Essay

3 Wünsche – kein Märchen

Hamburg

2017 … was wird es bringen? Meinerseits drei kleine Vorschläge oder Wünsche an die Politik, die allesamt auf Bildungs- und Kulturpolitik zielen.

(1)

In Österreich – und wohl nicht nur da – bestimmt mehr als Begabung oder Fleiß etwas anderes es, ob man Zugang zu höherer Bildung bekommt: das Bildungsniveau des Milieus und die geographische Lage. Beides überrascht nicht: Wo Bildung „nichts wert” ist, wird nicht in sie investiert; und wo es keine Schule gibt, da geht man in eine Lehre.

Bloß ist Bildung etwas, dessen eine funktionierende Demokratie bedarf … nicht nur wirtschaftlich, natürlich besteht ein Zusammenhang zwischen Bildung, Einkommen und dann B.I.P. etc., sondern auch, damit Parteien vernünftige Vorschläge zu machen durch den Wähler genötigt sind, den sie respektieren, weil nicht nur formal ihr Souverän ist. So wäre es gedacht, während jedenfalls in Österreich – und wieder: wohl nicht nur da – der Populismus diesen Souverän, das „Volk”, zwar beschwört, aber eigentlich nur gegen Sündenböcke aufhetzt, um ansonsten neofeudalistische Klientelpolitik zu betreiben. Und wieso geht das? Weil die rechtspopulistische FPÖ zurecht darauf spekulierte, daß genug Menschen hinreichend ungebildet (und/oder unanständig) sind, dabei mitzumischen.

Es gibt neben Milieus, die so gegen jede Art von Bildung abgedichtet sind, daß man hier von den „Parallelgesellschaften” sprechen könnte, vor denen just Rechte gerne warnen, ganze Landstriche, wo das funktioniert: und zwar jene, wo es keine höheren Schulen gibt, wo mit der Schulpflicht die Ausbildung wie die Bildung endet.

Hier zu investieren, wird unvermeidlich, zumal die jetzige Strategie, logokratisch jenen zu bescheiden, daß sie dumm und falsch wählen, ohne es zu begründen (ohne es genauer begründen zu können, weil dies schon voraussetzt, was nicht geschaffen wurde, nämlich eben Bildung der unmündigen Dennochwähler), ungefähr so demokratisch ist, wie das, was die Populisten tun.

Also höhere Lehrergehälter, damit wieder mehr Interesse besteht, sich diesen Beruf anzutun, der eine Berufung ist, aber eben nicht für soviele, wie man braucht; aufhören damit, zu sagen, es gebe genug Lehrer (oder gar: „Wartelisten”), es gibt gerade genug, um in zuwenigen Schulen mit zu großen Klassen – und natürlich in ein paar Elitebildungseinrichtungen – am Laufen zu halten, was schon nur mehr Ausbildung ist..! Wichtiger noch wären die dann möglichen höheren Schulen in Gegenden mit schwacher Infrastruktur, kleinere Klassen, die Vermittlung von Haltung und Disziplin als Möglichkeit, und zwar für sich und für eine Gesellschaft, die nicht von Partikularinteressen aufgezehrt wird..!

(2)

Aus eben diesem Grund: Respekt vor der Leistung derer, die das tun, was nicht nur hierdurch erschwert wird, sondern auch dadurch, daß Schule entdemokratisiert wird.

Natürlich so, daß es die Ungebildeten nicht merken, also sowieso ein Großteil der Schüler, die man aufgrund der Vorenthaltung dessen, wofür sie theoretisch kamen, bis zur Matura und über sie hinaus infantilisiert, dann aber auch jene Lehrer, die dieses Schulsystem sucht und fördert: die nämlich Ausdruck bloß der Verlegenheit sind, daß man zwischen formalisierten Kompetenzen und Schülergehirnen noch eine Schaltstelle braucht. Je weniger ein Lehrer Akademiker ist, desto weniger ist er versucht, als Schaltstelle dann doch den ihm Anvertrauten zu zeigen, wie sich Fakten konstruieren lassen, er kann es selbst nicht, sondern hat nur eine Anpassung, der er schon unterlief und die durch „Evaluationen” rekalibriert wird, vorzunehmen: bis alle gleich denken, bloß, daß sie einerseits nicht wissen, wieso sie andererseits so gar nicht denken…

Die Skrupulösen unter den Lehrern können mit Glück wie Schmuggelware Bildung in die Schule bringen – überspitzt wird dort nach ihr gewissenhafter gefahndet, als nach den sedierenden Drogen, die vielleicht ja darum salonfähig werden, weil Eingerauchte für Politik zu entspannt sind. Ob aus intellektueller Schlampigkeit oder anderen Gründen: Man findet jedenfalls wohl eher Haschisch in unseren Bildungsstätten, als die Dialektik der Aufklärung oder die Werke von Michel Foucault… Die anderen Lehrer merken gar nicht, was sie tun (oder, systemisch: was ihr Tun tut) – und die, die mit der Friktion von Gedanken überhaupt nicht mehr befaßbar sind, werden schließlich, das richtige Parteibuch vorausgesetzt, Direktoren, Landesschulinspektoren, … wobei es seltene Ausnahmen gibt, gewiß, doch die würden diese Beobachtung, wiewohl sie ihnen fast schon Unrecht tut, am allerwenigsten beeinspruchen.

Statt Lehrerausbildung, die kostengünstig besseren Maturanten Kompetenzen überträgt, Bildung: bis zur Verweigerung dem gegenüber, was die „totale Schule”1ist, in der der Mensch – ob Lehrer oder Schüler – nicht ernstgenommen wird, und zwar auch darum nicht ernstgenommen, weil sich solcher Respekt nur auf dem Umweg über das Denken und „Stoff” (heute wie die Schlacke des pädagogischen Prozesses behandelt) einstellt.2

Das kann nur bedeuten: weniger externe Lehrbeauftragte und dergleichen, die für – angesichts des Aufwandes – einen Hungerlohn Massen von Studenten konformieren und konfirmieren, statt sie in das Befragen eines Gegenstandes und dessen, was man davon wisse, einzuführen, bis sie die Skeptiker sind, die uns fehlen; dafür mehr Personal, das dann Zeit hat, zu forschen und in diese Forschung auch jene einzuweisen, die man darum früher schon als Studierende Kolleginnen und Kollegen hieß.

Könnte man diese Skeptiker nicht auch unmittelbar fördern? Schwerlich – höchstens sie korrumpieren, was die Zahl der Ausnahmen unter den Direktoren und Stadt- und Landesschulräten, von denen schon die Rede war, weiter reduziert, mancher wurde nicht aus Dummheit Schulleiter, aber vom Leiten einer Schule schließlich dumm…

Nein, so, wie es nicht Demokratie ist, den Wähler einer populistischen Partei einfach neu zu indoktrinieren, ist es nicht Bildung, einem Ausbildner und seinem Opfer etwas aufzudrängen, das ohne den Umweg den so Behelligten eine „kapriziöse[n] Gebrauchsgestörtheit”, wie es Petersen in seinem Aufsatz Genealogisch denken nennt, bleibt.

(3)

Nehmen wir Schulen und Universitäten ernst, um der Mündigkeit willen. Wähler wollen ernstgenommen werden … tun wir auch dies: Das heißt zunächst Wahlrecht und eine funktionierende Demokratie mit Parlament, … – ach, das haben wir ja..!

Wer sind dann diese Wir sind das Volk-Trupps? – Das sind jene, die anders Wählende nicht respektieren. Und die damit eigentlich die Demokratie (und also den Wähler und das Volk) nicht respektieren. Die Okkupation des öffentlichen Raums ist etwas anderes als eine Demonstration, das wäre längst zu diskutieren. Ebenso, wie man damit umzugehen gedenkt, wenn die Postfaktischen, indem sie Druck ausüben, etwa auf Bürgermeister, permanent Fakten schaffen. Vielleicht sollte kurzum das Volk jenen, die sich das Volk nennen, einmal in Erinnerung rufen, daß sie bloß die unteren 10.000 sind, und zwar, ehe es die unteren 40 Millionen sind.

Im Zuge dessen wird man die Sorgen analysieren und beantworten müssen, aus denen sich auch konstituiert, was jener Mob ist … und zwar, so gut es geht, nach einem Bildungsabbau von Jahrzehnten. Was dann, im Zuge dieser Bemühungen, an Aggression bleibt, ist teils krank, also anders ernstzunehmen, als dieses Volk es meint; ist teils auch dumm; und ist teils aber auch politisch verbrämte Kriminalität.

Übrigens sollte man, daß manches dumm ist, auch sagen: als Ausdruck des Respekts vor dem Wähler, der auch als Idiot Teil dessen ist, was als der Wähler eben Souverän der Demokratie ist. Statt zu sagen, Politiker x sei ein Vollhorst, müßte man sagen, daß seine Wähler es sind. Diesen Gedanken, daß man den Wähler zeigen und diskutieren müsse, formulierte übrigens Loriot als Replik darauf, seine Satire sei unpolitisch. Durchaus nicht: Wer eine mutige, kluge Satire sehen will, sei noch immer auf die Heimsuchungen der Klientel von Populisten durch solche, die nicht (gleichfalls natürlich legitimes) Kabarett vor Bildungsbürgern praktizieren, verwiesen. Olivia Jones bei der NPD – bewundernswert und wichtig.3

Prosit 2017..!

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