Contemplatije
Bei belgischen Dichterinnen fällt vielen Els Moors als Erstes ein, ein 76 er Gewächs, schreibt auf Niederländisch und studierte in Gent. Der Name taucht auch in der Vorgängerliste zu Ruth Lasters Preisen auf, vor allem beim Herman de Coninckpreis (von Fachleuten auch Coninckprijs genannt), den Moors 2006 gewann und die 1979 in Antwerpen geborene Lasters 2016 erhielt. Dennoch, Unterschiede existieren, während die deutsche Wikipedia bei Ersterer unter anderem vom Brüterich zu murmeln beginnt, erhält man bei der Suche nach Zweiterer den Hinweis, dass Freunnd Happen am 19. Juli 1660 von Bürgermeister und Rat der Stadt Rüthen wegen des Verdachts des Lasters der Zauberei gefangen genommen wurde.
Schon schlug die Genderfalle wieder zu und Ruth Lasters muss sich nicht nur gegen Konkurrentinnen behaupten, sondern auch noch gegen einen Mann, noch dazu einen zähen Knochen oder Happen von Mann, dessen Story von männlicher Standhaftigkeit und Schweigsamkeit unter Folter laut Abrufstatistik von Wikipedia keinen angemessenen Widerhall mehr findet, darin findet er sich manchem männlichen Lyriker und Verleger gleich gestellt, die ja allerdings auch ohne Folter zum Reden gebracht werden können.
Nun ja, Lasters erledigt diese Aufgabe mit Bravour, die Auseinandersetzung mit dem männlichen Geschlecht gehört zu den großen Stärken dieses schmächtigen Bändchens – selten wird trotz unverkennbar weiblicher Emotion und Empathie so souverän die Klippenlandschaft der ‚Hingabe‘ und ähnlicher Stereotypen umschifft. Das beginnt bei den allerersten Worten des Buchs mit dem Spott über den ‚Alles-Wird-Gut-Mann‘, der täglich aufgezogen werden muss (sonst droht die Arbeitspflicht am Alles-Wird-Besser-Mann) und endet nicht bei der Reihung der vergangenen Liebhaber in der Lang-Badewanne, wo jeder dem Vorgänger den Rücken zu waschen hat, ein Bild von Bosch’scher (ich schreib das jetzt einfach mal so, Lasters ist Französisch-Lehrerin von Beruf, wird’s schon korrigieren) Dimension.
Lasters Texte klingen nach Spiel, das fällt den Klappentextern, Laudatoren (da gab’s ja vor dem Coninckprijs voor Lichtmeters noch den Vlaamse Debuutprijs voor Poolijs, oder den Brakke Hond-prijs van De Brakke Hond voor Poolijs und den Debuutprijs voor Het Liegend Konijn) verlässlich ein, ein Hang ins Surreale, das mich das Büchlein im Regal neben ‚Hund und Mond‘ von Matthew Sweeney stellen ließe, wenn nicht die Kölner parasitenbände ihre Verwandtschaftsrechte durchsetzen.
Land
Ob man „zusammen“ sparen kann. Ob wir, durch inniges gemeinsames Erleben
den anderen dereinst behüten können vor dem Einzel-Paternoster zwischen den unterirdischenEtagen. Sag zweimal „selbstverständlich“ und lege deinen Kopf dann auf
meinen Po, eher beiläufig, denn Augenblicke wie dieser voll wilder Milzkehren häufiger wieder als dass sie ausblieben, bis auf die Porenanschläge
identisch. (...)
Von mir aus Spiel – wobei das sich-davontragen-lassen, wie es dem Spieler geschieht, nur die eine, mir weniger wichtig erscheinende Seite der Sache ist. Die andere, ich nenne sie mal fachmännisch Contemplatije, hat mehr mit dem Stehen-Bleiben bei der Sache zu tun, mit dem Herbei-Eilen fremder Dinge um das eine Eingedachte Ding – und das scheint mir Lasters Ansatz besser zu beschreiben.
Leider ist das Büchlein nur 50 Seiten dick, Teile aus Lasters 2015 erschienenem „Lichtmesser“ sind ergänzt um 10 bisher nur in Zeitschriften verstreut gedruckte Texte, wie gewohnt souverän übertragen von Stefan Wieczorek.
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