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aufgelesen [36] »Texte zu Flucht & Vertreibung«

Jiří Gruša • * 1938 Pardubice † 2011 Bad Oeynhausen

Třísov (Südböhmen), 2017

 

Aufenthaltserlaubnis

 

Sockenfuß

nicht einmal nachts

halbtags halblichts

in einer zauderstunde

tat er türen auf

in eurem wohl

riechenden haus

akzentfrei

schlich er sich ein

hörte euch kindermachen

lächelte lauschte stieg

treppauf treppauf

diebisch angelangt

in einer diele

mit übersetzbar gurrenden tauben

 

Aus Jiří Grušas Gedichtband »Der Babylonwald«, der 1991 in der DVA erschienen ist; mit einem Nachwort von Sarah Kirsch: »Gruša kam nach Babylon und musste in die andere Sprache rein. Es hat ihn fast übern Weltrand geblasen. Neu geboren musste er werden.«

Zunächst wurde Jiří Gruša 1938 im tschechoslowakischen Pardubice geboren, studierte und promovierte später an der Universität Prag. Wie viele andere Schriftsteller*innen beteiligte er sich aktiv am »Prager Frühling« und wurde wenig später – nach der Niederschlagung der Revolution – mit Berufsverbot belegt. Mit Unterzeichnung der »Charta 77« schließlich musste Jiří Gruša das Land verlassen: Über Toronto, wo etliche seiner Bücher vorab erschienen waren, emigrierte er nach Deutschland; nach 1989 wurde er zum tschechischen Botschafter in Deutschland ernannt, lange Jahre lebte Jiří Gruša in Bonn.

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