Lichtregie und Lako/nie
Ich stelle mir vor, wie der griechische Sonnengott Helios mit seinem von vier Hengsten gezogenen Sonnenwagen durch die Lüfte schwebte und es auf den Punkt bringen wollte. „Diesen Punkt auch glühend zu machen, ist mein Anliegen“, sagte Helios, in Gestalt von Klaus Merz, „und auch meine Passion.“ Der Wagen streifte dabei die Gegend südlich von Sparta, und herab fielen Feuerpunkte auf Lakonien, jene Landschaft, die der sprachlichen Form der bedeutenden Nüchternheit als Vorbild diente und deren verbrannte Erde von jeher ein Zeugnis kommender Klimawandel ablegte. Heute reist es sich weniger mühevoll, dafür weltumspannender mit heliostransport.com.
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Die Region, von der Merz zu berichten weiß – das Digital – liegt demnach in einer nicht mehr verborgenen Region Indonesiens.
Im Digital
Vom Neander- ins
Digital, der Weg führt
durch Schluchten und
Schlachten. Wer
den Feind zuerst erlegt
hat zwei Leben: Enter.
Die Hoffnung, nie aufzugeben in diesem einzigen und einzigartigen Leben, sie beschäftigt den einundsiebzigjährigen Schweizer Schriftsteller, der heute Abend in München den Rainer-Malkowski-Preis für sein Lebenswerk erhält. Was bleibt, wenn das Lebensende in noch nicht definierte Nähe rückt? Das Werk? Lebt der Autor in seinem Werk fort? Ja? Nein? Die Frage darf unbeantwortet bleiben. Werfen wir stattdessen einen Blick auf das folgende Gedicht, in dem das lyrische Ich mit Erstaunen dem Tod begegnet und ihn betrachtet, selbstbewusst, ohne falsche Scham und ohne Wut.
Lichtregie
Aha, der Tod:
Ich sehe ihn heller
seit ich ihm eine Kerze
auf seinen Scheitel stelle.
Merz, „ein Meister der Kürze“, seine Gedichte „minimalistisch“, denen gelingt, „mit einem Augenaufschlag die ganze Welt zu erfassen“ – Zitat, Würdigung, Schlagwort und Verknappung. Der Wortverknappung (und damit der poetischen Freiraumerweiterung) ein Werk lang treu geblieben zu sein, verlangt eine Haltung zum Leben, die der Versuchung widersteht, klären, erklären zu wollen. Helios, jene Lichtgestalt der griechischen Mythologie, könnte angesichts seiner Position in der Götterhierarchie durchaus Definitionen liefern, Regeln und Maßregelungen festlegen. Aber lieber reist er mit viel Leerraum, mit viel Textluft umher, immer auf der Suche nach dem finalen Satzzeichen, dem Punkt.
Ich überlege, ob ein lakonisches Gedicht auch wie folgt aussehen könnte:
Wenn
Wenn.
Eine Kürzestversion der Drohungen Philipps II. von Makedonien – „Wenn ich euch besiegt habe, werden eure Häuser brennen, eure Städte in Flammen stehen und eure Frauen zu Witwen werden.“ – und der die Siegesgewissheit zersetzenden Antwort der Spartaner – „Wenn“.
Gelingt es Merz in seinem neuesten Gedichtband, mit jedem einzelnen Lidschlag alles zu erfassen? Ich denke nicht. Das ist auch nicht leistbar. Ich freue mich aber über jene Gedichte, die diese Erwartung erfüllen, ja mit wenigen Worten meine Welt, alle unsere Welten im Übermaß bereichern.
Sturm
Heftige Winde
wühlen die Nacht auf.
Unsere Vorwände zittern.
Dreizeiler wie dieser nähern sich dem japanischen Haiku mit seiner Kunst der konkreten Naturbetrachtung.
Japanischer Garten
Die regengrauen Schleier
quer über den Himmel
sie verleihen den Steinen
ihren innigsten Glanz.
Bei Merz werden auch die großen Meister in Erinnerung gerufen.
Siebzig vorbei
Schön
so langsam
aus allen Kurven
getragen zu werden.Aber der Rettichzieher
wie Issa sagte
mit dem Rettich
weist er den Weg.
Selbst ein Meister in der Beobachtung des Moments, schreibt Merz über verschwommenes Gelände.
Terrain vague
Täglich neue Alpen-
auffaltungen am Horizont.
Man kann sich die Namen
der Gipfel nicht merken.
Schwer zu trennen auch
Gestein von Gewölk.Und beim Einnachten
ins talseitige Fenster
tritt ohne zu fragen
das eigene Gesicht.
Das sind großartige Wortfügungen, eine präzise Arbeit mit dem Sprachmaterial, das um Erinnerung und Vergessen kreist. Dabei das Eigene wahrzunehmen, ist der Mehrwert für die Unermesslichkeit, nie mit der Suche nach dem Sinn aufzuhören.
Andere Gedichte, wie beispielsweise „Eilige Taufe“ oder „Hollywood“ rufen bei mir jedoch keine Resonanzen hervor und bleiben seltsam leer auf der Seite stehen. So verschwommen der Blick auf die Hochalpen sein mag, erahnen wir doch die Existenz von Gipfeln und Tälern — das Auf und Ab, das wir bewältigen müssen, um unser Leben zu meistern.
Die Umschlaggestaltung und die Pinselzeichnungen zu den fünf Kapiteln des Buchs sind von Heinz Egger, der seit Jahren mit Klaus Merz zusammenarbeitet. Es macht Freude, dieses Buch in den Händen zu halten und die Arbeit eines um zwanzig Jahre älteren Lyrik-Kollegen endlich kennenzulernen.
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