Verbotene Scherben
Der dritte Band einer Gedichtbandtrilogie Aleš Štegers, des slowenischen Weltbürgers, trägt den Titel Über dem Himmel unter der Erde, in der Edition Lyrikkabinett erschienen. Hierin lässt Šteger Gedichte globetrottend aus vielen Perspektiven berichten, wie es so ist, von Guadalajara bis Kyoto.
In Beijing
Ist alle Poesie
Vernebelt
Ja? Die anderen (krud-) theorielastigen Gedichte gehen genügsam konstruiert, ziemlich billigen Erkenntnisfragen nach, verpacken Allerweltsphilosopheme in maue Haikus oder christliches Vokabular (darin Mutter unser, bizarr überraschend) und Mythenwiederkau. Šteger schreibt dies:
Ein junger Dichter schaut krampfhaft auf all seine Wünsche.
Ein alter Dichter schaut erhaben auf das, was er schrieb.
Ein Dichter der mittleren Generation schreibt, er schaut nicht.
Ein bisschen mehr Schauen würde diesem Band wohlgetan haben, ein wenig Wirkbefragung und Selbstprovokation hätte womöglich anderes zu Tage fördern lassen und in Reihe schalten können, denn solch voreiliges Material. Aber der Band hat nichtsdestoweniger seine Momente, etwas ist dort, das über dieses gewohnheitsschreibende Selbstgenügen von Dichterexistenz letztlich hinausgeht: überraschende Einzelverse, frei und ohne Vorbehalt, und alle paar Seiten starke Einzelgedichte. Einige Zeilen neugeklebt:
Unser Spektrum / ist die Meeresenge [...]
Vater ist die Folge meiner Worte [...]
Ein halber Vogel kommt geflogen [...]
Dunkel schwillt Westen [...]
Vergeblich zu den schwarzen Bäuchen der Wolken [...]
Übersetzt man einen Körper in eine Idee,
Wird Einstein Tralala Ufftata.
Das Persönliche, mithin Menschliche, auch Humorige stellt Aleš Šteger über die Sprachausrichtung. Die Gedichte suchen einfache Wege, verwundern sich, bieten dem lyrischen Ich Trost durch Gegenüberstellungen, Herausnahmen oder ...but not for me's. Spannend sind die scheinbaren Selbstverständlichkeiten, wenn sie umgeleitet werden.
MENSCH UND WAHRHEIT
Zwischen Wahrheit und Mensch
Wähle ich Warten.Zwischen Warten und Mensch
Wähle ich Plastikblumen.Ich bin nicht dumm,
Weil ich genial sein möchte.Alles was ich will
Sind die steifen Penisse der Meteorologen.Mögen sie präzise Vorhersagen machen,
Das Abschlachten meines Isaaks verhindern.
WIDMUNG
Sohn,
Wenn du aufwachst,
Rennen die Pferde weiter
Durch deine Träume.
Man kann Šteger nicht vorwerfen, unaufmerksam zu sein. Gewiss ist, was er anfasst, scharf, im richtigen Maße vorgetragen. Doch es fehlt etwas an Ambition. Alles in allem uneinheitlich. Auch Übersetzer Matthias Göritz' wohlmeinendes Nachwort traut dem Band mehr zu, als da steht.
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