Lesart
Johann Wolfgang von Goethe* 1749† 1832

Der Schatzgräber

Arm am Beutel, krank am Herzen
Schleppt ich meine langen Tage.
Armut ist die größte Plage,
Reichtum ist das höchste Gut!
Und, zu enden meine Schmerzen,
Ging ich, einen Schatz zu graben.
Meine Seele sollst du haben!
Schrieb ich hin mit eignem Blut.

Und so zog ich Kreis' um Kreise,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwerk zusammen:
Die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelernte Weise
Grub ich nach dem alten Schatze
Auf dem angezeigten Platze;
Schwarz und stürmisch war die Nacht.

Und ich sah ein Licht von weiten,
Und es kam gleich einem Sterne
Hinten aus der fernsten Ferne,
Eben als es Zwölfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten:
Heller wards mit einem Male
Von dem Glanz der vollen Schale,
Die ein schöner Knabe trug.

Holde Augen sah ich blinken
Unter dichtem Blumenkranze;
In des Trankes Himmelsglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hieß mich freundlich trinken;
Und ich dacht: es kann der Knabe
Mit der schönen lichten Gabe
Wahrlich nicht der Böse sein.

Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst, mit ängstlicher Beschwörung,
Nicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens:
Tages Arbeit! Abends Gäste!
Saure Wochen! Frohe Feste!
Sei dein künftig Zauberwort.

Wie Goethe oder so

Übersetzungsversuche, Teil 5

Heißer Tipp

Mathe fünf, Latein vier minus,
Krach mit Mama, Zoff mit Papa,
drei Kapitel nachzuholen
und für morgen nichts getan.
Ach, es ist ja alles zwecklos,
keinen Sinn, sich anzustrengen.
Rutscht mir doch den Buckel runter!
Heute fang ich nicht mehr an.

Kommt denn wieder nix im Fernsehn?
Nachrichten, Musikparade,
Talkshows und Familienserie,
nein, das gibt mir echt den Rest.
Ich geh jetzt zu Benni rüber,
der hat einen Stoff zu bieten,
der dich unwahrscheinlich abhebt
und den Frust vergessen lässt.

Zwar, das darf hier keiner wissen,
wenn das rauskommt, gibt es Ärger.
Doch was soll's, es wird schon klappen,
bisher ging es immer gut.
Eine Türe hinterm Lager,
Treppe rauf, rechts um die Ecke,
und da sitzen dann die Kumpels,
man braucht nur ein bisschen Mut.

Doch wer kommt da auf der Treppe?
Hab ich Halluzinationen?
Da steht eine, die ich kenne,
was zu trinken in der Hand.
Julia! Was machst denn du hier?
Willst du mir ne Predigt halten?
Warum guckst du denn so komisch?
Also los, ich bin gespannt.

Trinke Mut des reinen Lebens!
Dieses Zeug hilft dir nicht weiter.
Was dir solche Typen andrehn,
bringt dich doch erst richtig down.
Freunde suchst du hier vergebens.
Büffeln, schwitzen! Zehnmal üben!
Morgens schuften! Spaß am Abend!
Du musst nur auf dich vertraun.

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