Solidarisch im „Niedergang vereint”
Zu Ulrich Becks glänzendem Buch Die Welt der Metamorphose ist dreierlei zu wissen: (1) ist es teils ein Rekalibrieren seines Konzepts der Risikogesellschaft, dessen Termini er aber – zurecht – beibehält, (2) ist es aus dem Nachlaß und übersetzt, da das Manuskript noch nur auf Englisch vorlag, und (3) ist es – dennoch – ein Beitrag zur Gegenwart, der wichtig ist, und ferner so komplex, daß man das Buch kaum in einer Rezension würdigen kann.
Beck beschreibt die Welt als Nebeneinander von Gesellschaften, die entweder Kapital haben, oder bads = Risiken. Profitierte bis in die 80er Jahre die upper class von der Auslagerung von Risiken, seien es Produktionsstätten Ausbeutbarer, seien es profitable Krisenherde wie derzeit Syrien, seien es Kraftwerke und dergleichen an Peripherien, Becks Buch Risikogesellschaft erschien übrigens kurz vor dem Supergau von Tschernobyl, sind heute diese Lokal-Anarchien nicht gefahrlos „auf alle Zeit externalisierbar sind”, die „Logik der Reichtumsverteilung” wie jene der „Risikoverteilung” (so in Becks Risikogesellschaft) stimmt nicht mehr.
In Die Metamorphose der Welt formuliert Beck Risikogesellschaft dementsprechend prononciert als etwas, das sich wandeln müsse: „Kosmopolitische Risikogemeinschaften” müssen verstehen, daß, wer nun noch „nur lokal atmet”, „ersticken” werde, so sein plastisches Bild; wenn Katastrophen global wie das Kapital werden, das sie billigte, müssen diese Katastrophen sozusagen zu „emanzipatorischen” werden: Sie müssen Impetus von etwas werden, worin Recht universalisiert wird, Macht dekonstruiert, wenn „eine liquide Zugehörigkeit” zu einem globalen demos unter jedenfalls diesem Aspekt deutlich angebrochen sei.
Gut, was heißt müssen..? – Beck beschreibt Konsequenzen, die man berücksichtigen könnte, aber mit einer angenehmen coolness: „Ob die Welt untergeht oder nicht, ist, soziologisch gesehen, völlig uninteressant.” Aber man könnte etwas berücksichtigen oder ändern, angesichts dieses Wandels und der Konstitution von so etwas wie einem neuen demos. Dieser müsse das aber auch sein – Occupy und IS nennt Beck in einem Atemzug, und zwar wegen der diffusen Weise, in der sie in das, was Politik ist, eingreifen. Lob dafür für Merkel, die sich „entgegen ihrer eigenen dominanten Rolle in Europa” u.a. auf eine Dekonstruktion der Macht und die Europäisierung der Politik deutlich einließ.
Dies sei der Weg: Anders und natürlich gründlich verkürzt gesagt sei also die „Weltrisikogesellschaft” vom „Produkt […] zum Produzenten” geworden, jedenfalls solle es so sein – und werde dann so sein, wenn die politischen Akteure verstanden haben, was sie sei, sie führe also zu sich auch als „dem Horizont eines Gleichheitsversprechens”, wie Beck nicht pathosfrei schließt.
Ein überzeugender Band, leider unvollendet, Elisabeth Beck-Gernsheim beschreibt im Vorwort, daß der Autor noch „Gedanken zu präzisieren, Lücken zu füllen” gedachte, als er plötzlich starb, aber selbst so, wie der Band nun ist, ist er in vielen Passagen zu dem Lesenswertesten unserer Zeit zu rechnen.
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