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Essay
Die Verfertigung der Welt im Kinderauge. Eine Vorlesung in drei Kapitellen
Man darf sie nicht alleine suchen, heißt es –
Wilde Mirabellen, aus dem Äther gepflückt,
Weil ich den Baum, als ich allein ging,
Nicht fand: am Waldrand die goldenen Perlen,
Wie der Samt deiner Wangen gefärbt,
Das fedrige Schaukeln der Äste, beflaumt
Wie dein vorausgehender Leib, der mich
Nicht aufregen darf; krank noch von den alten
Geschichten ... mit erschöpftem Solarplexus
Belegt, wenn ich ein Gentleman sein will:
So, wie der Mirabellenbaum fortreist mit dir,
Werde ich einsam sein, und in Bindung.
Die Landschaften ändern die Farbe; ja, die
Tonart, seit du fort bist, das notorische Schwären
Der Trecker verschallt, ungehört, in den
Rüstern und Föhren, und ich pflücke die uner-
Sehbaren Früchte von Bäumen, die fort
Sind wie du, den kahlen Sandern entflohn:
Ob ich die Taschen voller Kienäpfel habe
Und Wald – ich will es nicht wissen ... einzig
Dein vorausgehender Leib trägt mich ins
Licht, seit du fortgereist bist und das schmale
Bäumchen mit dir, und deine mit Lachen
Besamtete Haut unter dem Himmel unsres
Märkischen Einödidylls; an den wir zurück-
Denken werden, solange der Puls seines
Errötens uns nicht in Vergessenheit bringt.
Man darf sie, heißt es, nicht alleine suchen –
Die wilden Mirabellen, nach denen uns
Lange schon ist, und die wir hier fanden,
Wo ich staunend deinen Blick, dein Lächeln
Antraf. Fort bist du, Mirabelle, nur Licht
In den Rüstern und Föhren … bald wird es
Herbst … allein, im Rücken berg ich, aus
Dem Äther gepflückt, die flaumgoldnen Perlen:
Eine Handvoll Liebesgeschenke für dich.
Und nach den Aufregungen der Mirabelle das runtergekühlte Fieber der Giraffe, die im rechten Moment den richtigen Freund benötigt und durch ein Versehen und Wunder fortan die Zumutungen der Welt nicht mehr fürchtet:
Als die Giraffe Husten hatte, musste sie auf ihre Wassergymnastik verzichten. Wegen des vielen Hustens hatte sie so gut wie keine Flecken mehr, und es wollte niemand in ihrer Nähe sein. Sie quälte sich viele Tage, bis schließlich der Elefant vorbeikam und den Doktor Storch rief. Eigentlich wollte er sie zum Straußenrührei einladen und hatte sie auch bei der Wassergymnastik vermisst. Der Doktor Storch verschrieb ihr ein Farb- und Hustenpflaster. So ging es der Giraffe bald besser. Aber der Doktor hatte übersehen, dass das Medikament eines für Nilpferde war. Nun hatte sie plötzlich lila Flecken. Das machte ihr aber nicht viel aus, und sie wurde sogar zur schönsten Giraffe weit und breit gekrönt. Wegen des Nilpferdmedikaments bekam sie nie wieder Husten, und sie lebte glücklich bis an ihr Ende.
Mögen wir alle glücklich bis an unser Ende leben.
Originalbeitrag
gehalten als Poesie-&-Poetik-Vorlesung im Institut für Grundschulpädagogik der Universität Halle