Bring mir die Sonnenblume, dass ich sie
Portami il girasole ch'io lo trapianti
nel mio terreno bruciato dal salino,
e mostri tutto il giorno agli azzurri specchianti
del cielo l'ansietà del suo volto giallino.
Tendono alla chiarità le cose oscure,
si esauriscono i corpi in un fluire
di tinte:queste in musiche.Svanire
è dunque la ventura delle venture.
Portami tu la pianta che conduce
dove sorgono bionde trasparenze
e vapora la vita quale essenza;
portami il girasole impazzito di luce
Bring mir die Sonnenblume, dass ich sie
in meine salzverbrannte Erde pflanze,
und möge sie dem Spiegelblau des Himmels
die Ungeduld ihres gelben Antlitzes zeigen.
Zur Helle neigen sich die dunklen Dinge,
die Leiber strömen in fließende
Farben: und diese in Musik. Verklingen
ist also das Abenteuer aller Abenteuer.
Bring mir die Blume, die in helle
Durchsichtigkeiten geleitet, dorthin,
wo das Leben zur Wesenheit verdampft;
bring mir die Sonnenblume, wahnsinnig von Licht.
Übersetzung von Stefanie Golisch
Sonnenblume im Zenit
Als Eugenio Montale (1896-1981) im Jahre 1975 den Nobelpreis für Literatur erhielt, war sein poetisches Feuer, die Initialzündung seines Schaffens, im Grunde genommen längst erloschen. Zwar war er eine unbestreitbare Größe im italienischen Geistesleben, ein erfolgreicher Journalist des Mailänder Corriere della sera und Intellektueller von Rang, doch an die überragende Qualität jener Gedichtsammlung - Ossi di seppia (Tintenfischknochen) - die ihn im Jahre 1925 schlagartig bekannt gemacht hatte, konnte er in späteren Jahren nicht mehr anknüpfen.
Eugenio Montale stammt aus Ligurien, aus Genua, und er gehört zu jenen Lyrikern, die eindeutig in der Landschaft ihrer Herkunft wurzeln. In besonderer Weise haben sich die überbordende Vegetation und das gleißende Licht, die so typisch für jenen Küstenlandstrich sind, in seine Dichtung eingeschrieben. Mit inniger Zugeneigtheit beobachtet Montale die Natur und benennt zugleich, was den Menschen von ihr trennt oder sogar abspaltet. In seinen Gedichten erkennt sich der Mensch in der Natur nicht länger, sondern erfährt ihre Fülle und Vollkommenheit als Verlust der ursprünglichen All-Einheit des Lebendigen.
Für den Dichter seiner Zeit bedeutet dies die Unmöglichkeit noch Sinn zu stiften; seine Verse sind wie Tintenfischknochen, die das Meer an den Strand spült: Fragmente. Trotz seiner grundsätzlich pessimistischen Grundhaltung sind Montales beste Gedichte eine leidenschaftliche Hommage an das Leben und die (mediterrane) Natur, deren Fülle Verheißung und Versagung zugleich evoziert.
Der Endlichkeit allen menschlichen Strebens zum Trotze, erklärt er die Sonnenblume zum Symbol des Lebens schlechthin. Sie soll wachsen, wo das Salz des Meeres den Boden unfruchtbar gemacht hat, soll blühen, wo eigentlich nichts mehr blühen kann. Zwar unterliegt auch sie dem universellen Gesetz des Werdens und Vergehens, doch so wie sie dem lyrischen Ich um die Mittagsstunde eines Sommertages vor Augen steht, wahnsinnig von Licht, erkennt es in ihr die höchste Intensivierung des Lebens, eine Qualität, die dem Mensch nur in den seltensten Augenblicken gewährt wird, ein Absolutes, an dem jede andere Lebenserfahrung sich messen lassen und zumeist versagen muss.
Allerdings wiegt die unvermeidliche Enttäuschung allemal leicht gegen die radikale Wirklichkeit der sich-selbst-nicht-kennenden Majestät einer Sonnenblume im Zenit.
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