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Der intellektuellen Etüde steht das sinnliche, dringliche Ding entgegen. Das will gelesen werden.
Kristoffer, deine „dringlichste und zugleich banalste Frage“ kannst du natürlich nur selbst beantworten. Aber: Handelt es sich beim vorliegenden Text um eine "intellektuelle Etüde – für mich, von Tim?"
Ich, nicht Verteidiger des Textes, sondern sein Anwalt und Zeuge, appelliere: Es handelt sich nicht um eine „intellektuelle Etüde“.
Ich greife etwas aus und gehe auf eure letzten drei Wortmeldungen ein. Sprechen wir übers Internet:
Ja, der virtuelle Raum und seine Strukturen haben sich inhaltlich und formal in den Text/ die Texte eingeschrieben und die Erfahrung des Subjektes auch formal aufs Papier gebracht (diskrete Identitäten etc.).
Einwurf: Ich finde es höchstspannend, was da, in diesem noch relativ unerforschten Raum passiert (#neuland) und wundere mich, dass es bisher sehr wenige Texte gibt, die diese Erfahrungen widerspiegeln. Hänge nur ich die ganze Zeit im Internet ab?
Gedichte, als rundgelutschte Bonbons (immer wohl im Mund zu behalten), sind für mich zum einen persönlich nicht besonders spannend, zum anderen bilden sie für mich nicht das ab, was ich täglich erfahre (#mimesis). Ich erlebe: Überforderung und Widersprüche allerorten. Ich kann nicht mehr gleichzeitig alles erfassen, nicht mehr eindeutige Antworten geben, die Hyperinformation verbietet das per se. Also: Der Text und sein/e Leser_in versagen gleichermaßen.
Das „Porträt des Maulwurfs als desillusionierter digital native“(David) gefällt mir gut. Ich bin mir nur nicht sicher, obs stimmt. Ich habe erfahren und glaube, gerade die digital natives sind doch die, die nie in die großen Utopien des Internets verliebt waren und die Grenzen des Raumes intuitiv, nämlich durch Gebrauch, begriffen. Vonwegen im Internet sind alle frei und gleich, egal ob Klasse, Rasse oder Geschlecht, alle sind mit allen verbunden. Als Sascha Lobo 2014 seine Kränkung bekannte, wurde er von den Jüngeren verlacht.
Behauptung: der Maulwurf ist nicht desillusioniert, er ist postutopisch. Und der Text ist kein Rhizom, das alles mit allem verbindet (allein weil das zu konstruieren sehr schwierig ist), es gibt DeadEnds. Die gibt es auch im Internet. Aber der Text ist ein analoger Hypertext, ein poetisches Textnetzwerk, in dem sich gegenwärtige Erfahrungen verfangen und das den digitalen Raum als Lebenswelt ernst nimmt. Die „reale, physisch erfahrbare Welt“ (David), gibt es auch im Internet. Das Virtuelle wird das Reale, das sinnlich Erfahrbare, genau so wie das Reale durch Codierung (ja, Schrift) an Abstraktion gewinnt (wenn baum, dann baum). Dazwischen Mauern hochzuziehen: problematisch.
Deswegen weiter: „ohne streng logische Grundbedingungen wäre der Versuch der syntaktisch-semantischen Revolte im Gesamten nicht möglich.“(Kristoffer). Ja, es geht ums System. Aber nicht um des System willens. Ein System wird etabliert und aufrechterhalten, aber nur so lange es notwendig ist. Genau so wichtig wie die Konstruktion des Systems, ist seine Zerschlagung oder die Flucht daraus. Sprachmaschinchen werden sabotiert, weil ich sonst auch nicht mehr schreiben müsste, die Maschinen sich selbst schrieben - uninteressant. „Intellektuelle (Sprach-) Systeme“ sind nur Leitplanken und Vehikel. Denn: Es geht um System und Sinnlichkeit.
Der intellektuellen Etüde steht das sinnliche, dringliche Ding entgegen. Das will gelesen werden.