wien: heldenplatz
der glanze heldenplatz zirka
versaggerte in maschenhaftem männchenmeere
drunter auch frauen die ans maskelknie
zu heften heftig sich versuchten, hoffensdick
und brüllzten wesentlich.
verwogener stirnscheitelunterschwang
nach nöten nördlich, kechelte
mit zu-nummernder aufs bluten feilzer, stimme
hinsensend sämmertliche eigenwäscher.
pirsch!
döppelte der gottelbock von Sa-Atz zu Sa-Atz
mit hünig sprenkem stimmstummel
balzerig würmelte es im männchensee
und den weibern: ward so pfingstig ums heil
zumahn: wenn ein knie-ender sie hirschelte.
Die Magie des Raums
Der “Erinnerungsort” Heldenplatz ist obsessiv von einem Ereignis besetzt. Am 15. März 1938 meldete der “Führer und Kanzler der deutschen Nation und des Reiches”, Adolf Hitler, hoch vom Balkon der Neuen Hofburg her, “vor der deutschen Geschichte” – jenem übernatürlichem Wesen, das mit der “Vorsehung” verschmolz – den Eintritt seiner Heimat in das Deutsche Reich. Die nationalen Sehnsüchte des 19. Jahrhunderts schienen erfüllt. Der Strom der österreichischen Geschichte mündete, scheinbar, in den Hauptstrom der deutschen Geschichte. Das Ereignis war so überwältigend, daß Ernst Jandl in seinem grandiosen Gedicht “wien: heldenplatz” gar kein Jahr nennen muß. Der Name Hitler kommt nicht vor. Aber jeder erkennt sofort, wer dieser “gottelbock” ist, der von Sa-Atz zu Sa-Atz döppelte. Jandl war als Vierzehnjähriger bei diesem Ereignis dabei gewesen. Seinem Gedicht gelingt es meisterhaft, die religiös chiliastische Stimmung, mit den sexuellen und aggressiven Untertönen, zu evozieren und sie gleichzeitig ironisch zu brechen. Diese Spannung entsteht aus den beschädigten Wörtern und der unverletzten Syntax. “Der glanze heldenplatz zirka versaggerte in maschenhaftem männchenmeere . . .”(1)
Auch Thomas Bernhard brauchte für sein Theaterstück “Heldenplatz” keine Jahreszahl und keine Namen. Die Zeitangabe der Spielhandlung, März 1988, die Lokalisierung der Szenen in der Wohnung des jüdischen Professors Schuster (“nahe Heldenplatz”) und im Volksgarten, der Aufführungsort Burgtheater reichten aus. Die Schreie der Begeisterung und die Klagen der Verfolgten klingen wie von selbst durch. 1988 kam aber noch einiges hinzu. Die Nähe zur “Waldheimaffäre”, die den offiziellen österreichischen Opfermythos zusammenbrechen ließ und die Mittäterschaft an den Verbrechen des Nationalsozialismus zum Thema machte, die Direktion des “Piefke” Claus Peymann, ein Autor wie Bernhard, der seit Jahrzehnten Österreich und die Welt anklagte, eine geniale publizistische Inszenierung im Vorfeld, die Wien selbst zur Bühne machte und alle Österreicher mitspielen ließ.
Der Heldenplatz mit seinem imperialen Panorama – Zentrum des Habsburgerreiches, dann in der Republik, wie die Hauptstadt selbst, überdimensioniert – atmete lange noch die Weite des multinationalen Reiches, bot eine Bühne, die nach einer Inszenierung verlangte. Dieser Raum forderte die Füllung mit Menschenmassen geradezu heraus. Adolf Hitlers Sinn für große Theatralik hatte dies schon früh erkannt. Bereits in seinen Wiener Jahren, vor dem Ersten Weltkrieg, sah er im Heldenplatz, wie der Jugendfreund August Kubizek berichtet, “eine geradezu ideale Lösung für Massenaufmärsche”; nicht nur wegen der Umrandung des Platzes durch die Neue Hofburg, “sondern auch, weil jeder einzelne, der in der Masse stand, wohin er sich auch wandte, große monumentale Eindrücke empfing”.(2) Längst vor Hitler aber hatte die Katholische Kirche, seit jeher eine Meisterin des großen, barocken theatrum mundi, dies erkannt. Der Heldenplatz als monarchistisch-österreichischer, als katholischer Erinnerungsort wurde von den Sieg-Heil-Rufen des März 38 überdeckt und ausgelöscht.
1) Vermittlungen. Texte und Kontexte österreichischer Literatur und Geschichte im 20. Jahrhundert, hg. von Walter Weiss, Salzburg 1990, S. 196-200; Ernst Jandl, Gesammelte Werke, 3. Bd., hg. von Klaus Siblewski, Frankfurt/Main 1990, S. 470 f.
2) August Kubizek, Adolf Hitler. Mein Jugendfreund, Graz 1953, S. 207; dazu jetzt: Brigitte Hamann, Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators, München 1996.
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