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Konstantin Ames,

Es stellt sich die Frage, ob es sich um eine Rezension mit klassischen Sinn handelt oder um eine Anstiftung zum Selberdenken. Jenseits von Blurbs und Kaufempfehlungen. Frank Milautzcki ist ja selbst Autor und Bildkünstler, kein Berufskritiker, d.h. die Beflissenheit des Profis wird hier bewusst ausgespart, dafür muss aber auch niemand die für rezensierende Menschen typischen Berufskrankheiten aushalten: Eitelkeit, Corpsgeist, Winkelzüge. Es gibt doch genug herkömmliche Buchkritiken und 100-beste-Bücher-des-Jahres-Rankings, die so viel über unsere kleinkarierte Rangordnungsgesellschaft verraten.
Mir kommt bezüglich des Literarischen März 2015 eine Story von André Maurois mit dem Titel „Naissance d´un maître“ in den Sinn, darin geht es um einen völlig unbekannten und armen Maler, der von einem zynischen Freund, einem Schriftsteller, zu einer Ikone neuer Kunst gecoacht wird (er malt weiterhin biedere Stillleben und Porträts). Am Ende glaubt der Gehypte selbst an das soziale Konstrukt und die nimmt die Rollenzuschreibung an.
Zum Vorwurf gegenüber Milautzcki: Jurys sind ätzend, wenn sich die Beteiligten kaprizieren, und wenn deren Unparteilichkeit nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Es steht jedem frei, das Angegriffenwerden und andere Sauereien wehrlos über sich ergehen zu lassen bzw. dabei Zuschauer zu bleiben, wenn andere Opfer von Willkürakten werden. Während der Verleihungszeremonie in Darmstadt wurde den Nichtprämierten die „Förderwürdigkeit“ indirekt abgesprochen. Jemanden zu demütigen, und dann die Antwort darauf als billige Revanche und Ressentiment wahrzunehmen, das ist lebensunklug. Es gibt kein weltliches Gesetz, das verlangt, die andere Wange müsse hingehalten werden. Die Veranstalter glaub(t)en fest daran, den wichtigsten Lyrikwettbewerb im deutschsprachigen Raum zu veranstalten. Das allein ist Quatsch: Es gibt eine Altersbeschränkung, es ist somit lediglich ein Nachwuchspreis, der mal wirklich ein wichtiger war. Viele in Darmstadt prämierte Autoren* können sich bei anderen Wettbewerben nicht mehr durchsetzen. Auch das verrät eine sehr brüchig gewordene Strahlkraft der Darmstädter Jurymeinungen.
Frank Milautzcki schreibt (auch) darüber; selbstwirksam, vielleicht auch als Punk. Er kritisiert. Warum sollte er sich dabei auf ein einzelnes Buch (z.B. meins) konzentrieren, das wäre doch uninteressant, so zu verfahren; auch die routinierten (und sogar die guten) Kritikerinnen* schreiben nicht nur über Texte, sie schreiben auch über Personen im Kontext.