgeniys zitierte anmerkung bin, vermute ich referentielles in den namen, google sie; oje oje, das erste suchergebnis ist die "List of The Vampire Diaries Characters - Wikipedia ...", das zweite "Vornamenstatistik - Babygalerie"; also: es sind vermutlich "bloß leute", die da sitzen, kein in wahrheit eingeknastetes maidan-aktionskomitee o.ä. (wär auch zu einfach gewesen).
das gespräch zwischen diesen fünfen in diesem kalten zimmer, in dem es um die relative richtigkeit von verschiedenen (wieder mal - schau an!) insektenmetaphern für fluchtgeschehen, kriegsgeschehen, kriegerische ideologien geht, nebst der frage, wer warum das fenster geschlossen bzw geöffnet hat –
josh öffnet das fenster.
ich konzentriere mich auf die innere landschaft des zimmers.
die tischgarnitur, das wieder offene fenster
aus welchem frieren und orgienbedarf resultieren.ich schließe das fenster NICHT.
ich bin KEINE ameise!ich
schließe
es
nicht.
DU HAST ABER.ich bin eine biene, die niemals eine pollenallergie vermied.
DU HAST ABER.
ich
schließe
es
nicht.ich epileptischer falter in friedensgebieten werde
dieses fenster nicht schließen.
– es beinhaltet auch ein paar konkrete ortsangaben, krimhafen, wo sich schiffe "im bienenmuster" stapeln, den deutschen boden (er "besteht aus boden") – das gespräch also, surreal genug, dem auch die nachvollziehbaren motivationen der sprecher zu ihren konflikten untereinander völlig fehlen (womit nochmal doppeldeutlich unterstrichen ist, dass wir einen schlüsseltext lesen, bloß, was wär der schlüssel?), dient als aufhänger, um politische konzepte abzugleichen und über konkrete handlungsspielräume zu reden.
das schwierige daran - yevgeniy wird mir widersprechen – ist, dass auch die gebrochene naturmetapher naturgegebenheit des metaphorisch dargestellten impliziert; wenn in einer
rechnung:
ein flüchtlingsstrom von fliegen
in einen aversiven bienenstock
eindringt, kann das noch so sehr figurenrede sein, und poetisch gebrochen, und obendrein nicht unwdersprochen stehenbleiben – es ähnelt trotzdem frappant dem rassisten-meme von der ratte, die im pferdestall geboren wird und deswegen noch lange kein pferd ist ...
klar kann man genau solche "memes" (ich verwende den begriff, um dergleichen nicht zum "gedanken" oder gar zur "idee" adeln zu müssen) angehen, sie im gedicht, in veränderter form rekontextualisieren; klar lässt sich auch denken, dass einer im raum, da so geredet wird, solche "memes" mit hereingetragen hat; insofern geht yevgeniys text auf. man kann noch reden, "wer redet, ist nicht tot", dies gilt ganz unabhängig davon, was draussen, jenseits des (geöffneten? geschlossenen?) fensters geschieht.
rettung vor dieser optischen täuschung des naturgegeben richtigen verspricht in "magma, staat" erneut die objektiv unrichtige biologie der geschöpfe:
(...) ameisen bilden hervorragende
schneidezähne aus, (...)
rettung verspricht auch der schluss, der es schafft, die zwei stränge – suche nach (a) handlungsoptionen für die subjekte und (b) passenden metaphern für die vor sich gehenden sozialen katastrophen – in eins zu kippen, wenn die im text mehrmals an-kokettierte "orgie" endlich stattfindet:
ich: ich.
enzo: ich.
camille: ich.
josh: ich.
nadja: ich
ah. was anfangs getrennt im raum herumstand, fällt (dank dem gespräch? gemeinsamem essen?) in eins, gehört zusammen; ist das noch empathie, oder schon telepathie bzw. interpenetration? – es geht noch weiter und beantwortet die frage:
wir ziehen uns aus.
unsere körper verbiegen sich:
als sanfteste plastiken,
denn es beliebt uns,
einander zu greifen.
wie kernspintomografien des flüchtlings,
der bienen verschluckt hat,
beim trinken natürlich
von wasser.
problematisch an dieser rettung bleibt, wie abrupt sie passiert. es hätte genausogut halbsoviel, oder doppelt so viel, text zwischen der vorstellung des personals und seiner entkleidung verstreichen können. und in diesem verstreichen liegt ja die crux: was ist auf jenem schiff im krimhafen? was ist, wenn jemand das fenster von aussen zerdeppert? unproblematisch, erfreulich-ambivalent, unbedingt stehenzulassen ist die biene als bild, und was sie impliziert, von "deutschem fleiß" bis zu mandevilles "bienenfabel" (und ihren folgen fürs zeitgenössische denken, up to and including die invisible hand of the market).
Diskussion
Kommentare
Es ist hier kein Diskurs zu
verehrte verena,
gelöscht - bitte von
3 x gelöscht - bitte von
Tatsächlich bin ich kein Fan
Klar erschlägt sich die Mücke
ja, herbert, aber es gibt
Ja, ich hab auch gedacht,
Zweck & Mittel

Zuallererst:
Das express!-Format fordert von AutorInnen ein hohes Maß an Opferbereitschaft, von Rezensierenden ein verstärktes Einfühlungsvermögen, müssen hier schließlich zusätzlich Gesprächsstrukturen bewältigt werden, Kommentare eingearbeitet oder ausgeblendet werden. Auffällig war, wie schwer es den Beteiligten (Mir, Stefan Schmitzer, zahlreichen männlichen Kommentatoren) fiel, eigene Eitelkeiten zu überwinden. Elke Engelhardt hingegen war von diesem Laster eher nicht betroffen. Einige Kommentare führten sich schlichtweg selbst ad absurdum, in dem sie eine Dummheit an die Andere reihten. (Frank, du bist nicht gemeint.) Andere fühlten sich fälschlicherweise fast immer angesprochen. (Frank.) Etc. Etc. Mich diesem Gespräch auszusetzen (Wortwahl), hat mir einiges abverlangt, gerade da Elke und Stefan nicht bereitwillig die Gedichte absegneten und Lobeslieder darauf sangen. Ich habe mich sehr über Elkes Käferanalyse gefreut und ihre suchende Lesart, die Bereitschaft sich mit etwas auseinanderzusetzen, ohne sich über die Dinge (die Gedichte) zu stellen und fehlenden eigenen Zugang als Ausschusskriterium anzuwenden. Stefans zahlreiche Respektlosigkeiten im Ton, der mir teilweise suggerierte, er fühle sich entsprechend über den Dingen (den Gedichten), hätte sie durchschaut und wolle sich nun ebenso präsentieren, konnte ich als Schutzmechanismus ad acta legen. Gerade, da seine Analysen sehr genau, und seine Auseinandersetzung alles andere als Unklug war. Sehr selbstbezogen allerdings schon - oder wie unaufmerksam ist ein Rezensent, der den Namen des Autors, den er rezensiert falsch schreibt?
Selbstbezogenheit ist allerdings, wie ich finde, kein Hinderungsgrund für eine gute Auseinandersetzung mit einem Text. Im Zuge der Kritikdiskussion wurde ein sehr wichtiger Punkt von Bulucz und Kuhlbrodt hervorgehoben: Eine Kritik sollte sich zuallererst an den Rezensierenden selbst richten, sein Verhältnis zum Text spezifizieren. Sie ist kein Gebrauchstext für LeserInnen, keine Dienstleistung. Auch Gedichte sind keine Dienstleistungen an LeserInnen, aber so viel ist eh klar. Was ich also verteidigen möchte, ist das Gespräch um des Gesprächs willen, auch das unverständliche Gespräch, das kritische Selbstgespräch. Wovon sich zahlreiche LeserInnen nach der Steinzeit getrennt haben, ist eine kapitalistische Verwertungslogik und eine "der Kunde ist König"-Attitude - ihnen wird hier schließlich nichts verkauft. Anders gesagt: In meinen Gedichten möchte ich auch niemanden für dumm verkaufen - das erledigen die passenden KandidatInnen sehr gut selbst (mein lieber Marcello aka "der Hinweiß", der seinen Kindern Rechtschreibung beizubringen droht.).
Vielen Dank für dieses tolle notwendige Format, zu dem ich AutorInnen, wie ich nun herausgefunden habe, um Gottes willen nicht raten würde. Vielen Dank an die kluge Verena. Ein kapitalistisches Adé, mit besten Grüßen, Yevgeniy.
Diskussion
Kommentare
Vielen Dank für diesen
kurze antwort:
Doch noch eine Antwort an
Ich hatte gerade wirklich
Fazit: Nachdem sich keine der Teilnehmerinnen an die eigentlich geplante Zeichenanzahl von 1000 pro Statement gehalten hat, tue ich es auch nicht. // Julietta Fix
Je suis Käfer. Stellen Sie sich eine Bühne vor. Das Bühnenbild eine Hochebene, vulkanisch. Es dampft. Bakterien schimmern auf Steinen. Eine hochinfektiöse Stimmung. Die Protagonisten – drei Käfer.
Käfer 1: klug und scheu, ein feingliedriger, grau – bläulich schimmernder Panzer, wirkt kleiner als er ist. Ich nenne ihn Angelica.
Käfer 2: analytisch, provokant und stelzig, ein schwarzer dicker Panzer, lange Beine, wirkt so groß wie er ist. Ich nenne ihn Grazia.
Käfer 3: labiles Nervenkostüm, vorlaut, blitzgescheit, knallroter Panzer mit schwarzen Punkten, wirkt größer als er ist. Ich nenne ihn Vulcana.
Ein gemischter Kammerchor auf der Theatertreppe, Sopran, Alt und Tenor.
Das Stück: Es geht um Literatur. Ein Gedichtband steht im Zentrum der Ereignisse. flüchtige monde. Vulcana hat ihn geschrieben.
Es beginnt versöhnend. Angelica treidelt – zieht eine erste These mit voller Kraft auf die Bühne. Sie spricht von einem Dichter, der den Mond liebt, über das Unsagbare.
Sofort stimmt eine lyrische Sopranistin ein:
«Das Unsagbare, bäh – verschleiert Bewegung, Ziel, das große Ganze.» Sie sinkt dahin, ward nie mehr gehört. Eine weitere Sopranistin erklingt, verneigt sich vor dem Dichter.
Grazia rotzt: «Ja. Ja. Und weil der Mond auch so alleine ist. So geht es auch den Blumen dieser oder jener Farbe, diversen Tieren, Flüssen, landwirtschaftlichem Gerät von Sense bis Traktor. Was ihn, den Mond, vor diesen anderen aber auszeichnet, ist, dass er trotz seines Status als Leitfossil für die Literaturgeschichtler und -Soziologen noch immer, wo er auftaucht, seiner alten Kernkompetenz nachkommt und machtvoll Zweifel am Prinzip der Verstehbarkeit evoziert, nebst nebulösen Sehnsüchten und vagen Andeutungen Richtung körper-versus-geist, Verführung.»
Der Dampf nimmt zu. Vernebelt die Bühne.
«Nicht so wichtig der Mond.» Vulcana gähnt. Moon off Alabama von David Bowie hallt aus den Lautsprechern.
Aus dem Off: «Zitiert nicht so viel, redet über die Gedichte!» «Wir müssen zitieren, damit wir weiterkommen. Das nennt man Kultur!“,1, summen alle drei wie aus einem Mund. Es wird einer der wenigen Momente der Einigkeit sein.
Und so entwickelt sich aus Zitaten, Thesen, Antithesen und Chorgesängen ein Zeter und Mordio. Die Diskursmaschine läuft. Die Verwirrung bereitet Vergnügen. Die Käfer spucken aus, was Ihnen durch den Kopf geht. Der Kammerchor geht unsystematisch dazwischen, singt, geift, gellt – scharf, inkompetent, vermittelnd, Kriterien einer Kritik werden hervorgeholt. Ein Aufstöhnen. Eine Zumutung für den Autor? Eine Zumutung für alle Beteiligten.
Auf der Bühne dampfen die Bakterien. Vermischen sich, bis sich keiner mehr auskennt. Flüchtige monde – die Gedichte stehen im Abseits. Drei Sängerinnen fliegen aus dem Chor.
«Gedichte sind eigentlich nichts Besonderes. Dies gilt auch für die Diskussion über sie.» singt ein einsamer Tenor.
Endlich wird der Weg erleuchtet. Angelica springt auf die Mitte der Bühne, flattert zufrieden und findet Worte, die Vulcana erfreuen, die zustimmend um sie herumtanzt. Aus den Lautsprechern tönt Life from Mars in einer Version von Jessica Lange. «Der Stand der Dinge ist zwar Scheisse, aber immerhin *das* ist in seiner Gänze erkennbar.» mault Grazia und hängt ihre langen Beine über den Bühnenrand.
«Die Vögel verwandeln sich seit Jahren in Geschosse, ohne uns zu treffen. Das ist es vielleicht.» sinnieren Angelica und Vulcana.
Ja, das ist es vielleicht. Doch das Ende ist Depression.
Kein schöner Rausch, alle stürzen in verschiedene Richtungen auseinander, versöhnliche Blicke zurückwerfend, kein Blick wahr davon. Und ich häng hier rum und hoffe, Sie wollen das nicht verstehen.
Angelica: fliegt hinaus ins offene Feld, ihr grau – bläulich schimmernder Panzer leuchtet. Sie verschwindet im Dampf der brodelnden Geysire. «Text – Text – Text» brüllt Grazia. «Nur weil ihr nicht mehr aufnahmefähig seid, muss ich jetzt Schluss machen.» Sie zieht sich ihre langen Beine zurecht, schüttelt sich und bleibt sitzen. Vulcano blickt Angelica wehmütig hinterher. Ein Diskurs Buch fällt auf die Bühne. Vulcana blättert, sie sucht sich eine schnelle Verbindung heraus. Ein Fahrstuhl hebt sie in die Lüfte. Sie winkt. «In meinen Gedichten möchte ich auch niemanden für dumm verkaufen, das erledigt ihr schon selbst!»
War das jetzt nötig? Ich finde, ja!
PS. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig.
Die nächste Folge der Reihe express! startet am 23. April 2016 am Welttag des Buches mit Monika Vasik, Timo Brandt und Carl Christian Elze mit seinem neuem Gedichtband diese kleinen, in der luft hängenden, bergpredigenden gebilde, soeben im Verlagshaus Berlin erschienen! Es geht weiter ...
- 1. Bühne frei für Mick Levcik, Rene Pollesch
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