aufgelesen [36] »Texte zu Flucht & Vertreibung«
Třísov (Südböhmen), 2017
Aufenthaltserlaubnis
Sockenfuß
nicht einmal nachts
halbtags halblichts
in einer zauderstunde
tat er türen auf
in eurem wohl
riechenden haus
akzentfrei
schlich er sich ein
hörte euch kindermachen
lächelte lauschte stieg
treppauf treppauf
diebisch angelangt
in einer diele
mit übersetzbar gurrenden tauben
Aus Jiří Grušas Gedichtband »Der Babylonwald«, der 1991 in der DVA erschienen ist; mit einem Nachwort von Sarah Kirsch: »Gruša kam nach Babylon und musste in die andere Sprache rein. Es hat ihn fast übern Weltrand geblasen. Neu geboren musste er werden.«
Zunächst wurde Jiří Gruša 1938 im tschechoslowakischen Pardubice geboren, studierte und promovierte später an der Universität Prag. Wie viele andere Schriftsteller*innen beteiligte er sich aktiv am »Prager Frühling« und wurde wenig später – nach der Niederschlagung der Revolution – mit Berufsverbot belegt. Mit Unterzeichnung der »Charta 77« schließlich musste Jiří Gruša das Land verlassen: Über Toronto, wo etliche seiner Bücher vorab erschienen waren, emigrierte er nach Deutschland; nach 1989 wurde er zum tschechischen Botschafter in Deutschland ernannt, lange Jahre lebte Jiří Gruša in Bonn.
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