Erhebe dich, Genossin meiner Schmach

Prosa

Autor:
Simone Trieder
 

Prosa

Erhebe dich, Genossin meiner Schmach - ein Bayreuther Abend mit Schwan und Nachen

In Bayreuth war ich noch nie. Da wäre ich wohl auch nie hingekommen, wenn mein Sohn nicht diesen Sommer da arbeiten würde. Also nicht irgendwo in Bayreuth, sondern bei den Festspielen, ohne die wohl kaum jemand Bayreuth kennen würde. In Maxens von den beiden Festspielleiterinnen unterschriebenen Vertrag  steckte je eine Karte für die sieben Generalproben. Eine davon bekam ich. Und der Zufall wollte es, dass mir die Karte für die diesjährige Neuinszenierung „Lohengrin“ zufiel. So kam ich auf den Grünen Hügel, fuhr ihn hinan, mit meinem kleinen roten Auto – auf das Postkartenmotiv zu: Der breite Scheunenschopf mit seinem bunten Blumenrabattenlätzchen um. In mir rührte sich nichts. Ich höre eh kaum Musik und von Wagner kenne ich nur die „Trailer“: den Walkürenritt und den Hochzeitsmarsch. Eher freute ich mich, meinen Sohn wiederzusehen und – ja doch, mal dabeizusein.
Ich folgte dem Sog an ein Tor, es war der Bühneneingang. Hinter Gittern auf einem weiten Hof liefen wie im Zoo die Bühnenarbeiter in Schwarz, manche mit Funkgeräten, auch Chormitglieder, schon in Maske, mit einer Art Halbglatze auf dem Kopf und in schrillgelben Hosen. Sie trugen die begehrten Karten für die Generalprobe in ihren schwarzen und gelben Hosentaschen. Die Menge davor schaute sehnsüchtig und demütig bettelnd durchs Gitter. Viele hielten das Schild „Suche 1 Karte“ vor der Brust. Und ich hatte eine! Dabei kannten sie gewiss ihren Lohengrin, während ich nur kurz das Internet nach dem Plot befragt hatte: Über Elsa sollte Gericht gehalten werden, weil  sie angeblich ihren Bruder, den Thronfolger, hatte verschwinden lassen. Da kommt Lohengrin auf dem Schwan und bezwingt den Gegenspieler. Er heiratet Elsa unter der Bedingung, dass sie ihn nie fragen dürfe, wer er sei: Nie sollst du mich befragen. Das kannte ich irgendwoher. Aber sie fragt dann doch und aus die Maus.
Da kam Max in Schwarz , auch mit Funkgerät und einem Kopfhörer um den Hals. Er reichte mir die Karte. Ich genoss die neidischen Blicke der Kartensucher. Eine blaue Karte, schön groß. Mein Name obenauf, überreicht durch Sohn Max, Abteilung Elektroakustik, Hausausweisnummer. Nur gültig mit meiner Unterschrift und Personalausweis, unverkäuflich!! Wir verabredeten uns für die zwei Pausen, dann zog ich mit meiner Karte los. Die Kartensucher waren durchweg schick gekleidet, im Anzug mit Schlips, die Frauen in schönen Kleidern mit wehenden Tüchern. Ich hatte ein weißblau geringeltes Seemanns-TShirt an, war auch verschwitzt, gute  33 Grad, gefühlte fast 40. Ich hatte eine schöne indische Bluse im Auto, aber es war noch über eine Stunde Zeit, also verschob ich das Umziehen und schlenderte ums Festspielhaus. Hier kribbelte es schon. Besonders unter einem überdachten Gang, wo sich die Kartensucher aufgereiht hatten. Sie warben mit Zitaten aus Lohengin: Ich war noch nie in Brabant oder: Nun sei bedankt, mein lieberSchwan  – für eine Karte. Gemalte Schwäne, Notenzitate. Manche hatten Mäuse aus süßem Schaumstoff aufgeklebt, wohl ein versteckter Hinweis, dass man verbotenerweise  auch etwas rüberreichen würde,  für die begehrte Karte. Andere lenkten die Aufmerksamkeit auf ihre Person: Studentin, Dänen, Schüler, Bayer sucht Karte, der hatte sogar eine Lederhose und grüne Kniestrümpfe an. Einem netten Kartensucher lächelte ich zu: ich hab eine Karte, möchte aber selber gehen. Er lächelte zurück: geh nur. Je dichter ich an die Festivalgastronomie kam, desto wichtiger schauten die Leute, ausnahmslos schick angezogen. Nö, dachte ich, es ist eine Probe, basta.
Also stieg ich im verschwitzten Seemansshirt ins Festspielhaus. Dritte Reihe habe ich. Oh, aber nicht im Parkett, sondern auf der Galerie. Ich stieg und stieg, Loge, Balkon hinter mir lassend und da – ganz oben, da war die Galerie. Holzklappsitze, wie früher bei uns im Kino. Und eng! Ich zwängte ich auf den Platz 16 an den Leuten vorbei. Als ich aufsah, stand eine Säule vor mir. Eine breite Säule. Der grüne Bühnenvorhang war links zu einem Viertel und rechts zu einem Siebentel zu sehen. Aha. Der Frau neben mir, der vermutlich die linke Hälfte der Bühne fehlte, entfuhr ein Oh, als sie das entdeckte.  Ich wies sie auf meine viel tragischere Situation hin. Gut, dann hören wir eben, meinte sie. Unter uns die Kugeln der Lampentrauben, dicht über uns die grade, mit vergoldeten Rippen durchzogene Decke. Es quoll der Lärm von tausend Menschen hoch. Heiß war es hier. Und wir mussten stehen, denn die Platzinhaber der hinteren Plätze kamen selbstverständlich zuletzt. Es wurde dunkel, die Gespräche ließen nach, das Knarren der Holzsitze, die Fächerbewegungen legten sich, bis zum fast vollständigen Black verdichtete sich der Lärmnachlass zur atemlosen Stille. Die war grandios.  
Sphärische Musik schwang herauf, das Orchester spielt verdeckt, den Dirigenten sieht man nicht, der Graben ist zur Bühne hin geöffnet, damit sich Orchester und Stimmen vereint auf den Weg zum Hörer machen.
Eine blendend weiße Bühne. Lohengrin versuchte durch eine Tür zu gehen, langsam schob er die ganze weiße Wand mit der verschlossenen Tür nach hinten, irgendwann öffnete sich die Tür von ganz allein und er war drin, in der anderen Welt. Wie unterschiedlich die Menschen sehen, zeigte sich später, als ein Rezensent schrieb, Lohengrin will RAUS. Ich habe gesehen, er will REIN! Hier drin also, gibt es Ratten, das ganze Volk von Brabant also der Chor – Ratten. Für die Traditionalisten  entpuppte sich das später als Hauptärgernis dieser Inszenierung: Ratten auf dem Grünen Hügel! Pfui! In gebeugter Haltung mit langen nackten Zehen und langen Fingern, die glibberig zappeln. Und jede Ratte hat einen dicken langen Schwanz, der beim Gehen ruckelte. Über dem Kopf eine Art Helm für das spitze Gesicht der Ratte und rote Augen, die im Dunkeln leuchten. Der König, der richten soll, lümmelte sich in seinen roten Sessel, seine Figur ist angelegt nach dem Satz: „weil unsre Weisheit Einfalt ist“– ein schöner Merksatz für die Mächtigen. Elsa erschien in Weiß, gespikt von Pfeilen, die aus ihrer Brust zog sie selbst heraus, die aus dem Rücken pflückte dann Lohengrin ab, da hatten sie beim Singen was zu tun. Der „liebe Schwan“ war ein ausgestopfter echter mit ausgebreiteten  wackelnden Flügeln. Die Sympathien für Lohengrin sind groß, die Ratten legten die Rattenhaut ab (vielleicht eine Art Menschwerdung?) und hingen sie an Garderobenhaken, die in den Schnürboden gezogen werden, die Rattenschwänze zappelten dabei. Die Brabanter trugen nun gelbe Anzüge, die unter der Rattenhaut waren. Die Armen, bei der Hitze. Heil dir-Rufe gingen über in ein Augenwischen mit den Glibberfingern. Viele lachten. Max sagte mir, warum. Ich hatte den gerupften Schwan nicht gesehen, der aus dem Schnürboden kam. Ansonsten konnte ich erstaunlicherweise  doch eine Menge sehen, ein bisschen kämpfte ich mit meiner linken Nachbarin, die sich weit in meine Schweißsphäre hineinbeugte, weil der Herr vor ihr zu lang war, was ihm gar nichts ausmachte. Nach dem ersten Aufzug wurde geklatscht, sogar „Bravo“ gerufen. Ich klatschte nicht, es ist eine Probe, basta.
Immernoch kein Regen. Immernoch die Kartensucher, sie hofften wohl, dass jemand genug gesehen und gehört hätte. Max hatte Zeit in der Pause und wir schwatzen.  Die Bühnenarbeiter hatten im vergangenen Jahr gestreikt und werden nun nach Tarif bezahlt werden, auch die Sänger. Wolfgang Wagner selig war der Meinung, wenn man in Bayreuth gesungen oder gearbeitet hat, dann ist das solch eine Referenz, dass man damit anderswo die Preise hochtreiben kann. Übrigens Wolfgang Wagner, man munkelt hier, seine Urne wär verschwunden, es hat zwar eine große Trauerfeier gegeben, aber keine Beisetzung, sagt man.
Wie es mir gefällt? Ja, die Idee, die Menschenmenge, sprich den Chor, in Ratten zu verwandeln,  ist toll. Wer sagt denn, dass Ratten etwas Böses sind? Sie sind sozial, sie sind putzig, sie können agressiv werden. Grade die Ambivalenz macht das Ratten-Menschen-Modell interessant. Und du, was machst du denn so? Es gibt ganz viel Monitore, die muss er installieren und überwachen. Monitore für die Sänger, damit sie den Dirigenten sehn und Monitore, auf denen die Chordirigenten, die in den Seiten stehen, den Dirigenten sehen. Und Monitore für die Chorsänger, die die Chordirigenten nicht sehen. Die haben beleuchtete Dirigierstäbe, sie stehen ja im Dunklen. Na da ist ja was los hinter der Bühne. Ja, und dann, erzählt Max weiter,  gibt es Bühnenmusik, die spielt er ein, Orgel, Trompeten. Im dritten Aufzug fallen Schüsse, die löst er nach der Partitur aus.
Die Pause dauerte eine Stunde. Nun wieder hinter unsere Säule. Alles wedelte mit der blauen Karte sich Luft zu. Manche haben sogar Fächer mit, rücksichtslos, man bekommt den Schweiß und Parfümgeruch fremder Menschen zugewedelt.  Der Beginn verzögerte sich. Die atmenlose Stille löste sich grade wieder auf, da ging ein Scheinwerfer auf der Vorbühne an, ein Mann trat vor den Vorhang (schreckliche Aufgabe für den Abendspielleiter, der ich mal war). Es gäbe ein technisches Problem, das zu lösen fünf Minuten in Anspruch nehme. Bei der Gelegenheit lässt die Festivalleitung in Erinnerung rufen, dass dies eine Probe sei und daher aus Respekt vor den Künstlern von Missfallenskundgebungen abzusehen ist. Das merkwürdige Generalprobenpublikum lachte und klatschte an dieser Stelle. Der arme Mann stürzte von der Bühne. Was für ein arrogantes Pack. Fast hätte es ihm den Rest des Abends gekostet. Max erzählte später, dass die Wagnerdamen sehr nervös waren und bereits überlegten, den dritten Aufzug für das Publikum zu sperren. Am Vortag in der Generalprobe „Siegfried“ hätte es Buhrufe gegeben,  allerdings erst am Ende des 3. Aufzuges, wo es nichts mehr zu sperren gab.
Lohengrin ging weiter.  Friedrich war der Unterlegene im Kampf mit Lohengrin, er hatte auf den Thron spekuliert. Lohengrin schenkte ihm das Leben zur „Reu“, also wollte Friedrich mit seiner Frau gehen: „Erhebe dich, Genossin meiner Schmach.“ Aber seine Frau, die Ortrud, dachte nicht daran, und quatscht und quatscht, singt und singt. Bis er nachgab und blieb. Die Szene spielte sich rechts ab, wo ich nur ein Siebentel der Bühne einsehen konnte. Dieses Siebentel war zur unteren Hälfte von einer Designerhandtasche verstellt, die auf der Brüstung stand. Wenn ich Glück hatte, erwischte ich Ortrud zwischen den Henkeln. Die rechts neben mir sah mich an, obwohl sie noch mehr betroffen war, würde sie wohl nicht handeln. Die Besitzerin der Tasche saß zwei Reihen vor uns. Mein Arm war nicht lang genug. Also tippte ich den Mann vor uns an und flüsterte den nicht kurzen Satz: KönnensiederFrauvorIhnensagendasssiebittedieTascherunternehmensoll. Er verstand und tippte die Frau vor sich an. Die erschrak fürchterlich, hätte noch gefehlt, dass sie vor Schreck die Tasche von der Brüstung gefegt hätte. Meine Nachbarin zeigte mir den Super-Daumen.
Keine Ahnung, was die beiden Frauen solange gesungen haben. Ortrud hat sich bei Elsa eingeschleimt. In der nächsten Szene wechselte  aber Ortrud den Ton und stieß Elsa von der Treppe des Münsters. Die Konkurrentinnen schwebten in einem schwarzen (Ortrud) und in einem weißen (Elsa) Kriolinenkleid aus Schwanenfedern über den Boden. Zwei Schwäne, von Chordamen in bonbonfarbenen Kleidchen umringt, am Steiß der bunten Mädchenfrauen steckten die ekligen Rattenschwänze. Ein Kaleidoskop von hier oben aus.Ortrud hat es geschafft. Elsa wand sich vor Zweifel.   
In dieser Pause leisteten wir uns eine kleine Bottel Wein 0,2 Liter zu 9,80 und Würstchen zu je 4,80. Maxens Chef kam vorbei, in Hemd und Schlips. Sowas solltest du anziehen, wenn du nächstens zu Honorargesprächen musst, sagte ich Max. Jaja, daran hat er auch schon gedacht.  Äh, sag mal, das Motiv von Lohengrin, hat das Tschaikowski in Schwanensee aufgegriffen? Ne, das glaub ich nicht, sagt Max, Tschaikowski konnte doch Wagner nicht leiden. Na, ich sing in Gedanken immer bei „Nie sollst du mich befragen“ Schwanensee weiter. Jetzt hörst du meine Schüsse, kündigte Max an. Im dritten Aufzug. Links hinter mir war ein Platz frei, da war die Sicht sicher besser. Aber das Licht ging aus, bevor ich mich entschieden hatte, über den Holzklappsitz zu klettern.
Nun ging das Theater zwischen Lohengrin und Elsa los. Sie wollte es jetzt wissen und ließ nicht locker, vor Qual sich windend. Ich fand, sie wand sich zu viel. Als wüsste sie schon, wie es ausgeht. Ihr fehlte die Naivität, ach, sag mir doch, wer du bist, nur mir, dann geht das doch, das bist du mir schuldig usw. Sie kamen nicht ins züchtige Ehebett, das plötzlich auseinanderfuhr und ein Nachen-Sarg stieg daraus empor, der Schwan, der Schwan! schreit Elsa, obwohl kein Schwan zu sehen war. Die Symbolik fing an, mir auf die Nerven zu gehen. Bevor Lohengrin seine Gralserzählung singt, erschien im Hintergrund ein Fragezeichen, danach ein Ausrufezeichen. Was denkt der Neuenfels von seinem Publikum? Er zeigte ein paarmal, dass er da war. Black, brüllte er einmal, Black. Ein andermal klatschte er ungeduldig in die Hände. Oben auf der Galerie raunte es, ein Verrückter? Ich dachte an das Regiepult in der siebenten Reihe. Zehn Jahre hatte ich an verschiedenen Theatern als Assistentin dahinter gesessen, die hilflosen Zischeleien der Regisseure notiert, wohl wissend, dass dies die Schauspieler so kurz vor der Premiere in der Regel nicht mehr zu hören bekamen, nur die Technik wurde bis zum Schluss zusammengeschissen. Die kriegen das ab, was man den Künstlern vor der Premiere nicht mehr sagen kann. Oft zeigt sich in der Generalprobe das Versagen des Regisseurs oder er erkennt da, viel zu spät, Fehlbesetzungen. Einmal warf sich mein Regisseur zwischen die Reihen, hieb mit den Fäusten auf den Boden und greinte: unbegabt, total unbegabt. Um wenige Minuten später die Unbegabte zu küssen und ihr das Händchen zu halten, damit sie die Premiere einigermaßen hinlegt.
In der Schluss-Szene hatte Elsa ein merkwürdiges Kostüm an. Sie sah in ihrer dreiviertellangen weißen Sommerhose und der schlabbrigen fliederfarbenen Jacke wie eine underdresste Zuschauerin aus. Ich überlegte noch, ob das eine besonders pfiffige Idee des Regisseurs sein soll: heutig sein, nah ranholen? Später las ich im Wagnerforum, wo sich die User Gottfried, Siegfried oder Barbarossa nennen, dass Elsa vor dem letzten Auftritt von einem Requisit aus Parzial auf dem Kopf getroffen wurde, bewusstlos war, und das Double irgendwoher gezaubert wurde, wohl aus der Kantine. Dann hieß es, ein Spiegel lag auf Elsas Spind und als sie die Tür öffnete, sei er ihr auf den Kopf gefallen. Man fragt sich, wie eng und unordentlich die Künstlergardroben der Solisten im Festspielhaus sind. Die Überlegung, wegen des Vorfalls die Probe abzubrechen, soll es gar nicht gegeben haben, die beiden Wagnerdamen seien rechts und links aus dem Zuschauerraum gespritzt. Das haben wir dort oben alles nicht mitbekommen. Ich erinnere mich an eine kleine Verzögerung bei Beginn dieser letzten Szene. Dann das Klatschen von Neuenfels, hatte er schon über die Sprechanlage von dem Vorfall gehört? Die Darsteller auf der Bühne machten nach einer kurzen Irritation weiter.  „Seht Elsa naht, die Tugendreiche“ sangen die Brabanter. Und dann erschien das Double im Underdress-Schlabberlook. Hätte sie DAS gewusst, sie hätte etwas anderes angezogen. Und was haben die Darsteller auf der Bühne gedacht? Kamen sie überhaupt zum Denken, sie mussten ja weiter singen, was dachte der Dirigent beim Weiterdirigieren? Wo isse denn?
Zum Schluss nahm die Symbolik überhand. Der Schwan kam im sargähnlichen Nachen, darauf ein mit einem schwarzen Tuch überzogener Überbau, ein riesiges Ei, wie sich nach Abziehen des Tuches herausstellte und in dem Ei, Wunder über Wunder, der verschollene  Thronfolger Gottfried als Embryo. Er zerrupfte mit ein paar Plopps seine an das Abflussrohr einer Waschmaschine erinnernde Nabelschnur und warf die Stücke unter die Brabanter. Lohengrin empfahl den Herzog von Brabant als ihren Schützer, nicht Führer, wie Wagner geschrieben hatte. Neuenfels hat Hitlers Lieblingsoper geschüttelt und gerührt, aber nicht entstellt,  auch wenn das Hardliner-Wagnerforum seit dieser Woche lieber CDs hört, als ins Theater zu gehen (erst mal Karten kriegen!) und das Feuilleton meinte, der Regisseur habe im Suff Mäuse gesehen oder sein Denkansatz sei, an Wagner gemessen, zu klein…
 
Am nächsten Tag fuhr ich Max vom Roten Hügel, wo er wohnte, zum Grünen Hügel zur Götterdämmerung, bei der er donnern musste. Als ich ihn verabschiedete, entdeckte ich einen Kiosk mit Wagnerdevotionalien. Ist doch bald Weihnachten, dachte ich und kaufte:
Ein T-Shirt mit der Aufschrift: Nun sei bedankt, mein lieber Schwan, Größe M für 9,95. Ein Guckkästchen Festspielhaus Bayreuth mit Umschlag zum Verschicken für 4 Euro. Einen Adventskalender Festspielhaus, hinter den Fenstern sollen Wagnerfiguren sein, für 5 Euro. Und ein paar schöne Karten, darunter eine mit der goldenen Aufschrift: Erhebe dich, Genossin meiner Schmach. Im Auto bei der Rückfahrt überlegte ich, wem ich die schicken soll…

Originalbeitrag