Listen überlisten
Ann Cotten ist eine der originellsten Stimmen der Gegenwart. Und damit ist nicht eine Attitüde gemeint, vielmehr ergibt sich das Originelle aus Reflexion und dem dann nötigen Experiment, trägt doch, was ist = sein soll, nicht recht: Originalität also als Kritik, etwa an einer sich zu Tode inventarisierenden Welt, worin es zu allem Listen gibt. Diese aber fallen in einer Art Dialektik der Aufklärung der Theorie wie auch Dichtung zurecht zum Opfer, so in Nach der Welt, wobei schon der Titel vielsagend ist. Nach der Welt die Welten, vielleicht, etwas jedenfalls, woran die „arbiträre[n] Autorität” sich ablesen ließe? – oder nicht mehr besteht..?
Dem geht Ann Cotten in ihrer Abhandlung auf den Grund, die auf ihrer Diplomarbeit basiert, von Wendelin Schmidt-Dengler betreut, der hier das Nachwort verfaßte. Die Liste inventarisiere das Sein – eine Topologie, die naiv werdend einäugig agiert: wie Polyphem also; doch eine Liste kann (und müßte) offenbar durchdacht/entwickelt sein, Liste und Problem. Als beides kann sie, wie Cotten zeigt, Dichtung werden, wobei sie von sich, die als „gute Dichtung […] Erkenntnis ist”, erzählt: nicht anders als (sich) auflistend… Sie zeigt, was ist:
„Der Sinn einer Liste überhaupt bestehe zu einem substantiellen Teil in ihrer angenommenen Eigenschaftslosigkeit und den damit assoziierten Qualitäten Neutralität und Universalität.”
Sie zeigt, was sie ist: angenommene Eigenschaftslosigkeit ihres Blickens, wobei die rechte Hierarchie der „postaufklärerische(n) Liste […] dokumentarischen Charakters” wäre... So ist die Liste am Ende „die Vielfalt von nichts”, aber sie bewegt, was noch nicht Liste sei, als Erzählung oder doch „Anti-Erzählung”, den Raum als „sinnrhythmisches Gebilde” heimsuchend. Raum? – „Umfang des Brillenrands”.
So „entsteht der Eindruck eines permanenten Exkurses”, monierte Carsten Schwedes1; was er als Einwand meint, ist die Qualität dieser feinen, gründlichen, aber auch poetischen Abhandlung: Cotten überlistet die Listen. Unbedingt zu empfehlen!
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