Kritik

Die Behauptung eines Romans

Louis Begleys »Zeig dich, Mörder« ist Lebenszeitverschwendung
Hamburg

Ich mache jetzt etwas, das ich noch nie gemacht habe und das in meinem kleinen Schreibbüro auch eigentlich kategorisch untersagt ist: Ich verfasse einen Text zu einem Buch, das ich nicht zu Ende gelesen habe. Aber wenn ich weiterlese, bekomme ich Nervenkrebs, und das möchte ich gern vermeiden.

Das Buch, um das es geht, heißt »Zeig dich, Mörder« und stammt von Louis Begley. Kann doch nichts schiefgehen, habe ich gedacht, als ich es zur Rezension bestellt habe, der Autor von »Lügen in Zeiten des Krieges« und von – beispielsweise – »Ehrensachen«, das muß doch gut sein. Und das leicht flaue Gefühl angesichts des unsäglichen Titels (im Original nicht nennenswert besser: »Killer, come hither«) habe ich ignoriert. Großer Fehler.

Es geht um Jack Dana, erst US-Soldat, dann Autor. Sein Gönner und Vorbild ist sein Onkel Harry Dana, Anwalt. Harry vertritt einen zwielichtigen Geschäftsmann. Als Jack auf Reisen ist, wird Harry erhängt aufgefunden, Selbstmord, sagen alle, aber Jack glaubt nicht dran, und nun muß er ermitteln, wie es sich in Wahrheit verhält … und so weiter.

Die Geschichte ist nicht das Hauptproblem. Klar, schon durch den Titel weiß man, daß das mit dem Selbstmord Quatsch ist, und natürlich ist der Geschäftsmann schuld, aber es könnte ja trotz aller Durchsichtigkeit gut erzählt sein. Tja. Die Geschichte ist nicht gut erzählt.

Das erste Mal habe ich das Buch nach der Lektüre von Seite 28 entnervt sinken lassen. Da erklärt der junge Jack, er wolle sich (nach dem 11. September) freiwillig zur Armee melden und in den Krieg ziehen. Und Harry, eigentlich Kriegsgegner, mixt Martinis zur Feier des Tages. Hallo? Kann das mal jemand erklären?

Nö. Zumindest Mr Begley kann es nicht erklären. Was er stattdessen ständig erklären kann, ist, wie das Sein das Bewußtsein bestimmt. Es ist ohne Ende von Geld und seiner Vermehrung die Rede, von exquisiten Möbeln und teuren Häusern und Harrys Audi und Jacks Erfolg, von Bestsellern und Filmrechten und edlen Restaurants und Yachten. Es kommt einem zu den Ohren raus. Zwischenzeitlich beschlich mich das Gefühl, daß es Louis Begley vielleicht wie der alte Rembrandt gehalten hat, Assistenten für sich arbeiten lassen und deren Kram als den eigenen ausgeben. Das würde wenigstens ansatzweise das Holzschnittartige im Text erklären (wobei dieser Begriff eine glatte Beleidigung für alle Holzschneider ist, sorry). Die Strichmännchenfiguren. Die Vorabendseriendialoge. Ach was: Kein Vorabendserienredakteur würden seinen Autoren solche Dialoge durchgehen lassen.

Und dann kommt Kerry. Und da hört’s auf. Kerry war Harrys Mitarbeiterin, Jack verknallt sich in sie, und auf Seite 95 – es erforderte schon einige Leidensfähigkeit, bis dorthin zu kommen – steigen sie ins Bett. Daß die Szene so erotisch ausfällt wie die Abtauanleitung für einen Kühlschrank – geschenkt. Aber sie reden bis unmittelbar davor von Harrys Tod. Und gleich danach wieder. Und nachdem Jack einige Zeit später sogar einen Beweis für den Mord in Händen hält, eine Tonaufnahme der Tat, da geht er erst mit Kerry ins Bett und spielt ihr die Ausnahme hinterher vor, damit das Schäferstündchen nicht ihrer Trauer zum Opfer fällt. Dabei war es sein Onkel, oder? Und er trauert, oder?

Oder, oder. Nein, hier trauert niemand. Hier gibt es überhaupt keine Gefühle. Es gibt Behauptungen von Gefühlen. Und jede Menge Schablonen. Erwartbarkeiten. Unglaubwürdigkeiten. Und eine hilflose, traurig leblose Sprache. Der ganze Roman ist bloß die Behauptung eines Romans.

 Jedenfalls, soweit ich das beurteilen kann. Ich habe auf Seite 161 aufgegeben. Bißchen vorgeblättert noch, es kommt tatsächlich zu einem Mörder-Showdown, es gibt auch noch eine kleine Wendung, nun gut, blätter blätter, kein Happy-End, ach, wie traurig.

Nein: Traurig ist, daß offenbar niemand Mr Begley gesagt hat, daß er sich mit seinem Krimi-Versuch verhoben hat. Und daß man dann auch den deutschen Lesern (und Rezensenten) Lebenszeit damit stiehlt. Klare Empfehlung: Finger weg.

Louis Begley
Zeig dich, Mörder
Übersetzt von Christa Krüger
Suhrkamp
2015 · 302 Seiten · 19,95 Euro
ISBN:
978-3-518-42466-7

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