Die Hausaussuchung in Lenggries

Essay

Autor:
Tobias Roth
 

Essay

Die Hausaussuchung in Lenggries – ein Volkslied aus Bayern und: wo der Staat nichts zu suchen hat

Die Hausaussuchung in Lenggries

    I     Die Gemeinde Lengeriss, de ischo lengst verfluacht,
          drum hamms hoid ezz im ganzn Strich de Heisa oi ausgsuacht.
          Und zweng da Bix und zwengam Fleisch, do stirmans ganze Haus,
          und  wenn’s a Hiaschhaud finden dadn, de schlogadns a ned aus.

    II    Von Foi do san de Jaga dokwen und vonda voidan Riss,
          von Jachenau und Woiasä, dessejwe woas i gwies.
          Die Rott besteht aus einem Heer von zirka achzenn Mann
          Un via Schandahm warn a dabei ois Deppadazion.

    III   Schlossa, Schandahm, Jagasknecht, die sicht ma oi spazzian,
          und oana hod an Schreiwa gmacht, dea duad de Lischdn fian.
          Und wos i sonst no gsecha ho, do hon’i heazzli glacht:
          Da Gmoadeana warra dabei, dea hod an Pudl gmacht.

    IV   Da Foastwahd hod zurra Jaga gsogt, mit dia honi wos zren,
          du bist ja woi a gscheida Mo, muast mit nach Lengriss gehn.
          Do suachma’r’uns an Stuzzn raus, den schenstn, der uns gfoid,
          middi meinin hon i d’voarigs Jahr de Schuidn oisam zoid.

    V    Beim Marta hods an Groda do, do hamms a Flinte griagt,
          sie sogn, wenn des a so fuad gehd, so samma woi vagniagt.
          Da Sepp wiafts grod beim Fensta naus, oids Eisn hoda gnua,
          un’d’Jaga ham grod Hausfisit und kemma grod dazua.

    VI   Beim Wendl’r’isa Wendda vom Diroiakriag no do,
          do hengan de Roschbazzn dro, dessejwe woast ahso.
          Auf de ham d’Luada Brazzn gmacht, se moan glei wos do ham,
          na gennas ibad Henna’r’neschda’r’aufn Tenneran.

    VII  Beim Ofna’r’is am schenstn gwen, do schpillns a guade Roin,
          des lassma’r’ez in d’Zeidung doa, do hams a Bruadhenn gstoin.
          Sie sogn des is an Auaho, den habz es holla gmacht
          Und zwengam Wildbratschiassn seiz lengst scho in Vadacht.

    VIII Beim Herda hams da Uschl an Bugl visidiert,
          doch d’Uschl sogt voa laudta Zorn: „Fir desmoi seiz blamiert!
          Mei Bugl is koa Koita ned, da habz enk richti brennt,
          ez habts ja Bix an Hendn ghabt und habs ez gor ned kennt.“

    IX   Beim Hoisn suachas kloaweis aus, do hiadns a Wildfleisch meng,
          doch d’Hoisin sogt: „Wanns sonst nix is, do is ma nix dro glegn.
          Von Orsch kenntz enk oans obaschnein, do habz es Wuidfleisch gnua,
          do kinnz enk essn oisam satt, aba sischt lassts mia mei Rua.“

    X   Midn Wildfleisch warns hoid a ned zfrien, se mechtn liawara Bix.
         Se stirman noch das ganze Haus, aba finden deans hoid nix.
         Das ganze Haus is finsta gwen vo laudda Jagasknecht,
         an jedn hod mas guad okennt, dass er a Flinte mecht.

    XI   Und mit lauda Suacha, do kemmans auf’d’Durdlmei,
          Se stirman noch das ganze Haus, aba finden deans ned vei.
          Doch endlich genann d’Hiaschgwei her, do machas Dappa drauf,
          de gems na glei an Wacka Karl, der setzt die Hörner auf.

    XII  Jezz kemmans in das Dorf hinein, do hoidns oisam Rat:
         “Beim Wewa Marta miass ma’r’ano schaugn, wo da Sepp sein Schduzzn hod!“
          Se sprengan eam glei an Kastn auf und dean eam s’Gwand durchstiern,
          und dean eam glei an Krobbelnschnaps un’d’Epfe oi ausfian.

    XIII Jezz machas dann dem Suacha, dera Gaudi boid an End,
          wei an Wacka Karl un’d’Jagasknecht ah so a jeda kennt.
          Dass desmoi goa nix gfundn ham, des is hoid gor ned rar,
          wenns Kuahfleisch, d’Epfe und da Schnaps ned war, so gangans desmoi laar.

    XIV Un’d’Schizzn dean den seibin Dog auf Gamsaln ummajogn,
          drum kennans hoid im ganzn Strich koa Zwillingbix dafrogn.
          Denn jeda hods hoid sejm dabei, es will ja grod so sei,
          aba d’Jaga, de san ned so schlauch, des foid eana goarned ei.

    XV  Und d’Jaga hams Haus ausgsuacht,
          de ham se draud,
          ham da Muada sein Stoikiddl
          fira Hiaschhaud ogschaugt.

       



Die Razzia (8) von Lenggries

    I    Die Gemeinde Lenggries wird schon lange von einem Fluch heimgesucht und     deshalb sind jetzt im ganzen Tal alle Häuser bei einer großen Razzia durchsucht worden. Um Gewehre oder Fleisch zu finden wird Haus um Haus gestürmt, und wenn sie [sc. die Jäger] reine Hirschhaut finden würden, würden sie sie auch nicht ausschlagen.

    II    Die Jäger kamen aus Fall und Vorderriß, aus Jachenau und vom Walchensee, das weiß ich ganz sicher. Das Durchsuchungskommando besteht aus einem Heer von circa achtzehn Mann, und vier Gendarmen nahmen als weitere Deputation teil.

    III    Schlosser, Gendarmen und Jäger sieht man herankommen, und einer von ihnen ist gelernter Schreiber und mit der Schriftführung beauftragt. Und was ich sonst noch gesehen habe, hat mich herzlich zum Lachen gebracht: der Gemeindediener war auch dabei und hat sich diesen Leuten niederträchtig angebiedert.

    IV    Der Forstwart hat zu einem Jäger gesagt: „Ich muss mit der reden. Du bist sicherlich ein verständiger Mann, und musst mit nach Lenggries kommen. Da suchen wir uns das Gewehr raus, das uns am besten gefällt, denn ich musste mein Gewehr letztes Jahr versetzen, um meine Schulden zu bezahlen.“

    V    Beim Marda sind die Jäger gleich einen großen Schritt vorangekommen und haben ein Gewehr gefunden. Sie sagen sich: wenn das so weitergeht, dann wird es ein Vergnügen für uns. Der Sepp wirft sein Gewehr gerade zum Fenster hinaus, altes Eisen hat er ausreichend, und die Jäger haben gerade Hausvisite und kommen gerade dazu.

    VI    Beim Wendla ist noch ein altes Gewehr aus dem Tirolerkrieg, das schon völlig verrostet ist, wie man es sich denken kann. Danach haben diese Hunde gleich ihre Hände ausgestreckt, und meinen gleich, Wunder was sie da gefunden haben, und marschieren über die Hühnernester hinweg in die Tenne.

    VII    Beim Ofna war es am schönsten, da haben sie ihre Rolle gut gespielt. Wir werden dafür sorgen, dass in der Zeitung gemeldet wird, dass die Jäger dort eine Bruthenne gestohlen wird. Sie aber sagen, dass das ein Auerhahn sei, den wir als Bruthenne ausgeben wollten, und dass wir schon längst im Verdacht der Wilderei stehen würden.

    VIII    Beim Heada haben sie der Uschl den Buckel abgeklopft und untersucht, aber die Uschl sagt in einem Zornesanfall: „Jetzt habt ihr euch wirklich blamiert! Mein Buckel ist kein Schrank, da habt ihr euch kräftig geirrt. Ihr habt ja schon Gewehre in der Hand gehabt, und habt sie nicht einmal erkannt.“

    IX    Beim Hoisn durchsuchen sie alles ganz sorgfältig, denn sie hätten gerne Wildfleisch gefunden, aber die Hoisin [sc. die Dame des Hauses] sagt: „Wenn weiter nichts ist, ist es mir durchaus gleichgültig. Ihr könnt euch Fleisch vom Arsch schneiden, da habt ihr genug Wildfleisch, da könnt ihr euch alle satt essen und mich in Ruhe lassen.

    X    Aber mit dem Wildfleisch waren die Jäger nicht zufrieden, sie würden lieber Gewehre finden. Sie stürmen und durchsuchen das ganze Haus, aber können doch nichts finden. Im ganzen Haus wurde es dunkel, so viele Jäger waren da, und jedem konnte man an der Nase ablesen, dass er gerne ein Gewehr haben würde.

    XI    Im Zuge der Razzia, da kommen sie auch zur Mühle. Sie stürmen und durchsuchen das ganze Haus, aber können doch nichts finden. Aber endlich können sie einige Hirschgeweihe ergattern, nach denen strecken sie sofort ihre dreckigen Finger aus, und geben sie sofort an Karl Wacker weiter, der die Hörner aufsetzt.

    XII    Jetzt kommen sie in das Dorf hinein, dort beratschlagen sie: „Beim Weber Marta müssen wir auch noch nachsehen, wo der Sepp sein Gewehr versteckt hat.“ Sie brechen ihm sofort den Schrank auf und durchwühlen alle seine Kleider, und stehlen ihm schließlich  Schnaps und Äpfel.

    XIII    Jetzt kommen sie allmählich mit dem Suchen, diesem Spaß, an ein Ende, weil den Karl Wacker und die Jäger im Dorf sowieso jeder kennt. Und dass sie rein gar nichts gefunden haben, das ist keine Seltenheit, und wenn Kuhfleisch, Äpfel und Schnaps nicht gewesen wären, so wären sie ganz leer ausgegangen.

    XIV    Die Wilderer sind an diesem Tag auf die Jagd nach Gämsen gegangen, deshalb konnten die Jäger im ganzen Tal kein Gewehr ausfindig machen. Denn jeder Wilderer hat sein Gewehr dabei, es kann ja gar nicht anders sein, aber die Jäger sind nicht schlau genug, als dass ihnen das einfallen würde.

    XV    Und die Jäger haben es gewagt, eine Razzia zu veranstalten, und haben gedacht, dass der Stallkittel der Mutter eine Hirschhaut wäre.