„Es spricht/ das Luberl”
Rosemarie Poiarkov hat einen Text vorgelegt, der sich raffiniert selbst erzählt: Ereignisse, Zufälliges, ... der rote Faden ergibt sich – und zwar durch diskursiv angerissene „Gedankennetze” wie das „Bild”, als wäre der Ehrgeiz der Autorin, so nebenbei Lessings Laokoon oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie medientheoretisch abzuhandeln.
Der Roman hat hierin wie in Beobachtungen viel Witz, die Wiener Peripherie erwacht in Details und Pointen gleichermaßen zu Leben, vor allem aber, was es heißt, heute (1.) Anfang 40 zu sein und (2.) zu denken.
„Die Alte Donau ist kein Fluss”, aber das Buch hat eben diesen, während DaF- und creative writing-Unterricht zueinander in Beziehung gesetzt werden, mit ironischen Dekonstruktionen solcher Binsenweisheiten wie dieser: „Jeder soll schreiben, was er will” – was einerseits zu Unlesbarem führt, den „Fehlern Raum geben” ist Unsinn; was andererseits aber bei Google ganz gut läuft...
Eine Handlung ergibt sich wie gesagt, als erzählte sich der Text selbst, anders formuliert, aber dann klingt es wie eine Manier: Gleich ihrer Protagonistin lässt sich Poiarkov „gerne in der Sprache treiben”, und zwar durchs praternahe Viertel, wo Ich-Erzählerin Luise (DaF-Trainerin, was sie mit der Autorin gemein hat) mit ihrem Freund, dem Tonarchivar Emil, lebt; man ist sich zuweilen zu nahe, aber Liebe ist’s doch. Luise ist auf dem Weg nach Mexiko, mit einem schönen Mäandern darüber, daß sie einst an Amerika nicht geglaubt habe, da lernt man schon das Erstaunen darüber kennen, das zu dürfen, und zugleich kritisch vermerkte Marginalisierung dessen, was ja in der Tat wichtig ist: Kultur, Sprache, das Übersetzen, kennen. Dort entdeckt sie eine Wachswalze mit der geheimnisvollen Aufschrift „Es spricht/ das Luberl” – samt Anschrift.
Die Recherche wird zur Handlung, das Abhören – die „Stimme [...] klar und deutlich” –, der Sog beginnt, nebenher: denn die Handlung bleibt wie ein Nebenprodukt, aber eines, das dann unvermittelt doch das Epizentrum ist. Nebenher geht es dennoch auch zum Beispiel um die Idee, sich selbst so zu bewahren. Derlei und oft Luises Neigung zum Dozieren werden dabei mit Selbstironie und zugleich eben einer planlos wirkenden, aber zugleich sehr exakten Architektur erzählt.
Freiheit – auch ein Thema. Die Freiheit der Grammatik („Und wie oft treffen sie sich? Schön reden. Einander.”) oder der Wörter, zum Beispiel: „Geräuschverkühlung”. Freiheit auch und vor allem sozial: Wie prekär kann man leben, wie unfrei muß man es, auch da wiederholt sich Kultur als das, was ein „(s)chlecht bezahlter Frauenberuf ohne Aufstiegschancen” ist. Erfahrung egal, Studium egal, Zertifikat vom AMS (Arbeitsmarktservice) nicht egal... Aber andererseits, was soll sich ändern? – „»Widerstand« riefen wir nur auf Demos, wenn das Wetter nicht zu schön war”, so heißt es, denn ist das Wetter fein, dann gehe man „lieber baden.”
Die Walze geht dann auch verloren, sie sei „plötzlich verschwunden”, aber Zuviel sei hiervon nicht verraten, zumal die Walze, die Spur, ja ein Bild dessen ist, worum es hier geht: Abdrücke, zufällig, aber abspielbar – lesbar – erzählbar – ... auch ohne Aussichten.
Ein schlaues Buch mit Drive.
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