In den Rückzügen des Alltags sind auch Orte
In den Gedichten von Michael Arenz ist Alltag.
In diesem bilanziert ein alterndes Ich scheinbar leidenschaftslos die ihm noch verbleibenden Möglichkeiten, das Laub im Vorgarten zusammenharken, danach ein Mittagsschläfchen, später, bei einer Tasse Tee vielleicht, das melancholische Kultivieren des Gefühls, unmerklich auf die andere Seite gekippt, ja durchaus zu Unrecht aus der Welt der Jungen, Starken und Rücksichtslosen gefallen zu sein. Das scharfe Messer der Liebe haben nun diejenigen gezückt, die in ihren röhrenden Wagen in die Nacht hinaus rasen, um all das zu erleben, was längst hinter jenem Mann um die sechzig liegt, dessen von vermeintlicher Gleichmut nur notdürftig verhüllter innerer Unruhe Michael Arenz hier seine Stimme leiht.
Ist der Hass auf all jene, die das Leben noch vor sich haben und deren lautes Gebaren in der stillen Welt, in die sich das lyrische Ich zurückgezogen hat als Widerspruch par excellence auf den Plan tritt, tatsächlich die einzige Möglichkeit, noch einmal etwas zu spüren, noch einmal mit allen Fasern seines lebendigen Körpers beteiligt zu sein an jenem Jahrmarktsgetümmel, das man nach blutigen Kämpfen doch überwunden zu haben glaubt?
Wo läge die Alternative?
Im Rückzug in eine gutmütig-graswurzlerische Idylle der langen Bärte, der Ziegen und Schafe?
Noch wohnen sie beide in dem Mann, der Träumer und der Schlächter, der Arglose und der Höllenknecht, und vielleicht hätte in alten Zeiten, etwa in einer antiken Tragödie und noch bei Shakespeare aus diesem zerreißenden Widerspruch am Ende Weisheit erwachsen können, doch für den Weisen, der mitten durch den Schrecken dieser Welt/ in das Zentrum der Erlösung vorstoßen würde, scheint so gar kein Platz zu sein in der Gegenwart des infinite jest.
Hölderlins Frage aus der Abendphantasie, sein drängendes Wohin denn ich? verhallt ungehört, ohne Aussicht auf eine Antwort, ja genau besehen sogar ohne rechten Ort für die Frage, in der das Ich sich ungebrochen zu seiner Maßlosigkeit bekennt, seiner unhintergehbaren Forderung nach äußerster Intensivierung des Lebens.
Kein Ort nirgends – oder vielleicht ist jener Ort im Gegenteil überall: in den Vorgärten und Fußgängerzonen, hinter verschlossenen Stirnen und nur scheinbar erloschenen Augenpaaren, die ohne es zu wissen in die Wirklichkeit des Gedichts drängen, in die Objektivierung subjektiven Erlebens.
Neuen Kommentar schreiben