Vom Eigenleben der Worte
Die Georg-Christoph-Lichtenberg-Preisträgerin sagt von sich selbst, sie wolle Poesiezonen entdecken, damit Worte ihren (gesellschaftlichen) Wert zurückerhielten.
In ihrem im März erschienen Gedichtband öffnet Ursula Teicher-Maier dem Leser lyrische Räume, in denen er ungewöhnlichen Gedanken und Zusammenhängen begegnet.
Schon im ersten Gedicht schreibt sie „Heute fuhr ein Schiff an meinem Haus vorbei“ und ein paar Zeilen weiter ist von Alltäglichem die Rede, vom Frühstück, einem Bad, um dann fortzufahren: „Und legte die Klingen aus in den Zimmern“.
„Der Beginn eines Tagebuches das niemals zu Ende geführt wurde“ heißt das erste von acht Kapiteln mit Texten, in denen Ursula Teicher-Maier ihre poetischen Bilder ausbreitet. Dabei befindet sich das lyrische Ich oft in traumhaften Situationen, die unterschiedlich durchgespielt werden, wobei Realitäten zum Nachdenken über das eigene Ich führen und Worte ungewöhnliche Wege gehen.
Besonders deutlich wird das in dem Kapitel „Sternverlust“: „Die Zahl der Verbrechen nimmt zu / Plötzlich steht zwischen Schlaf und Wachen jemand im / Raum / Der vorher undenkbar war doch wir machen weiter als sei / nichts / köpfen das Frühstücksei auf der Terrasse“. Worte nehmen ein Eigenleben an, aus einer Explosion junger Bombenbauer wird ein Wort, das als Mutter aller Waffen den „Kern der Dinge“ trifft.
Obwohl die Gedichte einen unverwechselbaren Ton haben, müsste man eigentlich jedes Gedicht besprechen, so vielfältig sind Themen und Bilder. Da gibt es Texte wie „Jacquard“, „Glencheck“ und „Pepita“ und solche, die eine Farbe als Überschrift haben. Auch hier wandeln sich scheinbar lakonische Themen in überraschende Geschichten, in denen die Autorin gut beobachtet und ihre Beobachtungen in poetische Bilder übersetzt. In dem Gedicht „Hellblau-Nichts-kariert“ beschreibt sie die typischen Bewegungen einer Schwingtür in einem Restaurant und sagt: „Schwingtüren enden im offenen Raum / dahinter sind nur noch Muster die sich / Zu Menschen zusammensetzen der // Kellnerin folgen die Schwingtüren wie / Hündchen“.
Mehrere Gedichte beziehen sich auf Texte des österreichischen Lyrikers aus dem 19. Jahrhundert Nikolaus Lenau. Dabei greift sie seine Naturlyrik auf, um deren Themen auf völlig andere Bereiche zu beziehen. Beschreibt Lenau eine liebliche Maiennacht, befragt Ursula Teicher-Maier zu diesem Thema „Kühe denn sie kennen sich / Mit Nächten aus sie ruhen zwischen / Dunkelheiten „ und „Rauscht das Rohr geheimnisvoll“ bei Lenau wird bei ihr ein Siphon daraus. Doch trotz der eher prosaischen Inhalte, die ein Siphon enthalten kann, sind die Fundstücke Poesie: „ich fische trübes braunes fische / Später Silberhaar spinne spanne dünne Schwanenhälse / Schellen fangen Mondlicht in das düstre Badezimmer“.
Ein Stilelement der Autorin sind geschickt eingesetzte Zeilensprünge, die den Versen zusätzlich etwas Überraschendes geben: „Und fragte mich welches nun die passende Sprache sei / Das fiel mir nicht ein aber dass ich bisweilen ein Fall / Schirm bin die Seide liegt mir im Blut und Abgründe / Nehm ich mit ausgebreiteten Armen“.
Man sollte diese Gedichte mehrmals lesen und langsam, denn - um einen Vers der Autorin abzuwandeln - sie flüstern dem Leser Geschichten ins Ohr.
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