»blöd gesagt: eine ordnung«
Es sollte dokumentiert werden,
wenn die meisten geeignete Ergebnisse nur von
wirklich begann sich zu blockieren,
die all das Unternehmen
für das Licht
der Sonneauf dem neuesten Stand
Modell eines PunktesTransformation auf der schmutzigen, noch grundlegendere
Frage, über die gesprochen sollten
offen sein werden,
die meisten definitiv durch Qualitäten,wie dieser Ansatz
ein unverzichtbares Element der rein natürlichen Räumen.
Nein, das ist keine Sprachmaterialschlachtlyrik. Sondern ein in Zeilen gebrochener Online-Fund, aufgespürt dank spezieller Suchmaschinen, die das Social Web nach bestimmten Stichwörtern – Markennamen insbesondere – durchsuchen. Sie stoßen auf massig Blogs mit URLs wie jenny32547698.blogspot.com, in welchen ganz ähnliche Texte stehen, in die wiederum willkürlich Markennamen eingesetzt sind. Diese Blogs sind nicht dazu gedacht, gefunden zu werden. Sie bilden eine Art Parallelblogosphäre im Internet, die – anders als die reguläre Blogosphäre – niemals aufgerufen und gelesen werden soll. Es handelt sich um textliche Auswüchse einer riesigen Search Engine Optimisation-Strategie: Firmen fluten das Netz mit ihrem eigenen Namen, der so von den Algorithmen als relevanter eingestuft wird. Der semantische Wert eines Begriffs wird allein durch seine Häufigkeit im Hypertext bestimmt. Auf diesen Blogs ist also Reklame zu lesen, die niemand liest und die doch wirkt. Dabei sind die per automatischer Übersetzung aus unbekannten Sprachen – chinesische Märchen sind wohl sehr beliebt – ein Fundus von überraschendem, gar nicht so gemeintem Wortwitz. »Hatte die Erfahrung, um die ästhetischen Zustand« zum Beispiel. Klingt das etwa nicht poetisch?
Diese so durch automatisierte Übersetzungs- und Publikationsprozesse entstehende Poesie der Spam-Blogs ist absolut. Sie kennt keine Autorschaft, nicht einmal eine Leserschaft oder einen Kontext. Obwohl sie intentionslos ist, verfolgt sie jedoch einen Zweck. Das unterscheidet sie von Spam-Mails, die mehr als Drittel des Gesamtmailverkehrs ausmacht und die damit ungeheure Mengen Speicherplatz für sich beanspruchen; die immer eine klassischen Sender-Empfänger-Struktur obliegen, die diskret sind und hinter denen eine klare definierte Intention stehen: Den Worten soll mit Geld begegnet werden. Manchmal funktioniert das, meistens aber nicht. Die Tragik von Spam-Mails liegt darin, dass sie aus dem Verkehr gefiltert werden. Spam-Poesie allerdings findet von Anfang an in der Diskretion statt, im Grunde sogar ist sie völlig ortlos – denn ohne spezielle Suchmaschinen lässt sie sich außer mit Umweg über die Algorithmen, mit denen sie intentionslos kommuniziert, gar nicht auffinden.
Lyrik gehört demzufolge zum Genre der Spam-Mail, selbst wenn sie flarfig sind. Das Urheberrecht, das in der autor- und publikumslosen Poesie der Spam-Blogs de facto keine Rolle spielen kann – weil sie sich zwar kapitalistischer Logik unterordnet, zugleich aber jenseits der kapitalistischen Aufmerksamkeitsökonomie stattfindet – ist zentrales Problem von Flarf-Lyrik. Von »semantischem Kapitalismus« sprach beispielsweise Christophe Bruno bereits vor Einführung des Leistungsschutzgesetzes im deutschen Internet. Jenes Leistungsschutzgesetzes, das Flarf-Lyrik eigentlich verunmöglichen sollte, weil es ihr das Material entzieht. Welches Material allerdings? » Material, das Google generiert bei der Sche nach ins Deutsche übersetzten, kontrastiv kombinieren Kapitel-Überschriften aus Rem Koohlhaas‘ ‚Delirious New York: A Retroactive Manifesto of Manhattan‘«, beschreibt Alexander Gumz die dogmatische Flarf-Vorgangsweise seiner Verschwörungscartoons, die vom Verlag parasitenpresse ironischer Weise auf Papier gedruckt und als Büchlein verkauft werden. Das ist vielleicht nicht in dem Sinne kapitalistisch, als dass es wirklich viel Geld einbrächte, in einem anderen allerdings schon: Gumz‘ Name steht auf dem Umschlag eines Buches, das nur aus arrangiertem Sprachmaterial besteht, das durch die urheberrechtlich geschützten Worte eines anderen generiert wurde. Wäre das eigentlich schon Anlass genug für eine Unterlassungsklage?
Die als poèmes en prose gehaltenen Verschwörungscartoons wurden widersinniger Weise in New York geschrieben und befassen über drei Ecken (Koohlhaas, Google, Gumz) mit genau dieser Stadt. »sie befinden sich ecke 50th street und 5th avenue, da muss es gleich los gehen«, kündigt die erste Zeile des ersten Textes an, für den Gumz theoretisch – weshalb das Ganze ja so widersinnig ist – nie die Wahlheimat Berlin hätte verlassen müssen. Genau diese absurde Widersprüchlichkeit macht Verschwörungscartoons aber wieder spannend, denn im Genre des Flarfs, einer Untergattung des Genres der Spam-Mail, wird die Auseinandersetzung mit konkreten Orten an eben jenen konkreten Orten zum poetologischen Politikum. Dessen Ziel wird kurz angedeutet: »in ruckndm anfahrn« donnern die Verschwörungscartoons mit Thomas Kling-Sound gegen in dessen »Manhattan Mundraum«, der die Stadterfahrung noch durch die Körperlichkeit von Auge und Mund kanalisierte. Das fällt bei Gumz, Google und Koolhaas weg, übrig bleibt »blöd gesagt: eine ordnung«, wie es an einer Stelle des schmalen Bändchens heißt. Es ist diejenige Ordnung, die Kling noch nicht antizipieren konnte, eine Ordnung nämlich, in der die »gewalt der zeichen« nicht mehr auf Körper und Ich einwirken. »das gebäude selbst weiß, wer ich bin« verkommt dann zur Hohlphrase, denn so smart unsere homes – ob in New York oder woanders – sein mögen, sie haben keine definitorische Gewalt mehr über die sich in ihnen bewegenden Menschen. War Gumz jemals in der Knitting Factory, die an einer Stelle erwähnt wird? Nie war das egaler als im Jahr 2016 – denn schließlich könnte er den Brooklyner Live-Club genauso gut, nur eben mit anderen Erfahrungswerten bei Google abforschen.
Die Stadterfahrung wird zur Spam-Blog-Poesie, die Intentionen verwischen darüber. »marxistische link umständehalber abzugeben«, hießt es hier, »abschaffung des patriarchats, wiedereinführung des patriarchats« dort. Selbstvergessener Humor, pointierte Kritik oder beides? Von Occupy ist die Rede und von Sklaverei, allein brisant ist das keinesfalls: Die Autorkette Koolhaas-Google-Gumz schlingt sich um sich selbst, anstatt auf einen politischen Fluchtpunkt hinzulaufen. Ist das zynisch? Vielleicht. Unkommunikativ? Möglicherweise. Ganz sicher allerdings ist es ähnlich unterhaltsam zu lesen wie die Poesie der Spam-Blogs und in seiner grundlegenden Produktionsstruktur gegen Authentizitätsdogmen positioniert. Wobei positionieren nicht das richtige Wort ist, denn die diskrete Kommunikation bleibt immer noch der Tragik der Spam-Mails vorbehalten. Gumz hingegen »hatte die Erfahrung, um die ästhetischen Zustand« allein und poetisiert das auf eine nahezu absolute Weise. Im Grunde nämlich steuern seine treffend betitelten Verschwörungscartoons heimlich auf die Abschaffung ihres Autors wie auch ihrer Leserschaft ab. Was überbleibt, ist New York, so widersinnig das auch ist.
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Kommentare
ein Text ist ein Text ist ein Text
Wie flarf ist flarf? Eine Methode, eine Art, den Stift zu halten, vielleicht kopfüber? Nicht unbedingt. Die Texte haben Kontext, sie umkreisen sich und einnistet sich ein poetischer Funke. Braucht es mehr? Ist es wichtig, ob die Materialien aus Traum-Notaten, aus eingestürzten Lektürebrücken, aus der ausgewrungenen Dichterseelensubstanz oder sonst woher stammen? Ich finde, man kann bei Gumzens Texten Flarf gern vergessen (hätte dann vermutlich beizufügen, dass nichts ausser der Droge Sprache eingenommen war), sie haben Biss, funkeln vor Sprachwitz und von den traurigen News aus Absurdistan, die uns täglich fluten und funkeln in der Art, wie sie fluten. Ich fand das Büchlein ziemlich genial und mit der abgewognen Dosis Irrwitz sehr feinsinnig und sorgfältig abgemischt, die gute Dichtung braucht.
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