# 001

IN AUGENSCHEIN - Gespräche über anonymisierte Texte (# 001). Zu Gast: Asmus Trautsch

Apropos handwerkliche Komponente:


III.

 

Angst Not Leid Haß.

Angst Not Haß Leid.

Angst Leid Not Haß.

Angst Leid Haß Not.

Angst Haß Not Leid.

Angst Haß Leid Not.

Not Angst Leid Haß.

Not Angst Haß Leid.

Not Leid Angst Haß.

Not Leid Haß Angst.

Not Haß Angst Leid.

Not Haß Leid Angst.

Leid Haß Angst Not.

Leid Haß Not Angst.

Leid Angst Haß Not.

Leid Angst Not Haß.

Leid Not Angst Haß.

Leid Not Haß Angst.

Haß Not Leid Angst.

Haß Not Angst Leid.

Haß Leid Angst Not.

Haß Leid Not Angst.

Haß Angst Leid Not.

Haß Angst Not Leid.

 

Oh. Ein Gedicht, das aus vier Worten besteht. Moment – da muss ich gar nicht zählen, das ergibt sich logisch aus der Machart als Permutationsgedicht. Eine kombinatorische Verteilung der Worte, alle Möglichkeiten werden ausgeschöpft, durchdekliniert, notiert. Hinter jeder Zeile ein Punkt: visuell ein wirklich harter Block. Dieses Gedicht lese ich mir nun nicht vor. Das liegt vor allem daran, dass dieser Text zwar konzeptuell interessant ist, aber mich nicht zum Lesen reizt. Man erkennt relativ schnell, wie er gemacht ist. Doch es gibt durchaus inhaltliche Pointen. Es ergibt sich ein totaler Block, ein stehendes Rechteck: das ist der Gedichtkörper. Das, was das Gedicht semantisch sagt, diese vier Worte, die Negativität konnotieren, bilden einen Kontrast zwischen dem Logos der Permutation und dem Irrationalen der Bedeutungen. Diese Spannung ist vielleicht der poetische Mehrwert des Gedichts. Gleichzeitig ist in dieser Spannung ein aufschlussreicher Bezug enthalten, dass diese Ausdrücke der Lebensverweigerung und -verdunkelung nämlich etwas Blockhaftes an sich haben, das anderes ausschließt und um sich selbst kreist, sich selbst hervorbringt. Diese Permutationen ergeben also als psychische Dynamik einen Sinn, insofern sich die Begriffe gegenseitig stützen. Das geschieht auch visuell. Man könnte dieses Gedicht als Körper der Negativität bezeichnen, der sich niemals nach außen öffnet. Das ist die Stärke – aber die Klangebene, das poetisch Überraschende bleibt etwas zurück, wenn man es einmal begriffen hat.

Würden Sie sagen, dass man bei solchen stark konzeptualisierten Gedichten überhaupt noch von Stil sprechen kann?

Die Frage wäre, ob solche Konzeptkunst selbst ein Stil wäre, in den man sich einfindet. Wenn man Worte permutiert – das ist ja nichts Überraschendes. Das haben wir seit ein paar Jahrzehnten und früher. Gerade in Österreich wurde das stark gemacht, dass auch das Schriftbild und die Schriftbildlichkeit betont werden. Das, was man sofort am Gedicht erkennt, spielt eine große Rolle. Wenn man da Stileigenschaften benennen wollte, müsste man die allgemeinen, die konzeptuellen Eigenschaften selbst benennen, aber ich könnte nicht sagen, wie sich in dieser Strenge noch individueller Stil ausprägen soll. Das Gedicht könnte im Grunde von jedem sein, der sich mit der Tradition schriftbildlicher Permutationsgedichte etwas auskennt. Ich wüsste nicht, wie das klar verweisen soll. Jeder, der in diesem Bereich gearbeitet hat, kommt in Frage. Es scheint mir aber zum Beispiel zu unironisch für jemanden wie Jandl. Aber von individuellem Stil kann man hier schwer reden. Das sind Techniken, die man anwenden kann, sobald man sie kennt. Da ergibt sich für mich nicht die Frage einer individuellen Nuancierung. Da kommt nichts aus dem Unbewussten, das könnte man theoretisch auch eine Maschine machen lassen, aber ich vermute einmal, dass die poetische Idee darin besteht, dass durch die Permutation wiederum auf eine psychische Dynamik verwiesen wird. Das ist sowieso meine persönliche Kritik an schriftbildlichen, permutierenden Gedichten dieser Bauart, wo es nicht auf den Klang oder auf überraschende Metaphern ankommt: da ist für mich zu sehr der konstruierende Verstand im Vordergrund. Natürlich lebt das davon und es wäre idiotisch, plötzlich in einer Zeile etwa „Leid“ durch ein ähnliches Wort zu ersetzen. Aber prinzipiell lässt das meine Neugier unbefriedigt. Da geht mir das rationale Begreifen zu schnell.