Glamorama auf Persisch
Ein junger iranischer Galerist, der genauso heißt wie der Autor, kommt im Frühjahr 2002 aus Deutschland zurück nach Iran, um das Promessa wiederzueröffnen. Was in den Siebzigern eine glamouröse Cocktailbar unter Leitung seiner Tante Zsa Zsa war, soll nun zur Galerie umfunktioniert werden – zu einem Hort künstlerischer Absurditäten und einem Szenetreff der Teheraner Avantgarde. Ein rasantes, irres, respektloses Buch, das Bret Eston Ellis’ „Glamorama“ ins heutige Iran verlegt.
Der junge Ich-Erzähler ist Idealist. Oder hält sich dafür. Oder kokettiert mit dem Idealismus, der immer wieder mit den eigenen Unzulänglichkeiten kollidiert. Wenn der Leser nach etwa zwei Dritteln des schmalen Buches erfährt, dass der Protagonist den Namen des Autors trägt, kommt erstmal ein Titel wie „Biographie: Ein Spiel“ in den Sinn – aber auch wirklich nur der Titel. Von Max Frisch ist Zolghadr schon allein stilistisch so weit entfernt, wie es nur geht. Dann denkt man an Philip Roths „Operation Shylock“ und das immerwährende Spiel mit der Identität, bis man bei Michel Houellebecq landet, dessen Protagonisten grundsätzlich Michel heißen. Aber man kennt des Rätsels Lösung längst, des Pudels Kern heißt Bret Easton Ellis.
Aber nicht „Lunar Park“, sondern „Glamorama“, das neben unzähligen Anspielungen auch namentlich erwähnt wird. Es trieft aus jeder Pore dieses wahnsinnig guten Romans, wie sehr Zolghadr Ellis verehrt – so sehr, dass er bei ihm klaut, was er nur kann. Im Tarantino-Sprech: Hommage. Denn er klaut dermaßen gut, fügt dem Ganzen eine so unvergleichlich eigene Note, eigene Stimme bei, dass man, wie Christian Kracht es formulierte (der auch namentlich erwähnt wird), „dem jungen Schriftsteller Tirdad Zolghadr immer wieder mechanisch die Hand schütteln“ möchte „für diesen großartigen Roman“. Dem ist an sich kaum etwas hinzuzufügen.
Die sympathische Miesepetrigkeit, mit der der Protagonist sich neben seiner rotzig-launischen Tour De Force durch die Schickimicki-Szene der Bildenden Künste durch den Moloch Teheran hangelt, ist ein Hochgenuss. Zu erleben, wie er, wie ferngesteuert per E-Mail von seiner Freundin Stella, die das Projekt koordiniert, seine Malaisen durchlebt, die in einem Moment zu schallendem Lachen, im anderen zu einem ganz flauen Gefühl in der Magengegend anregen – etwa wenn die Newsweek-Kolumnistin San mutmaßlich dem Regime zum Opfer fällt, nachdem der Erzähler sich noch am Vorabend sternhagelvoll an sie rangeschmissen hat (ohne sich dabei ganz sicher zu sein, ob er sie eigentlich attraktiv findet).
Wenn er einem Bassidji eine DV-Kamera in die Hand drückt, damit dieser seinen Alltag dokumentiert, und er nicht etwa das Verkloppen von Oppositionellen filmt, sondern über die Liebe der Iraner zur Natur doziert; wenn herauskommt, dass der zwielichtige Mullah und Mäzen Tarofi, mit dem Tirdad sich hin und wieder trifft, selbst bis zum Hals in der Scheiße sitzt, oder wenn Tirdad und eine Freundin von der Miliz eingesackt werden, weil sie einen Blumenstand filmen – ausgerechnet vor dem Revolutionsgericht in der Shariati Avenue … dann bildet sich das heraus, was auch Ellis so auszeichnet: Die Fähigkeit, in der gnadenlos oberflächlichen Yuppie-Wahrnehmung alltäglich-banales ebenso rasch und gefühlskalt abzuhandeln wie die ständig präsenten Schrecken der Diktatur (die „immer ein paar Schritte hinterherhinkt“, hier bezogen aufs Kulturministerium Ershad).
Was Zolghadr aber vor allem gelungen ist – und was das Buch für den hiesigen Leser zusätzlich interessant machen dürfte – ist sein Einblick in ein Teheran, das so gar nichts zu tun hat mit dem einseitig-eindimensionalen Bild, das uns die Massenmedien tagtäglich aufzwingen, präsentiert von einem, der zwischen beiden Kulturen steht und diese Tatsache so unangestrengt und unprätentiös präsentiert wie kaum einer zuvor – vermutlich hätte Fereidoun M. Esfandiary diesen Roman geliebt.
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