Hmm., natürlich absorbiert mich der Zustand der Gesellschaft rundherum auch immer wieder. Weiß aber gar nicht, ob ich tatsächlich im Ziele irgendeiner Verheißung organisiert bin, die Puff und Bluff sind. Ich finde die politischen Verheißungen (wenn man es denn so nennen will), um derentwillen ich ad hoc Bündnispartnerschaften eingehe, naturgemäß glaubwürdig, sonst fehlte mir vor allem schon die Kraft.
Unsere Gesellschaft weiß mich auch immer mehr zu erschrecken. Das war aber auch in den späten 80ern so. Und auch da gehörten Gedichte zu den Überlebensgegenständen. Deswegen bin ich immer vorsichtig, wenn etwas in die Richtung geht, als größeres Thema gegen das „kleine Thema“ Gedicht ausgespielt zu werden. Auch Gedichte können Leben retten. Zu diesen Rettern gehörten bei auch einige klassisch Modene etwa Trakl und Majak. Bei anderen, sagen wir Benn , könnte ich Deine Aussage verstehen „Es tut weh zu sehen, wie wertlos die Werte der alten Moderne machen“ (man merkt Deiner Antwort aber an, dass sie schnell hingeworfen ist, die Formulierungen sind etwas unklar) „und wie wichtig es wäre, der neuen Moderne, die es in mancherlei Ansätzen schon gibt, den Resonanzboden zu bieten, die sie braucht, um wirklich nachzuhallen.“ Für mich ist die Moderne nicht irgendwann zu Ende gewesen, hat auch nicht irgendwann dann und dann angefangen, sondern ist ein Teil des Stromes, ein mir besonders teurer, den ich schon in den Wellen des Barock sehe und der in der Epoche „Moderne“, die ich Grund für ein literaturwissenschaftliches Unding, eventuell prominenter floss oder aber bloß für diese Zeit sorgfältiger beschrieben wurde? Der reine Tisch, den Du mit solchem Ablösegedanken einer Moderne durch eine andere forderst. dies: „Jetzt aber richtig“ wurde seit der Moderne so oft gefordert ... es hat aber immer relativ wenig bewirkt. Deine neue Moderne finde ich auch schlecht umrissen bisher. Man kann sie zu schnell mit einer Reduzierung der Literatur auf Inhaltismus und einer Begrenzung der Verfahren auf übliche verwechseln, wenn Du nicht mal gelegentlich ausformulierst, was technisch anders werden soll. Und warum sich das als Moderne versteht. So schwammig, oder wenn Du so willst integrativ, wie es jetzt formuliert ist, setzt Du Dich der Gefahr aus, dass sich Menschen diese Forderungen zu eigen machen, etwas gängiges durchbringen und wenn Du denkst: Endlich ist es geschafft, stellt sich heraus, Deine eigenen Gedichte sind Deinen ehemaligen Kampfgenossen zu seltsam, so sollte man Lyrik nun doch nicht verfassen ...
Hmmm. Du bist nicht einverstanden mit meinen Auskünften über Unbel eckt? Du meinst also weiterhin, er müsse sich dafür interessieren, was der Autor ihm sagen wollte? Auch leseanfangende Kinder denken gar nicht an den Autor sondern an die Geschichte usw. Du müsstest schon sagen, womit Du nicht einverstanden bist, wenn es irgend ein Gewicht haben soll.
Du greifst zu recht den Normalverbraucher an, soll man ihm den Spezialleser entgegensetzen usw. Nur war der ja nichts weiter als eine Parodie auf Deinen Normalleser und alles, was Du über jenen sagst, gilt auch für diesen: Ich habe Deine Kategorie nur aufgenommen, um zu zeigen, wie problematisch diese ist, wenn man sie denn aufgriffe. Damit Du Dich nicht hinter irgendeinem Normalleser versteckst. (Schon gar nicht ist er eben gleichzusetzen mit Unbel Eckt zumal dann, wenn er nach dem Autor fragt, wie DU behauptet hast, nicht ich.) Nun musst Du Dir überlegen, wie sich was Du sagst, ohne die von Dir eingeführte Kategorie Normalleser erreichen ließe.
Eine Folge Deines „Normallesers“: Du mit Deiner festen Vorstellung kannst den Leser bestimmter Dir schwer- oder unzugänglicher Literaturen dann nur noch in einem Überbietungsdiskurs denken, als einen der sich ein „Mehr“ zutraut, was eventuell kränkend auf Dich wirkt? Ich glaube ja, es gibt einfach vor allem ein „anders. Sehr verschiedene Leserkreise und Gruppen, verschiedene Hallräume für verschiedene Lyriken und es wäre anmaßend, bei allen mitreden zu wollen und zu meinen, man könnte alle gleichmäßig beurteilen.
Breygers sieht es ja genauso, selbst dafür griffst Du ihn noch an. Dass Du seine laxe Formulierung „ordentlich abhandeln“ wieder ins Feld führst! Du httest sie schon über Gebür strapaziert und nun willst Du sie auch noch meiner Position in die Schuhe schieben? Du weißt genau, dass Du sehr polemisch etwas, dass längst nicht mehr zu unserem Gespräch über Lesevoraussetzungen gehört, hier aufgreifst, um meine Position sumpfig dastehen zu lassen. Wie gesagt: Dir würde ich ein Konzept von „ordentlich Lesen“ als das, was der Normalleser nach Schulnorm tut durchaus zutraun. Du ziehst doch hier ständig Grenzen, was Gedichte dürfen und was nicht. Da kann man leicht sich als Pendant zu diesem genormten Gedicht auch den ordentlichen Leser vorstellen. Breyger und ich würden das kaum verteidigen.
Ich würde die „Gültigkeit“ Deiner Rede dann bestreiten, wenn ich sehe, dass Du etwas sagen möchtest über Konventionssysteme, in denen Du Dich nicht auskennst. Ich habe nie das Gefühl etwas „Gültiges“ über Lyrik sagen zu wollen und verstehe nicht, wie man das wollen kann. Für gültige Argumente gibt es Regeln, über die man sich verständigen kann, ein Metadiskurs darüber, was Gültiges über Lyrik zu sagen sei, würde zunächst darüber geführt werden müssen, was man als Lyrik „zulässt“. Da es schädlich wäre, dies über Gebühr einzuschränken, sollte man dieses Gespräch nicht führen WOLLEN. (Welche Annäherung Breyger bevorzugt, kannst Du Dir unter dem Satz, gegen den Du polemisierst ansehen.)
Du stellst Dir Leipzig sehr beschränkt vor, wenn Du denkst, dort gäbe es Literaturgespräche nur nach einer Maßgabe. (Wahrscheinlich auch das in polemischer Absicht?) Es gibt in Leipzig aber, und Du ahnst das, ein babylonisches Stimmengewirr von Ansätzen, wie auch anderswo. Und man kennt auch solche, die sich hinter dem Nichtverstehen eines anderen verstecken, um ihre eigenen Zugangsschwierigkeiten nicht offenbar zu machen. Man kennt auch solche, die den kleinsten gemeinsamen Nenner zur Norm machen wollen. Da ist Dein Diskurs nur in seiner Heftigkeit vielleicht originell. Ebenso am Literaturinstitut, da gibt es keine gültigen Sageweisen, wie sehr auch Schwätzer einen Institutsstil insinuieren. (Sollte sich mal wirklich Gleichförmigkeiten eingeschlichen haben, werden diese von den Schwätzern ohnehin nicht bemerkt.) Die Taffsten sind immer dabei, gerade das wieder zu destruieren, was sich als stilistische Gleichförmigkeit einzuschleichen droht, weil es langweilt. Nicht mal in einem Seminar gibt es meist eine ordentliche Sageweise, sondern eine Polyphonie von Ansätzen, auch wenn natürlich der Habitus dessen, was geredet wird sich durchaus unterscheidet, je nachdem, ob etwa Hummelt, Stolterfoht, Popp, Treichel oder Wildenhein oder oder dort über Lyrik mit Studenten diskutieren. Und so gibt es auch in Berlin, Frankfurt oder Greifswald verschiedenartige Leute, und auch Breygers Stil findet in diesen Städten seine verständigen Leser. Es ist keine Frage der Himmelrichtung und auch Du könntest leicht Breygerleser in der Kneipe treffen. (Hier ist „Breyger“ gleichzeitig längst nur pars pro toto, für andere weniger verbreitete Macharten von Gedichten.) Vielleicht könntest Du Dein Misstrauen bekämpfen, wenn Du solchen Lesern begegnest?
Hinter Marquard, der mit seinem Forumkonzept mit einer exemplarischen Rezension, deren Qualität bloß dadurch sichergestellt sein soll, dass der Rezensent sich als Profi ausweisen kann, scheint mir diese Vielfalt der möglichen Sageweisen und damit die Vielfalt möglicher Klippen ebenfalls maßlos zu unterschätzen. (Ursprünglich dachte ich, darin mit Dir einig zu sein.)
Ich denke, dass viele Dichter mit ihren Gedichten sich den von Dir zitierten Guadagnino Satz zu Eigen machen könnten, aber vielleicht manchmal auf überraschend andere Weise, als man zunächst denkt. (Würdest Du auch Wittgenstein weniger mit psychologisierendem Misstrauen lesen, als Du es tust, würde ich Dir hier das Schlagwort „Regelfolgeparadoxie“ zurufen können. Es würde mich jedoch nicht wundern, den Satz ach aus dem Munde einer Genschel einer Hefter, eines Breyger zu vernehmen, ebenso, wie es nicht sonderlich verwundern würde, wenn einer diesen Sätzen widerspräche) Der emphatische Bezug auf eine Realität (sei es des Autors, sei es der Realität, die das Gedicht irgendwie einfangen soll), geht für mich nur auf, wenn man als Realität auch die Realität der Zeichen mitbedenkt, die können auch Drehtüren sein, die geschoben werden müssen. Das merkwürdige an solchen Sätzen ist ja: Sie verweigern sich der Frage, wie das Kunstwerk aussehen soll, und fordern nur Eigenschaften und Handlungsweisen des Schaffenden. Ich glaube, so erzeugt man schnell Scheineinigkeit: Man proklamiert etwas und alle können sich irgendwie vorstellen, dass es irgendwie auf diese Weise tugendhaft zugehen sollte. Aber wenns daran geht, mit diesem Satz Texte zu bewerten, dann meinte jeder etwas anderes. So sind solche Sätze nicht mehr als Formelkompromisse.
Wie sich das auf Deine eigenen lyrischen Texte beziehen ließe, ist dann wieder eine ganz andere Frage ...
Hmm., natürlich absorbiert mich der Zustand der Gesellschaft rundherum auch immer wieder. Weiß aber gar nicht, ob ich tatsächlich im Ziele irgendeiner Verheißung organisiert bin, die Puff und Bluff sind. Ich finde die politischen Verheißungen (wenn man es denn so nennen will), um derentwillen ich ad hoc Bündnispartnerschaften eingehe, naturgemäß glaubwürdig, sonst fehlte mir vor allem schon die Kraft.
Unsere Gesellschaft weiß mich auch immer mehr zu erschrecken. Das war aber auch in den späten 80ern so. Und auch da gehörten Gedichte zu den Überlebensgegenständen. Deswegen bin ich immer vorsichtig, wenn etwas in die Richtung geht, als größeres Thema gegen das „kleine Thema“ Gedicht ausgespielt zu werden. Auch Gedichte können Leben retten. Zu diesen Rettern gehörten bei auch einige klassisch Modene etwa Trakl und Majak. Bei anderen, sagen wir Benn , könnte ich Deine Aussage verstehen „Es tut weh zu sehen, wie wertlos die Werte der alten Moderne machen“ (man merkt Deiner Antwort aber an, dass sie schnell hingeworfen ist, die Formulierungen sind etwas unklar) „und wie wichtig es wäre, der neuen Moderne, die es in mancherlei Ansätzen schon gibt, den Resonanzboden zu bieten, die sie braucht, um wirklich nachzuhallen.“ Für mich ist die Moderne nicht irgendwann zu Ende gewesen, hat auch nicht irgendwann dann und dann angefangen, sondern ist ein Teil des Stromes, ein mir besonders teurer, den ich schon in den Wellen des Barock sehe und der in der Epoche „Moderne“, die ich Grund für ein literaturwissenschaftliches Unding, eventuell prominenter floss oder aber bloß für diese Zeit sorgfältiger beschrieben wurde? Der reine Tisch, den Du mit solchem Ablösegedanken einer Moderne durch eine andere forderst. dies: „Jetzt aber richtig“ wurde seit der Moderne so oft gefordert ... es hat aber immer relativ wenig bewirkt. Deine neue Moderne finde ich auch schlecht umrissen bisher. Man kann sie zu schnell mit einer Reduzierung der Literatur auf Inhaltismus und einer Begrenzung der Verfahren auf übliche verwechseln, wenn Du nicht mal gelegentlich ausformulierst, was technisch anders werden soll. Und warum sich das als Moderne versteht. So schwammig, oder wenn Du so willst integrativ, wie es jetzt formuliert ist, setzt Du Dich der Gefahr aus, dass sich Menschen diese Forderungen zu eigen machen, etwas gängiges durchbringen und wenn Du denkst: Endlich ist es geschafft, stellt sich heraus, Deine eigenen Gedichte sind Deinen ehemaligen Kampfgenossen zu seltsam, so sollte man Lyrik nun doch nicht verfassen ...
Hmmm. Du bist nicht einverstanden mit meinen Auskünften über Unbel eckt? Du meinst also weiterhin, er müsse sich dafür interessieren, was der Autor ihm sagen wollte? Auch leseanfangende Kinder denken gar nicht an den Autor sondern an die Geschichte usw. Du müsstest schon sagen, womit Du nicht einverstanden bist, wenn es irgend ein Gewicht haben soll.
Du greifst zu recht den Normalverbraucher an, soll man ihm den Spezialleser entgegensetzen usw. Nur war der ja nichts weiter als eine Parodie auf Deinen Normalleser und alles, was Du über jenen sagst, gilt auch für diesen: Ich habe Deine Kategorie nur aufgenommen, um zu zeigen, wie problematisch diese ist, wenn man sie denn aufgriffe. Damit Du Dich nicht hinter irgendeinem Normalleser versteckst. (Schon gar nicht ist er eben gleichzusetzen mit Unbel Eckt zumal dann, wenn er nach dem Autor fragt, wie DU behauptet hast, nicht ich.) Nun musst Du Dir überlegen, wie sich was Du sagst, ohne die von Dir eingeführte Kategorie Normalleser erreichen ließe.
Eine Folge Deines „Normallesers“: Du mit Deiner festen Vorstellung kannst den Leser bestimmter Dir schwer- oder unzugänglicher Literaturen dann nur noch in einem Überbietungsdiskurs denken, als einen der sich ein „Mehr“ zutraut, was eventuell kränkend auf Dich wirkt? Ich glaube ja, es gibt einfach vor allem ein „anders. Sehr verschiedene Leserkreise und Gruppen, verschiedene Hallräume für verschiedene Lyriken und es wäre anmaßend, bei allen mitreden zu wollen und zu meinen, man könnte alle gleichmäßig beurteilen.
Breygers sieht es ja genauso, selbst dafür griffst Du ihn noch an. Dass Du seine laxe Formulierung „ordentlich abhandeln“ wieder ins Feld führst! Du httest sie schon über Gebür strapaziert und nun willst Du sie auch noch meiner Position in die Schuhe schieben? Du weißt genau, dass Du sehr polemisch etwas, dass längst nicht mehr zu unserem Gespräch über Lesevoraussetzungen gehört, hier aufgreifst, um meine Position sumpfig dastehen zu lassen. Wie gesagt: Dir würde ich ein Konzept von „ordentlich Lesen“ als das, was der Normalleser nach Schulnorm tut durchaus zutraun. Du ziehst doch hier ständig Grenzen, was Gedichte dürfen und was nicht. Da kann man leicht sich als Pendant zu diesem genormten Gedicht auch den ordentlichen Leser vorstellen. Breyger und ich würden das kaum verteidigen.
Ich würde die „Gültigkeit“ Deiner Rede dann bestreiten, wenn ich sehe, dass Du etwas sagen möchtest über Konventionssysteme, in denen Du Dich nicht auskennst. Ich habe nie das Gefühl etwas „Gültiges“ über Lyrik sagen zu wollen und verstehe nicht, wie man das wollen kann. Für gültige Argumente gibt es Regeln, über die man sich verständigen kann, ein Metadiskurs darüber, was Gültiges über Lyrik zu sagen sei, würde zunächst darüber geführt werden müssen, was man als Lyrik „zulässt“. Da es schädlich wäre, dies über Gebühr einzuschränken, sollte man dieses Gespräch nicht führen WOLLEN. (Welche Annäherung Breyger bevorzugt, kannst Du Dir unter dem Satz, gegen den Du polemisierst ansehen.)
Du stellst Dir Leipzig sehr beschränkt vor, wenn Du denkst, dort gäbe es Literaturgespräche nur nach einer Maßgabe. (Wahrscheinlich auch das in polemischer Absicht?) Es gibt in Leipzig aber, und Du ahnst das, ein babylonisches Stimmengewirr von Ansätzen, wie auch anderswo. Und man kennt auch solche, die sich hinter dem Nichtverstehen eines anderen verstecken, um ihre eigenen Zugangsschwierigkeiten nicht offenbar zu machen. Man kennt auch solche, die den kleinsten gemeinsamen Nenner zur Norm machen wollen. Da ist Dein Diskurs nur in seiner Heftigkeit vielleicht originell. Ebenso am Literaturinstitut, da gibt es keine gültigen Sageweisen, wie sehr auch Schwätzer einen Institutsstil insinuieren. (Sollte sich mal wirklich Gleichförmigkeiten eingeschlichen haben, werden diese von den Schwätzern ohnehin nicht bemerkt.) Die Taffsten sind immer dabei, gerade das wieder zu destruieren, was sich als stilistische Gleichförmigkeit einzuschleichen droht, weil es langweilt. Nicht mal in einem Seminar gibt es meist eine ordentliche Sageweise, sondern eine Polyphonie von Ansätzen, auch wenn natürlich der Habitus dessen, was geredet wird sich durchaus unterscheidet, je nachdem, ob etwa Hummelt, Stolterfoht, Popp, Treichel oder Wildenhein oder oder dort über Lyrik mit Studenten diskutieren. Und so gibt es auch in Berlin, Frankfurt oder Greifswald verschiedenartige Leute, und auch Breygers Stil findet in diesen Städten seine verständigen Leser. Es ist keine Frage der Himmelrichtung und auch Du könntest leicht Breygerleser in der Kneipe treffen. (Hier ist „Breyger“ gleichzeitig längst nur pars pro toto, für andere weniger verbreitete Macharten von Gedichten.) Vielleicht könntest Du Dein Misstrauen bekämpfen, wenn Du solchen Lesern begegnest?
Hinter Marquard, der mit seinem Forumkonzept mit einer exemplarischen Rezension, deren Qualität bloß dadurch sichergestellt sein soll, dass der Rezensent sich als Profi ausweisen kann, scheint mir diese Vielfalt der möglichen Sageweisen und damit die Vielfalt möglicher Klippen ebenfalls maßlos zu unterschätzen. (Ursprünglich dachte ich, darin mit Dir einig zu sein.)
Ich denke, dass viele Dichter mit ihren Gedichten sich den von Dir zitierten Guadagnino Satz zu Eigen machen könnten, aber vielleicht manchmal auf überraschend andere Weise, als man zunächst denkt. (Würdest Du auch Wittgenstein weniger mit psychologisierendem Misstrauen lesen, als Du es tust, würde ich Dir hier das Schlagwort „Regelfolgeparadoxie“ zurufen können. Es würde mich jedoch nicht wundern, den Satz ach aus dem Munde einer Genschel einer Hefter, eines Breyger zu vernehmen, ebenso, wie es nicht sonderlich verwundern würde, wenn einer diesen Sätzen widerspräche) Der emphatische Bezug auf eine Realität (sei es des Autors, sei es der Realität, die das Gedicht irgendwie einfangen soll), geht für mich nur auf, wenn man als Realität auch die Realität der Zeichen mitbedenkt, die können auch Drehtüren sein, die geschoben werden müssen. Das merkwürdige an solchen Sätzen ist ja: Sie verweigern sich der Frage, wie das Kunstwerk aussehen soll, und fordern nur Eigenschaften und Handlungsweisen des Schaffenden. Ich glaube, so erzeugt man schnell Scheineinigkeit: Man proklamiert etwas und alle können sich irgendwie vorstellen, dass es irgendwie auf diese Weise tugendhaft zugehen sollte. Aber wenns daran geht, mit diesem Satz Texte zu bewerten, dann meinte jeder etwas anderes. So sind solche Sätze nicht mehr als Formelkompromisse.
Wie sich das auf Deine eigenen lyrischen Texte beziehen ließe, ist dann wieder eine ganz andere Frage ...