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Essay
Was ist der Fall? Wie ist es der Fall, wenn es der Fall ist?
Er hat dazu einige Antworten, die mich später, als ich sie lese, alle nicht befriedigen. „Information bezieht sich grundsätzlich auf den Vorgang der Auswahl unter mehreren Alternativen“, schreibt er „und am einfachsten lässt sie sich darstellen, wenn man diese Alternativen auf eine Folge binärer Wahlen reduzieren kann, die jeweils zwischen zwei gleich wahrscheinlichen Alternativen erfolgen. Wenn Sie beispielsweise erfahren, dass bei einem Münzwurf Zahl statt Kopf gesiegt hat, dann haben Sie ein Bit Information erworben“.
Hinter diesem Satz stecken eine Betrachtungsweise und ein Weltbild. Eine von uns Menschen entscheidbare Alternative bezieht sich auf einen Entscheidungsprozess und enthält damit automatisch und maßgeblich den Entscheidungsnehmer und dessen Wahrnehmungsweise, sie bildet also nicht „die Information“ an sich ab, sondern Information ist nach Gell-Mann das, was wir irgendwo herauslesen können und zwar idealerweise als Takt einfachster Entscheidungen. Eine zweckmäßig reduzierte Sicht.
Meine „Information“ sieht völlig anders aus. Sie ist das, was wirklich geschieht und der Welt, wie sie existiert, die Maßzahlen der eigenen Existenz mitgibt, also schlicht: Form in die Welt einbringt. Information ist das aktive Mitgestalten kraft eigener Existenz und hat so viele Gesichter, wie es Dinge, Prozesse und Systeme gibt. Wir dürfen sicher annehmen, dass im physikalischen Weltgeschehen Informationen wirksam sind und aspektweise zum Phänomen werden, die wir noch längst nicht lesen können, weil wir die zugrunde liegende Form nicht klar erkennen. Das heißt aber nicht, dass es diese „Informationen“ nicht gibt. Information ist eine physikalische Tatsache, ein Formatieren durch Be-Dingungen, welche schon durch ihre reale Existenz Alternativen ausscheiden, bzw. überhaupt erst erzeugen.
Information ist so etwas wie eine Kuhle in die Matratze sitzen. Ein Zudeck um den Leib falten. Den Sonnenstrahlen gestatten, das Bett zu erreichen. Information ist das Schlieren der Heizungsluft hinein in den Raum. Das virtuose Spiel auf der Tastatur mit zwei Fingern malt Worte auf ein imaginäres Blatt und bindet sie mithilfe von Elektronen fest auf einer Platte. Ich schreibe Elektronenmuster in die Welt. Das ganze Haus ist mit Schläuchen durchwebt, durch die wieder andere Elektronen jagen und die in Anzapfstellen die Zimmer belauern. Von dort fließen sie durch Apparaturen, transformieren und fallen als Licht heraus. Aus dem dünnen, versteckten Strom ist ein breiter Wurf geworden, der alles anprallt, der Formen sichtbar macht und Gegenstände, Tasten, die zu drücken sind, Hosen, die überm Stuhl hängen bleiben können, weil man noch im Bett zu bleiben gedenkt und darin bei so mancher Haltungskorrektur dutzende Milben zerquetscht, die sich zwischen abgestorbenen Hautschuppen und unsichtbaren Pizzakrümeln tummeln auf dem wild verfaserten Plateau des Spanntuchs.
Es geht bei Information nicht um schlichte Ja oder Nein-Entscheidungen, die wir treffen und zu Bit-Strängen aufaddieren können, sondern um die Art und Weise von physikalischen Anwesenheiten, um Entscheidungen, die aus der Anwesenheit der Dinge folgen.
Um Gell-Manns Beispiel nochmal aufzugreifen: „Wenn wir beispielsweise erfahren, dass bei einem Münzwurf Zahl statt Kopf gesiegt hat“..., dann haben wir eigentlich etwas darüber erfahren, wie Menschen als vernunftbegabte Lebewesen auf der Erde, wenn sie nach Aussagen über Regelmäßigkeiten suchen, relativ gleichmäßige rundgeformte Körper (sehr flache Säulen) aus Metalllegierungen verwenden, deren Deckel unterschiedlich reliefartig beschaffen sind, diese Körper in unkontrollierbaren Würfen den Bewegungen der Luft und der Schwerkraft der Erde aussetzen und das Zu-Liegen-Kommen auf dem einen oder anderen Säulendeckel als ein Bit 'Information' werten.
Wir hätten dabei, wenn wir genau hingeschaut hätten, Informationen über die real wirkenden Verhältnisgrößen wie der Kraft eines menschlichen Arms, dem zielgerichteten Denken des Homo sapiens (und den Schwankungen seiner Tatkraft aufgrund von Zweifeln), den Wirkweisen von Luftwiderstand, wo sich Luft und Münze gegenseitig über die Art ihrer Existenz austauschen, Gravitation, wo sich Münze und Erde über ihre Gegenwart austauschen, sehen können - einen ganzen Kosmos aus Information, der genau in dem betreffenden Moment passiert, einen Kosmos, in dem geringste Schwankungen zu dem einen oder anderen Ergebnis hinführen, minimale Varianz in den Be-Dingungen (schon Kratzer auf der Münze oder Flügelschlagen von Schmetterlingen in der Peripherie), das Geschehen zu dem einen oder anderen Ende hin „formatiert“. Wir haben uns aber dafür entschieden nur das zu sehen, was uns interessiert. Das Ergebnis.
„Mathematisierte“ Antworten im Ja/Nein Muster zwingen uns in durchdefinierte Welten. In ihnen gibt es (seit Gödel immerhin offiziell) Axiome, die unsichtbar als unantastbar eingeschreint sind: Grenzziehungen, die Aktionsradien und Beschreibungsflächen festlegen und Wirkgrößen aufgrund von Idealisierungen weglassen. Mathematisierte Bedeutung ist immer aspektreduzierte Bedeutung.