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spukhafte fernwirkung
Liebe Monika Vasik, lieber Timo Brandt,
„der Kosmos als große Kostümpartie“, das gefällt mir .. und schön, dass Ihnen, lieber Timo Brandt, das Wort Nervenkostüm auch so schillernd erscheint wie mir. Da sich unser express!-Gespräch allmählich dem Ende neigt, möchte ich noch auf einen Begriff eingehen, der mir für diesen Band wertvoll erscheint, der mir im Laufe der Entstehung des Bandes glücklicherweise zugeflogen ist. Ich war so angetan von diesem Begriff aus der Geschichte der Quantenphysik, dass ich ihn fast zum Titel des Bandes gewählt hätte, wenn nicht noch „die bergpredigenden gebilde“ aufgetaucht wären, die die Zärtlichkeit, den liebevollen "Blick" der Gedichte stärker betonen. Der Begriff ist „spukhafte Fernwirkung“.
So nannte Albert Einstein das ihm (aber nicht nur ihm) mysteriös erscheinende Phänomen der Quantenverschränkung. Es besagt, dass die Quantenzustände zweier Teilchen (die einmal miteinander verbunden waren und dann getrennt wurden) auch in großem Abstand voneinander (im Grunde über Lichtjahre hinweg) identisch sein können, so als stünden sie weiterhin in Verbindung. Ändert das eine Teilchen seinen Zustand, so geschieht dies augenblicklich! auch bei dem anderen. Als ob zwei Teilchen an verschiedenen Orten fühlen könnten, in welchem Zustand das jeweils andere ist. - Aber wie soll so etwas möglich sein? Reist die Nachricht über den geänderten Quantenzustand mit unendlicher Geschwindigkeit von einem Teilchen zum anderen? Dies würde der von Einstein entwickelten Relativitätstheorie widersprechen, nach der sich nichts schneller als das Licht ausbreiten oder bewegen kann.
Einige Quantenphysiker (nicht Esoteriker) gehen davon aus, dass das ganze Weltall, alle Teilchen des Weltalls (wir eingeschlossen), miteinander verschränkt sind. Und hier komme ich an den Punkt, wo ich maximal staune, wo sich Religion und Naturwissenschaft zu berühren (zu küssen) scheinen, wo ein Nichtwissen nicht beunruhigt, sondern plötzlich beruhigt.
Im Gedicht „spukhafte fernwirkung“ (S.131) heißt es:
„all deine geliebten toten sprechen mit dir
über phantastische leitungen“
und später:
„entwerte nicht deine träume
deine sprechenden toten in deinen träumen
merke dir jedes einzelne, brüchige
leuchtende
nicht vorhandene wort!“
Ich denke, die von mir empfundene Sinnhaftigkeit aller Totengespräche dieses Bandes geht im Grunde auf meinen Glauben an quantenmechanische Phänomene zurück, geht … auf meinen Glauben … zurück.
Mit besten Grüßen, Carl-Christian Elze