Literarische Selbstgespräche

Von und mit Aftab Husain

Ich betrachte Poesie als ein Geschenk

Aftab Husain

Ich betrachte mich selbst als jemanden, der im Gewerbe der Worte tätig ist – ein Wortschmied – wenn man so möchte. Das heißt, indem ich Worte verwende drücke ich mich auf verschiedene Arten aus; als Dichter, als Literaturkritiker, als Lehrer und so weiter. (Ich möchte die Bezeichnung „creative writer“ bewusst vermeiden). Letzteres, zu lehren, ist zugleich Beruf und Berufung. Meine erste Liebe ist jedoch die Poesie und ich bin besser bekannt als Dichter und sehe mich selbst im Kern als Dichter. Alle diese Bereiche verwenden Worte als Grundfertigkeit oder Werkzeuge, auch wenn jeder davon viele verschiedene Arten von sprachlichen Registern verlangt und ich mich in einen anderen Modus versetzen muss, damit meine Ausdrucksweise jeweils passend ist. Beim Lehren und in der Literaturkritik bin ich im hermeneutischen Modus, weil ich mich in diesen Bereichen nicht nur ausdrücken, sondern auch mit anderen kommunizieren muss, ja, um mich meinen Gesprächspartnern oder Lesern verständlich zu machen, wohingegen ich mich beim Dichten von bestimmten äußeren Zwängen befreie. Aber wenn ich das sage, meine ich nicht, dass Poesie für mich ein reiner Monolog ist; es gibt und es könnte unterschiedliche Stimmen in der Poesie geben, manchmal sogar innerhalb eines einzelnen Gedichts, aber hauptsächlich schreibe ich Gedichte für mich selbst und dadurch habe ich, denke ich, keinen spezifischen oder besonderen Lesertyp vor Augen.

Diese Vielfalt an Ausdrucksweisen findet ihre Entsprechung in der Form von Gedichten, in der ich schreibe. Ursprünglich begann ich damit, Ghasel zu schreiben, eine Gedichtgattung, die eine sehr strenge und geschlossene Form aufweist, aber zugleich sehr lyrisch und melodiös ist. Ihren Ursprung hat sie in der arabischen Poesie und blühte dann in Persien auf, aber heute ist sie die produktivste, fruchtbarste und populärste Gedichtgattung in Südasien, besonders in meiner Sprache, Urdu, der Nationalsprache Pakistans und einer der wichtigsten Sprachen in Indien. Ein Großteil meiner Gedichte ist in der Form des Ghasels. Aber um bestimmte Erfahrungen ausdrücken zu können muss ich die der Form des Ghasels inhärenten Einschränkungen überschreiten und dann darüber hinaus gehen und das sind die Momente, in denen ich mich nicht metrischen Gedichten zuwende. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob ich in beiden Gattungen ähnliche Themen verhandle; ich versuche in beiden gleichermaßen flexibel zu sein, aber es könnte trotzdem einige Unterschiede wegen der gattungsspezifischen Einschränkung geben, besonders bei der streng gebundenen Form des Ghasels, obwohl ich in Ghasel mit mehr Eloquenz und Leichtigkeit schreibe.

Welche Fragen greife ich in meiner Poesie auf? Darüber dachte ich noch nie nach bevor ich anfange zu dichten. Irgendein Bild, irgendein Ereignis, irgendeine Erinnerung, manchmal sogar ein Wort blitzt in meinen Gedanken auf und verschafft mir einen Antrieb zu schreiben und ich notiere diese Zeilen sofort. Meistens passiert das in der Art und Weise eines automatischen Schreibens. Manchmal habe ich während dieses Vorganges selbst keine Ahnung davon, worum es bei alledem geht? Sobald es auf dem Papier festgehalten ist und der Zauber vorbei ist, erst dann bin ich im kritischen Modus und blicke mit einem objektiven Auge auf das Gedicht. Diese Methode mein Selbst von voreingenommenen Vorstellungen und Themen zu befreien könnte meiner Poesie ein vielfältiges Spektrum verliehen haben, sowohl im Sinne ihrer thematischen Reichweite als auch ihres sprachlichen Repertoires.

Ich empfinde Freude beim Schreiben von Gedichten und es ist die Ausdrucksform, die meine Energien wirklich bündelt. Ich betrachte Poesie als ein Geschenk, aber nicht als etwas göttlich Inspiriertes. Nicht nur ein Dichter, Maler oder Musiker ist ein talentierter Künstler, ein Töpfer und ein Schuster können ein gleich großes Talent besitzen und sicherlich gleich viel Talent ausüben. Es macht wenig Unterschied, in welchem Medium man sich ausdrückt. Ich mache es mit Worten.

 

[Übersetzung: Astrid Nischkauer]

I consider poetry as a gift

I consider myself someone engaged in the business of words – a wordsmith – if you like. That is to say, by employing words I express myself in different ways; as a poet, as a literary critic, as a teacher and so on. (I would deliberately avoid the appellation of “creative writer”.) The last one, teaching, is my profession as well as my passion. My first love is, however, poetry and I am more known and think of myself essentially a poet. All these areas take words as their fundamental skill or tools albeit each of them requires many different kinds of the verbal registers and I have to put myself in a different mode to fit my expressivity in each of them. In teaching and in literary criticism I am in a hermeneutic mode as in these terrains I have not only to express myself but also to communicate with others, yes, to make myself intelligible to my interlocutors or readers, whereas while composing poetry I set myself free from certain external compulsions. By saying that, however, I do not mean that poetry to me is a sheer monologue; there are and there might be different voices in poetry, even sometimes in a single poem, but primarily, I write poetry for myself and, by doing so, I do not have, I believe, a specific or particular kind of reader before me.

This variety of expressive modes finds its expression again in the genre of poetry I write in. I initially started writing Ghazal, a genre of poetry that has a very rigid and closed form, but it has, at the same time, a great degree of lyricism and melody about it. It was originated from Arab poetry and then flourished in Persian, but today it is the most prolific, fertile and popular form of poetry in South Asia, especially in my language, Urdu that is the national language of Pakistan and one of the most important languages in India. A major portion of my poetry is in the form of Ghazal. But, in order to express some experiences, I need to cross and then go beyond the inherent restrictions imposed by the form of Ghazal and these are the moments when I turn to non-metric poems. I cannot say with certainty whether I touch upon the similar themes in both genres; I try to be equally flexible in each of them, but still there could be some differences because of the genre restriction, especially from the closely bound form of Ghazal despite the fact that I can write in Ghazal with more eloquence and facility.  

Which issues do I take in my poetry? I never thought about that before I set to compose poetry. Some image, some event, some memory, even at times, a word flashes in my mind and provides me a stimulus to write and I immediately jot down those lines. In most cases, it happens in the style of an automatic writing. Sometimes, while in that process, I myself have no clue as about what all that is? But the moment it is on the paper and that spell is already over, only then I am in a critical mode and look at the poem with an objective eye. This method of freeing my own self from the preoccupied notions and themes might have lent a varied spectrum to my poetry both in terms of its thematic range as well as of its verbal repertoire.

I take delight in composing poetry and it is the form of expression that really channelizes my energies. I consider poetry as a gift, but not something divinely inspired. Not only is a poet, painter or a musician a gifted artist, a potter and a shoemaker may possess and certainly he does an equal amount of gift. It matters little in what medium you express yourself. I do it with words.

 

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