Von alten Bäumen fallen neue Früchte

Monatliche Kolumne des Kultursalons Madame Schoscha

Autor:
Christian Ingenlath
 

Monatliche Kolumne des Kultursalons Madame Schoscha

Madame Schoscha (Barcelona) - Herr Altobelli (Berlin) - 8.Brief

Madame Schoscha lebt seit Kurzem in Barcelona. Ihr alter Bekannter, Herr Altobelli weiterhin in Berlin. Beide leben sie in einer ganz eigenen Zeit. Und dennoch in dieser Welt, über die sie sich gegenseitig berichten, sie schreiben sich Briefe. Im monatlichen Wechsel flattert ein Brief aus Berlin oder Barcelona herein und vereint die aktuelle, kulturelle Erlebniswelt der beiden. Ganz wie im gleichnamigen Kultursalon Madama Schoscha, der am 25.06. wieder in einem Schöneberger Theater stattfinden wird, geben sich die beiden Auskunft über ihre Entdeckungen aus Kunst und Alltag. Es scheint sich daraus eine wahre Brieffreundschaft zu entwickeln. Den Juni verbringt Madame Schoscha in Berlin und wird im Juli wieder aus Barcelona schreiben.


Artwork: Larisa Lauber


Saint-Avit-Sénieur, Mai 2013

Bonjour Madame,

ich bin einer privaten Einladung in den Südwesten Frankreichs gefolgt und schreibe Ihnen diesmal aus der wunderbaren Landschaft des Périgord. Diese sattgrüne Region lockt mit ihrer guten Küche und ihren sprichwörtlichen 1000 Schlössern. Die reichhaltigen tierischen Fette der Ente beim Confit de canard sprechen für sich und sind ein Klassiker geworden. Vegetarier werden hier eine Randgruppe darstellen und sollten klugerweise erst zur Trüffelzeit anreisen.

Bereits bei der Hinfahrt durch dieses Auenland ahnt man beim Blick durch die Autoscheibe, dass die überreizte Großstadtseele hier zur Ruhe kommen kann. Beim Passieren der historischen Bauernhäuser aus ockerfarbenem Sandstein, bekommt man vereinzelt einheimische Menschen zu Gesicht. Es sind fast ausschließlich Alte in Begleitung von Tieren. „Eine Katze aus/Licht räkelt sich/Unter den Weiden.“ (Sarah Kirsch)

Die Gesichter der Katzen und Menschen sehen nicht unglücklich aus. Hier scheint sich keiner neu erfinden zu müssen.

Von Berlin aus war ich jedenfalls mit der saisonalen Überlegung aufgebrochen, was der Monat Mai wohl alles neu machen würde. Das alte Lied erwartet schließlich nicht weniger als das der „Widerschein der Schöpfung“ uns dann erneuernd im Gemüt blühen möge.

Um die dramatische Fallhöhe dieser Forderung nach unten zu korrigieren, habe ich mich nach einem etwas moderneren Leitmotiv umgesehen und bin beim Songwriter Sam Beam von Iron & Wine fündig geworden. Auf seinem aktuellen Album Ghost on Ghost heißt es in einem Refrain: „I love you and you love me and there’s new fruit humming in the old fruit tree.”

Da Sie mich in Ihrem letzten Brief mit Ihrer intimen Hitliste beschenkt haben bin ich frisch motiviert, Sie weiterhin mit neuen Empfehlungen zu versorgen. Die zart suchende Stimme des vorgenannten Liedermachers möchte ich Ihnen dringend ans Herz legen und bin gespannt, ob Sie ihn in Ihren Bestand aufnehmen werden.

Die Liste Ihrer enttarnten Liebeslieder habe ich im Postskriptum angehängt. Bei der damit verbundenen Vorfreude auf unser baldiges Wiedersehen in Berlin ist mir folgende Idee gekommen. Was halten Sie davon wenn Sie mich nicht als Gast zum Kultursalon am 25.06. einladen, sondern als Co-Moderator wie in guten alten Zeiten? Ich kann mir keine bessere Gelegenheit ausmalen als zum Thema „beziehungs weise“ wieder mit Ihnen zusammen auf der Bühne zu stehen.

Wenn ich mir vor Augen führe, dass seit der Entstehung dieser Veranstaltung die Katze sich als Leitfigur eingeschlichen hat, dann könnte das folgenden triftigen Grund haben:

„Gedichte also sind/Sonderbare kleine/Katzen denen gerade/Die Augen aufgehn“ (Sarah Kirsch) 

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