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Essay
Frauen in Marokko – Impressionen
Analphabetismus ist in Marokko vor allem ein Frauenproblem. Nach einer Angabe von Ghita El Khayat in ihrem Buch „Le Mahreb des femmes“ waren 1985 von den unter 15 Jahre alten im Schulalter stehenden Marokkanern 66,9 % Analphabeten. Genaue Zahlen zu bekommen ist schwer. Jedenfalls waren nach einer statistischen Quelle 1971 Frauen zu etwa 30 % mehr Analphabeten. Und 1990 gingen über die Hälfte der Kinder von 6 -11 Jahren in die Schule, noch 37 % der 12 - 17 Jährigen. Wenn man davon ausgeht, dass etwas dreimal soviel Jungen in die Schulen gehen, kann man nur ahnen, wie groß der Frauenanteil an Analphabeten im Land sein muss, auch wenn heute andere Zahlen nach den großen Bildungsanstrengungen der letzten Jahre wahrscheinlich sind.
Arbeitslosigkeit ist nur deshalb nicht messbar, weil es sowieso keine Unterstützung gibt. Gearbeitet wird allerdings genug und mehr von Frauen als von Männern, zum Beispiel an den Webstühlen des Landes, in den französischen Vierteln in Büros und Geschäften.
An der Missachtung der Berufstätigkeit von Frauen aber hat weder dieses viel verändert, noch die Tatsache, dass etwa ein Drittel der Ärzte, Rechtsanwälte und Universitätsdozenten Frauen sind.
An einer Person wie Fatima Mernissi, der bekannten Schriftstellerin und Soziologin, die in Rabat an der Universität lehrt, wird deutlich, was sich doch in den letzten fünfzig Jahren für Veränderungen gezeigt haben. Sie ist noch in einem Harem aufgewachsen, wo ein Türhüter darüber wachte, dass die Frauen nicht unerlaubt das Haus verließen. Ihre Großmütter haben sich ihren Mann noch mit anderen Frauen teilen müssen. Aber obwohl inzwischen die Einehe eingeführt wurde, gibt es kein Verbot der Polygamie. Man wollte uns in Marrakesch immer wieder Häuser zum Verkauf anbieten, in denen noch „die Frau meines Vaters“ wohnte, wie uns die junge Frau erzählte, die uns die Räumlichkeiten zeigte. Sie trug Radlerhosen und ein enges T-Shirt, aber die Djellaba lag bereit zum Ausgehen. Die alte Frau, die sie so vorstellte, lebte im unteren Salon, den sie wie ein Berberzelt ausstaffiert hatte. Dass es immerhin ein ungeschriebenes Gesetz gibt, nach dem eine alte Witwe lebenslanges Wohnrecht hat, macht die komplizierten Erbfolgen nicht einfacher.
Fatima Mernissi ist inzwischen auf der Seite der „Mächtigen“: sie hat Einfluss, reist um die ganze Welt, schreibt und lehrt und ist Beraterin bei der UNESCO zur Situation muslimischer Frauen. Von einer früheren Sklavin, die im Harem ihrer Kindheit lebte, hat sie erfahren, was die Mächtigen von den Machtlosen unterscheidet: Wenn man hinauskommt. Der Wunsch herauszukommen aus engen Grenzen, die Welt zu sehen, ist den meisten Marokkanern verweht. Ein Visum kostet Geld und man muss einen Arbeitsplatz vorweisen, an den man zurückkehrt.
Auch wenn der Anteil der weiblichen Schüler und Studentinnen kontinuierlich steigt, ebenso das Heiratsalter (von 1971 bis 1982 erhöhte es sich um drei Jahre von 19 auf 22, vor allem in den Städten), so bleibt den meisten als Lebensperspektive der Weg einer Hausfrau und Mutter mit durchschnittlich etwa 4 bis 5 Kindern, die ihre Wünsche nach Beruf, Selbständigkeit und Reisen beiseite stellen muss. Auch Zekia wird eher Hochzeit feiern, als in Deutschland vor meiner Tür stehen.
Einmal habe ich auf dem Djema el Fnaa, dem „Platz der Gehenkten“ in Marrakesch eine Frau gesehen, um die sich ein beeindruckender Männerkreis gebildet hatte. Sie betrieb ihr Geschäft nicht in Form eines intimen Gesprächs wie die Wahrsagerinnen und Bettlerinnen, sondern hatte sich ein kleines Mikrophon umgebunden, Mit gespreizten Beinen saß sie auf einem Hocker, sprach mit weit ausladenden Gesten wie eine Herrscherin auf dem Thron, die ihren Untertanen, die ehrfurchtsvoll die Köpfe neigten, strategische Pläne erläutert. Die geheimnisvollen Utensilien vor ihr konnten nur für die männliche Potenz von Bedeutung sein. Hier war sie die Wissende. Hingebungsvoll, mit gläubigem Blick, lauschten ihr die Männer.
Arbeitslosigkeit ist nur deshalb nicht messbar, weil es sowieso keine Unterstützung gibt. Gearbeitet wird allerdings genug und mehr von Frauen als von Männern, zum Beispiel an den Webstühlen des Landes, in den französischen Vierteln in Büros und Geschäften.
An der Missachtung der Berufstätigkeit von Frauen aber hat weder dieses viel verändert, noch die Tatsache, dass etwa ein Drittel der Ärzte, Rechtsanwälte und Universitätsdozenten Frauen sind.
An einer Person wie Fatima Mernissi, der bekannten Schriftstellerin und Soziologin, die in Rabat an der Universität lehrt, wird deutlich, was sich doch in den letzten fünfzig Jahren für Veränderungen gezeigt haben. Sie ist noch in einem Harem aufgewachsen, wo ein Türhüter darüber wachte, dass die Frauen nicht unerlaubt das Haus verließen. Ihre Großmütter haben sich ihren Mann noch mit anderen Frauen teilen müssen. Aber obwohl inzwischen die Einehe eingeführt wurde, gibt es kein Verbot der Polygamie. Man wollte uns in Marrakesch immer wieder Häuser zum Verkauf anbieten, in denen noch „die Frau meines Vaters“ wohnte, wie uns die junge Frau erzählte, die uns die Räumlichkeiten zeigte. Sie trug Radlerhosen und ein enges T-Shirt, aber die Djellaba lag bereit zum Ausgehen. Die alte Frau, die sie so vorstellte, lebte im unteren Salon, den sie wie ein Berberzelt ausstaffiert hatte. Dass es immerhin ein ungeschriebenes Gesetz gibt, nach dem eine alte Witwe lebenslanges Wohnrecht hat, macht die komplizierten Erbfolgen nicht einfacher.
Fatima Mernissi ist inzwischen auf der Seite der „Mächtigen“: sie hat Einfluss, reist um die ganze Welt, schreibt und lehrt und ist Beraterin bei der UNESCO zur Situation muslimischer Frauen. Von einer früheren Sklavin, die im Harem ihrer Kindheit lebte, hat sie erfahren, was die Mächtigen von den Machtlosen unterscheidet: Wenn man hinauskommt. Der Wunsch herauszukommen aus engen Grenzen, die Welt zu sehen, ist den meisten Marokkanern verweht. Ein Visum kostet Geld und man muss einen Arbeitsplatz vorweisen, an den man zurückkehrt.
Auch wenn der Anteil der weiblichen Schüler und Studentinnen kontinuierlich steigt, ebenso das Heiratsalter (von 1971 bis 1982 erhöhte es sich um drei Jahre von 19 auf 22, vor allem in den Städten), so bleibt den meisten als Lebensperspektive der Weg einer Hausfrau und Mutter mit durchschnittlich etwa 4 bis 5 Kindern, die ihre Wünsche nach Beruf, Selbständigkeit und Reisen beiseite stellen muss. Auch Zekia wird eher Hochzeit feiern, als in Deutschland vor meiner Tür stehen.
Einmal habe ich auf dem Djema el Fnaa, dem „Platz der Gehenkten“ in Marrakesch eine Frau gesehen, um die sich ein beeindruckender Männerkreis gebildet hatte. Sie betrieb ihr Geschäft nicht in Form eines intimen Gesprächs wie die Wahrsagerinnen und Bettlerinnen, sondern hatte sich ein kleines Mikrophon umgebunden, Mit gespreizten Beinen saß sie auf einem Hocker, sprach mit weit ausladenden Gesten wie eine Herrscherin auf dem Thron, die ihren Untertanen, die ehrfurchtsvoll die Köpfe neigten, strategische Pläne erläutert. Die geheimnisvollen Utensilien vor ihr konnten nur für die männliche Potenz von Bedeutung sein. Hier war sie die Wissende. Hingebungsvoll, mit gläubigem Blick, lauschten ihr die Männer.
Erstveröffentlicht:
der überblick 4, 1996 und Feature Marokko, NDR 4, 9.11.1996).