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Text, Interface, Aufführung
[Da unser Mitautor kurz pausiert, springe ich mal ein.]
Lieber Mario, da geht es uns beiden in manchem ähnlich. Offenheit – die Chance des Textes, sich zu entwickeln, auch in der Lektüre, Stichwort "Nachreife", nämlich "Nachreife auch der festgelegten Worte". (cf. Walter Benjamins berühmten Text hierzu..!) Ich bin aber nicht der Meinung, daß für diese Nachreife der Autor zuständig ist, fast ist überspitzt gesagt das Gegenteil der Fall, darum sollen auch Dichter nicht sich, sondern "Dichterkollegen [...] einander [...] covern und remixen". Aber dazu bedarf es der Loslösung, der Text, der nach Belieben geändert wird, erlaubt nur mehr bedingt das EInklinken, unterwirft ihn dem Autor, dem der Text aber nur bedingt "gehört". Darum bin ich da zögerlich, den Wandel des Texts durch den Autoren einfach nur gut zu finden ... das ist auch mein Problem mit Textformaten, die derlei nahelegen.
Zum eBook ferner: Ja, Fähnchen einzukleben gehört fast zum Lesen, es ist schon ein verdammt gutes Interface, das klassische Buch, davon einmal abgesehen, daß es Medienrevolutionen stets gut überstand, wo sonst mit dem Lesegerät manches Buch und manche Tonaufnahme (etc. pp) verschwand. Die Stärken des eBooks: Suchfunktionen bei Textcorpora vielleicht, aber so voluminös ist Crauss' Band ja nicht. Und man kann eine Bibliothek ins Krankenhaus mitnehmen, wie mir eine ältere Autorin sagte, das sind ja mal Aussichten.
Den LyriCode® finde ich als Hilfe für den Dichter vielleicht brauchbar, wie Skansionen, aber die werden nicht zwingend einem Buch beigegeben, man liest sie "sowieso", während man liest, oder eben nicht. Weil man Odenstropen erkennt, oder eben nicht. Das könnte hier ähnlich sein, weshalb mir die Lösung, zumal DIESE, prätentiös erscheint, Aufführungsanweisungen beizufügen, die zugleich etwas Grobschlächtiges haben. Nuancenreiche Poesie, aber: hell/dunkel, laut/leise ... "die ich als Leser schlichtweg nicht brauche, eigentlich gar nicht haben will", das geht mir ähnlich, aber nicht nur der Leserlenkung wegen, so stark bin ich, daß ich versuchsweise Texte gegen den Strich lesen kann, sondern weil auch das nicht möglich ist, beide Systeme laufen nebeneinander manchmal spannungslos her.
Jetzt haben wir Zeit gewonnen, können das besprechen ... oder uns fragen, ob der Text nun gut oder schlecht ist; und ob das Layout das verunklärt bzw. dem Text nutzt oder schadet.