Ironische Verdrehungen der Gegebenheiten des Lebens
Wesentlich für Irena Habaliks Poesie ist das spielerische beziehungsweise ironische Element, zu dessen Symbol der Titel des Gedichtbandes wird. Die unkonventionelle Auflösung der gewohnten Sprachlogik und von ihr geordneten Zusammenhänge unterstreicht die Autorin durch die bewusst gestaltete Vermischung der Sprach- und Inhaltsebenen. Oft werden die Gegebenheiten des Lebens durch die Verdrehungen der Worte und Inhalte parodiert, durch kluge Wort - Spiele und seltsame poetische Figuren auf den Kopf gestellt. Die gängigen Sprichwörter werden umgestaltet in die paradoxen Aussagen. Die Gegenstände, Ereignisse und Zustände verselbständigen sich oft wie im Märchen, bekommen menschliche Charakterzüge (ein Handy auf einer Parkbank atmet schwer, S.5; die Angel trennte sich von der Tür ist also selbstständig geworden, S. 7), doch im zweiten Teil dieser Texte erfolgen die antiautoritären „philosophischen“ Rückschlüsse: „Wo werden wir jetzt stehen wenn nicht zwischen Tür und Angel?“
Irena Habalik ist Meisterin der feinen Ironie, was sie auch mit dem anthologischen Text „041“ beweist: „ein Hai und eine Kuh kurz Haiku genannt beschlossen zusammen zu bleiben und ewig Haikus zu produzieren“ (S. 15).
Der Gedichtband hat zwei Teile. Der erste Teil beinhaltet 81 kurze Texte in skurrilen Versen, die oft nur aus einem einzigen Wort bestehen. Der innere Zusammenhang der Aussagen wird durch die subjektive Genauigkeit der einzelnen Passagen hergestellt und oft durch den fast surrealen Kontrast, in dem diese Textteile zu dem jeweiligen Inhalt stehen, verdeutlicht. Die durch inhaltliche Unregelmäßigkeiten entstehenden Effekte sind aber in den einzelnen Gedichten von Irena Habalik wohl beabsichtigt, durchdacht und berechnet und haben einen ganz bestimmten Ausdruckwert.
Auch im zweiten Teil des Buches mit den einundzwanzig meist betitelten längeren Gedichten durchbricht die Dichterin immer wieder die vordergründige Alltäglichkeit und projiziert ihre ironischen Verdrehungen, die sie unter anderem mit den Namen der bekannten Poeten und Großkritiker Benn, Trakl, Jandl, Droste, Heine und Reich – Ranicki garniert, auf die Bühne der menschlichen Schwächen und Belastungen. Sogar Liebe und Sex kommen nicht zu kurz und werden unter der Lupe der Ironie vergrößert und mit provozierenden Versen entblößt (die besoffenen Finger spazieren von den Kniekelchen bis zu den Schamlippen… - S. 16; …ich bohre jetzt unten wie vorhin dort oben, stoße an Grenzgebiete, Hindernisse und so weiter, ich finde nichts…Wo hast du das Liebeswort versteckt? - Versteckspiel, S. 64; … ich sauge an den kleinen Zehen, will ihnen ein Geheimnis entlocken, das Geheimnis der Macht, der mir die Angst einjagt… - Er betet ihre Füße an, S. 65).
Wenn man sich in diese gewitzten Wort – und Weltspiele vertieft, wirken sie wie ein manchmal frivoles humoristisches philosophisches Kompendium. Die Schwächen der Menschen und der Gesellschaft werden verdeutlicht und entlarvt, doch hinter allen Metaphern, Aussagen, Beschreibungen und Feststellungen bleibt die letztlich nicht zu fassende Rätselhaftigkeit der menschlichen Existenz.
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