Serotonin und Uncreative Writing
Während alles vom Originellen und Kreativen spricht, schon darin repetitiv, schreibt Kenneth Goldsmith vom Unkreativen: von Techniken des Schreibens, des Lesens, des Sprachmanagements, wie er es nennt, was auch sonst, wenn Textproduktion lehrbar sein soll, wie jeder, der dies je unterrichtete, bestätigen kann. Darin zeigt sich dann eben das „»Unoriginalgenie[s]«”, das auch ein Originalgenie zumindest anfangs wäre, wenn es das denn geben sollte.
Statt einer Attitüde geht es dabei um das Intervenieren, Stören (wie Sokrates) – oder einfach Verstehen dessen, was, wer schreibt, tut. Etwa, zu wissen, was seit Goethe geahnt wird, daß alles nämlich schon gesagt sein mag, aber vielleicht falsch oder am falschen Orte, in jener schon damals und erst recht für Goldsmith „nie dagewesenen Masse an verfügbarem Text”...
„Einflussrausch” also: Wer sich da wohlfühle, sei – auch – einer der „Sprachmessies”, zu denen wir alle zählen, wofern wir Literatur lesen und mehren. Und die Einflüsse sind überall, dazu werden html- und jpg-Codes angezeigt, allerlei Hintergründiges, das etwa rhythmisch ist, bis hin zum Layout, wobei angesichts des Hohelieds auf „serifenlose Typen” gegen das Pathos beziehungsweise den „emotionale(n) Hitzegrad” amüsant ist, daß das Buch in Serifenschrift gedruckt vorliegt. Da geht es von Pound zu Benjamin, der eine noch durch seinen „Zwirn [...] zusammengehalten(e)” Texte schreibend, der andere qua Selektion gerade noch präsent, und immer weiter, bis zum Abtippen als close reading, woraus Schreiben neben dem Schreiben (Abtippen) sich generiert; man bemerkt so etwa „Kerouacs Hang, Bindestriche im Text zu verwenden, um [...] die Geschichte im Fluss zu halten und Parallelen zu den Linien der Autobahn zu ziehen.”
All das, was ihm so zum „Überschusstext” einfällt, ist durchaus lesenswert, von der Klassik zum „Flarf-Gedicht” über Einhörner und Hitler, aber all das präsentiert Goldsmith mit einer manchmal schon ins (unfreiwillig..?) ins Komische abgleitenden Eitelkeit, schreibt etwa von einem dieser Vorträge „an einer Ivy-League-Universität”, klar, wo sonst, aber welche noch gleich, wenn man als Referent dauernd exklusivste Adressen bereist, dort ein „bekannter [...] Dichter”, einer von diesen vielen, siehe Ivy League, er fragt dann, aber „Fragen [...], die ich bereits oft gehört hatte” ... ich weiß es nicht, aber ich vermute, Goldsmith enthält prozentuell mehr Serotonin als jede Walnuß...
Wen das nicht stört, wie manchmal das Weitschweifige, das mit dem leicht Manischen zusammenhängen könnte, der bekommt hier allerdings viel geboten.
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