Just like Yours
Die Schöfflinger haben den Frühling für den Titel rausgepickt: dabei hat Julia Trompeter in ihrem dritten Buch für Schöffling (der Roman ‚Die Mittlerin‘ erschien 2014, der Gedichtband ‚Zum Begreifen Nah‘ 2016) ein Buch über ein volles Jahr in Utrecht geschrieben, das vierteilig sauber austariert alle Jahreszeiten durchevaluiert. Und mit dem schwierigsten beginnt, dem Herfst.
Oder sollte man verkosten sagen? Das Buch nimmt die niederländische Sprache, aber genauso das Wetter, die Menschen die Landschaften auf die Zunge und schmeckt ihnen nach, nicht als Gast, sondern als jemand, der von Anfang an mit dem Gedanken gespielt hat, zu bleiben, die Fremde zur Heimat zu machen. Und das ist ein fundamentaler Unterschied.
Die Klara, Protagonistin, was für ein hässliches Wort: hat eine Beziehung hinter sich, über die sie sich im Lauf des Buches, immer klarer zu werden sucht, diesen Klopfer muss die Autorin bei dieser Namenswahl schon aushalten. Bärlin, das hat sie hinter sich gelassen, wo die Zottelmänner wohnen, sich in Kneipen im Pelz fläzen und ihn, wenn’s die Dame mitmacht: gern auch zuhause kraulen lassen. Der Hauke-Ex, Kneipenwirt, wabert am Horizont Klaras, tritt nie wirklich ein, wenn Klara auch seine Haarlosen Wiedergänger-Gespenster bald durch Utrecht spazieren zu gehen glaubt.
Der Roman kommt also, mann ahnt es und frau weiß es schon viel länger, in den Kleidern einer tagebuchartigen Biographie daher. Und wenn ein Buchhändler, nach einem Cartoon im New Yorker, seine Romane wie Biographien in die drei kundenfreundlich beschrifteten Regale ‚much worse‘, ‚just like yours‘ und ‚way better‘ einsortiert hätte, wäre die Mitte für dieses Buch sicherlich der richtige Platz.
Ein Beziehungsroman, sozusagen. Weil Beziehungen nämlich nur noch selten einen Roman machen. Weil die Ereignisse und Krisen, die so ein Pärchen zu bestehen hofft, unter Wohlerzogenen gar nicht stattfinden, so bleibt die Not, die Sehnsucht nach diesen Krisen nach einer Trennung oder gar, wie in Klaras Fall, nach der Flucht aus der Beziehung an den Hacken kleben, und das ist, kurz gesagt, das Thema des Buches.
Trompeter hat sich eine Klara gebaut, die keine Angst vor Klischees hat, eine Figur, die, wenn ihr danach ist, den Weihnachtsbaum mit dem Blech alter Tanten schmückt. Die schön findet, was sie eben schön finden mag und auch schreibt, wie sich für die nackten Füße die Sandschichten unter der Oberfläche anfühlen, kühler nämlich.
Sie hat vieles studiert, so vieles, dass man ihr das wilde Berliner Kneipiers-Leben gar nicht ganz abnehmen mag: aber das ist nicht wichtig. Dass der Ex irgendwie ein Widerling war, wer kennt das nicht, dieses leichte oder stärkere Grausen vor der eigenen Geschichte?
Klara bäckt als Broterwerb Apfelkuchen in einem Utrechter Café, verliebt sich in einen knackärschigen holländischen Jung-Faust mit theologischer Lockenfrisur. Der zugehörige Pudel entpuppt sich als alterssanfter, eher kernloser Basset, der bald ins Tierheim entsorgt wird, als der Jungspund nach dem ersten Knatsch nach Israel in den Kibbuz entfleucht ist.
So bleibt die Klara mit ihrer Zukunft hart am hadern, reflektiert vor sich hin, wie das die gebildeten Schichten so tun, ach, vielleicht reflektiert sie auch an sich vorbei? Umkreist per Fietse das nicht ausgesprochene ‚das kann’s doch nicht gewesen sein‘ in immer enger verwuschelten Kreisen, bis sie der Krise, die sich freiwillig nicht so recht einstellen will, etwas auf die Sprünge hilft, um die Knoten im Lebensfaden auseinander zu hacken.
Das Buch ist damit nicht zu Ende, es dauert noch etwas, bis die niederländische Variante des Laissez-faire sich in Klara niedergelassen hat. Ein Buch, das stark von dem Understatement lebt, in dem Klara sich präsentiert. Trompeter hält genügend Unausgesprochenes im Hintergrund und hat einen Roman vorgelegt, der durch die Parallelführung von hohem Reflexionsniveau und unerschrockenem Griff in die Regale für die Grundnahrungsstoffe eines Gefühlshaushalts beeindruckt.
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