Anzeige
Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
x
Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
Kritik

Böses Holz und guter Lehm

Hamburg

»This Machine Kills Fascists«, schrieb Woody Guthrie in, so heißt es, trunken von Patriotismus und Glauben nach dem Verfassen des Songs »Talking Hitler’s Head Off Blues« auf seine Gitarre. Faschismus, das war für den Folk-Sänger und überzeugten Christen das Gegenteil von Menschlichkeit. Ein Böses, gegen das er mit Gesang und Gitarre ins Feld zog. Der Faschismus stand für alles, was Guthrie verachtete, war er doch eng mit dem Kapitalismus verwandt, fußte auf Ausbeutung, willkürlich errichteten Hierarchien und also Ungleichheit, Ungerechtigkeit.

Der Protestsong, für den Guthrie hunderte von Blaupausen geliefert hat, wird aktuell wieder diskutiert. Genauer gesagt wird nicht der Protestsong diskutiert, sondern über seine schiere Möglichkeit wird gesprochen. Kann Musik noch agitatorisch sein, ohne dabei Widersprüchen anheim zu fallen? Haben Menschen aus dem privilegierten Westen überhaupt das Recht, Ausbeutung zu adressieren, wenn sie doch selbst von dieser profitieren? Kann der Beat des Widerstands wirklich auf einem Schlagzeug mit Edelholzrahmung gespielt werden?

Zu Lebzeiten des 1912 geborenen Guthries wurden solche Fragen noch nicht gestellt. Denn es waren, plump gesagt, eben simplere Zeiten. Zeiten, in denen die Globalisierung und post-kolonialistische Fragestellungen noch in weiter Zukunft lagen; Zeiten, in denen es vor allem um das Geschehen auf dem eigenen Grund und Boden ging. Wenn es denn der eigene Grund und Boden war. Guthrie, das näselnde Sprachrohr der sprachlosen Arbeiterklasse, wollte vor allem für die Besitzlosen, die Leidtragenden des Kapitalismus singen. Die Feindbilder waren ebenso leicht zu identifizieren wie der von Hitler personifizierte Faschismus: Die Großgrundbesitzer, das waren die Bösen.

Darum geht es auch in Haus aus Erde, dem vor Kurzem auf einem Dachboden (wieder-)entdeckten Roman, an dem Guthrie von Ende der 1930er Jahre bis 1947 arbeitete. »Da gibt’s nur einen Weg. Einfach weiterarbeiten und weiterkämpfen und weiterkämpfen und weiterarbeiten und dann arbeiten und sparen und sparen und noch mehr kämpfen«, gibt Ella May die Losung vor und weiß nicht genau, wie oder gegen wen eigentlich. »Aber ich glaube, hauptsächlich gegen die Grundbesitzer«.

Ella May und ihr Mann Tike sind zwei einfache Menschen mit einfachen Bedürfnissen, die ein einfaches Leben führen. Wind und Wetter der great plains setzen ihnen hart zu, noch härter aber der Bankier Woodridge, der die Pacht für ihr Land nicht mehr verlängern möchte. Dort leben lassen würde er die beiden nur, wenn er an ihrer Ernte beteiligt wird. Tike jedoch hat einen Traum: Er will ein Haus aus Adobe, ungebranntem Lehm bauen. In ihrem mehr als schwulstig und jubilatorisch ausgefallenen Vorwort erzählen die Herausgeber Douglas Brinkley und Johnny Depp von Guthries Besessenheit mit dem Prinzip der adobe homes. Diese waren leicht und schnell zu errichten, kostengünstig sowieso. Ein Haus aus Erde zu bauen, so meinte Guthrie, kam einer Befreiung gleich, denn die Holzhäuser brachten nicht nur Kosten mit sich, sondern bestärkten auch die Großgrundbesitzer in ihrer Rolle. Böses Holz und guter Lehm, eine einfach Rechnung.

Die Geschichte, die Guthrie in seinem nicht komplett fertiggestellten Roman erzählt, ist schnell erzählt: Tike bestellt eine Anleitung zum Bauen eines adobe home, beichtet Ella May, dass Woodridge die Pacht nur unter der Bedingung verlängert, an der Ernte beteiligt zu werden, Ella May bringt ein Kind zur Welt, während draußen ein frostiger Sturm tobt. Dass sie einen Knoten in der Brust hat, verschweigt sie Tike, der während noch während des Geburtsvorgangs die Amme angräbt. Menschliche, allzu menschliche Probleme, die vor allem in zähen Dialogen aufgearbeitet werden.

Guthrie war offensichtlich kein schlechter Erzähler und trotzdem ist Haus aus Erde ein mehr als trockener Roman. Denn erzählen wollte Guthrie nur vordergründig, im Grunde verfolgte er einen didaktischen Ansatz. »Unwissenheit ist der Grund für den Dreck der Menschen«, das weiß schließlich auch Tike. Von der rohen Sprache der beiden über eine extensive Sexszene bis hin zu den Wutausbrüchen Tikes kleidet er seine magere Story in jede Menge Beiwerk, um sie authentischer zu machen. Die ist kaum mehr als ein Vehikel dessen, was die selbsternannte »Hoffnungsmaschine« Guthrie seiner Leserschaft beibringen wollte.

Was vor rund siebzig Jahren vielleicht noch als valides sozialpolitisches Statement hätte durchgehen können, sieht sich mittlerweile einer Durchdringung von Kapitalismus und allen Lebensbereichen, von Überentfremdung und komplexeren Gesamtzusammenhängen konfrontiert. Im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts jedoch hat Haus aus Erde  kaum mehr Gültigkeit, er ist angesichts der Durchdringung von Kapitalismus und Leben zu unterkomplex und wird seinen didaktischen Endzweck verfehlen. Es ist kaum mehr noch zwischen Unten und Oben, erst recht aber nicht zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, wie Guthrie sich das erlaubt.

»Weder war es eine Maschine, noch mordete es Faschisten«, warf der Musikkritiker Greil Marcus einmal gegen die Aufschrift auf Guthries Gitarre ein. »Es ließ Guthrie und die Leute, die ihm zuhörten, sich nobel vorkommen. Ich will nicht sagen, er sei nicht gegen den Faschismus gewesen, aber zu sagen, dass sich dieser durch das Singen von Songs besiegen ließe, hilft dem Krieg gegen den Faschismus wahrlich nicht. « So ähnlich verhält es sich vielleicht mit Haus aus Erde, der höchstens als historisches Dokument aus der beeindruckenden Vita eines einflussreichen Musikers und Gültigkeit für sich beanspruchen kann. Den Kapitalismus aber konnte und kann er nicht killen.  

Woody Guthrie · Johnny Depp (Hg.)
Haus der Erde
Eichborn
2013 · 302 Seiten · 16,99 Euro
ISBN:
978-3-8479-0539-4

Fixpoetry 2014
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Letzte Feuilleton-Beiträge