Literarische Selbstgespräche

Von und mit Sophie Reyer

Ja, das würde ich antworten,
würde mich das jemals jemand fragen.

 

Sophie Reyer Was man mich komischerweise selten fragt, und was ich aber eigentlich wahnsinnig gern gefragt werde, ist, wie meine Technik ausschaut. Meine literarische oder auch künstlerische Technik. Weil das ist eine Frage, die ich mir selber immer wieder stelle. Und diesen Spiegel von außen, den finde ich spannend. Interessanterweise herrscht im Literaturbetrieb ja oft so ein gewisser Voyeurismus, das heißt, Anekdoten sind spannender, als Aussagen zum Thema Form, Inhalt, Arbeitsweise, Recherche, etc.

Meine Arbeitsweisen verändern sich natürlich. Also je nachdem, was ich mache, auch je nachdem, welches Publikum ich ansprechen möchte: ob ich jetzt ein Kinderbuch schreib, oder Lyrik oder Prosa, sind die Ansätze auch unterschiedlich. Grundsätzlich aber ist es schon für mich so eine Art, ja, Leitmotivtechnik, die ich anwende, dass ich einfach vom Klang komme. Das heißt ich höre – wir haben vorher über Fiston Mwanza Mujila gesprochen – ich höre auch meine Texte immer innerlich aus und höre sie auch als Stimmen, wobei das innere Stimmen sind. Also ich glaube jetzt nicht, dass das irgendwie schizophrene Züge hat, aber es ist eine sehr stark verinnerlichte akustische Form. Genau, also ich würde sagen, ich schreibe wirklich sehr stark auch mit dem Ohr, vom Ohr.

Das andere ist, dass ich – auch einfach beeinflusst durch die Musik, weil ich habe ja Komposition studiert – mich sehr, sehr viel auch befasst habe, mit Lautpoesie. Auch mit so modernen Herangehensweisen wie den Listen, den Anagrammen, also eben, wir haben vorher auch von OuLiPo gesprochen. Was da so für formale Aspekte irgendwie wichtig waren, die habe ich natürlich für mich teilweise auch sehr stark durchexerziert. Das ging dann von Serien aus, also da hab ich dem Oswald Egger das mal ein bisschen abgeguckt, der hat so – weil neben seinen Kindern nichts anderes möglich war – der hat so Vierzeiler geschrieben, manisch. Und das ging irgendwie, weil wenn dann mal kurz der Kleine schläft, dann schreibst du schnell einen Vierzeiler, dann wacht er eh wieder auf, dann musst du ihm wieder den Schnuller reindrücken und so. Ja, und dann habe ich eine Zeit lang, weil er eben mein Mentor war, Vierzeiler geschrieben zum Beispiel. Und das war großartig und war sehr wichtig.

Und inzwischen merke ich, es ist so auf gewisse Art und Weise jetzt in der Lyrik auch wieder eine Rückbewegung zum Inhaltlichen. Also eigentlich schon seit die gezirpte zeit, seit meinem vorletzten Band, dass ich auch wieder, nicht nur mit den Materialien, die ich habe, spiele und sie irgendwie auf formale Aspekte hin abklopfe, oder drehe und wende und schaue, wie man die zusammenstöpseln kann, so wie ich das als Komponistin ja auch gemacht habe, mit den Klangfamilien. Sondern, dass ich wieder auch schaue, wie kann ich irgendwie Sinn erzeugen, wie kann ich eine Form von Inhalt darstellen, bzw. mich auch über diese Leerstelle zwischen Bezeichnetem und Zeichen drüber zu trauen, indem ich doch sage, ich versuche so etwas wie Sinn herzustellen. Ich glaube, das ist in der Moderne wichtig. Es war auch eine Zeit lang wahnsinnig wichtig, mit dem allem total zu brechen, auch mit dem Erzählen zu brechen. Ich glaube aber, dass das der modernere Ansatz ist, das auch wieder hinein zu nehmen. Insofern bewege ich mich immer sehr in dieser Spannung, auch zwischen etwas rein Klanglichem, oder auch so einer Körperprosa, wie die Hélene Cixous das ja nennt. In so einer Prosa, die sehr stark dem Klang, dem Rhythmus folgt, die sich quasi durchs Erfühlen, durchs physische Nachvollziehen irgendwie erschreibt. Und dann andererseits einem sehr konzeptuellen, formalen Denken, das ich ja auch beim Drehbuchstudium stark gelernt habe. Also sozusagen Exposition, Peripetie, Handlungsumschwünge, Plotpoints, und so weiter und so fort. Und es ist für mich immer so ein sich-Abreiben an diesen zwei – also an diesem sehr wuchernden und diesem sehr strukturierten, natürlich geschichtlich vorbelasteten, Herangehen ans Textliche. Und es bleibt irgendwie spannend. Es sind immer so Phasen, wo man dann eher konservativer ist, so mit sich und der Arbeit. Und Phasen, wo man dann wieder ausbrechen möchte. Und ich weiß eigentlich auch nie so richtig, in welche Richtung das geht. Weil in der Prosa bin ich jetzt wieder noch mehr ins Erzählen gegangen, während ich in der Lyrik immer mehr auch eigentlich nur noch schau, wie die Vokalstruktur ist. Also ich fokussiere mich in der Lyrik vermehrt wirklich nur noch auf einzelne Laute, die kommen. Und das sind so ganz abgespeckte und sehr klanglich orientierte Sachen. Während ich in der Prosa jetzt wieder mehr erzähle. Ja, ich weiß irgendwie nie, wie es in welchem Bereich weiter geht. Und das ist total spannend. Und es kann auch jeden Tag dann auch wieder ein bisschen anders sein und je nach Material auch. Da schaut man einfach, was einen gerade so schärft oder fordert, oder was auch der Text von einem fordert.

Ja, das würde ich antworten, würde mich das jemals jemand fragen. Die meisten fragen das nicht. Die wollen eher wissen, wie man zur Sprache gekommen ist. Ob es irgendwie so eine Initiationserfahrung gibt, oder ob das immer schon da war. Bei mir war das sicher so, dass das immer schon irgendwie da war. Also mich hat Sprache immer fasziniert. Ich weiß noch, ich hab – das ist auch so eine Anekdote, die ich unglaublich gern erzähle, weil die gewisse Knöpfe drückt, was einfach offenbar den Leuten auch gefällt  –  ich habe als Kind immer wahnsinnig viel über Worte gelacht. Und ich glaube, das war auch so der Grund, warum ich mich dann immer mehr mit Sprache befasst habe.

Also ich weiß noch, es war einmal – da war ich drei oder so, und das ist eine der wenigen Sachen, an die ich mich erinnern kann – da war ein Freund von meinem Vater da und hat den Wandschrank irgendwie einmontieren geholfen. Und dann hat er das Wort „parallel“ in den Mund genommen und mir gezeigt, was parallel meint. Und ich fand das so großartig, also eben diese Kluft zwischen Zeichen und Bezeichnetem. Und dass ja dann aber doch, wenn man zwei Hände parallel zueinander hält, das irgendwie die Parallelität im Wort parallel ja schon auch dargestellt ist, auf gewisse Art und Weise, nur eben auf eine total arbiträre. Und schon als Kind war diese Kluft, das war unglaublich spannend für mich, und dann natürlich auch der Klang oder die Phonetik von dem Wort parallel. Und das ist dann irgendwie so weiter gegangen. Also ich habe schon als Kind Worte gesammelt. Es gibt eine Sammlung von meiner Oma, wo sie zunächst meine ersten Worte aufgeschrieben hat. Und ich habe wohl, noch bevor ich irgendwie Sätze bilden konnte, mit eineinhalb Jahren das Wort „Zahnprobleme“ meinem Vater entgegen geschleudert. Und meine Eltern waren irgendwie völlig irritiert, weil das sind jetzt keine Leute, die wahnsinnig viel lesen, also eher so normal, würde ich jetzt einmal sagen, wenn es so etwas gibt. Aber das war interessant.

Und dann habe ich mit drei, glaube ich, das Wort „Kondensstreifen“ entdeckt und da war ich obsessiv in dieses Wort verliebt, das weiß ich auch noch, und in dieses Bild am Himmel. Natürlich wissen wir, das ist eigentlich etwas furchtbar Schädliches, dieser Kondensstreifen. Aber für Kinder ist das wundervoll, also dieses Ding. Und dann hat das auch einen Namen. Und das ist wie so ein Fundstück, das man dann für sich in Beschlag nimmt und ausprobiert, und mit dem man irgendwie spielt oder umgeht.

Genau, also Sprache und Klang waren für mich von jeher immer unendlich spannend. Und ich kämpfe dann immer wieder auch darum, mir diese Frische – natürlich ist es nicht möglich, so zu denken, wie eine Dreijährige – aber anzuknüpfen, an diese Frische oder an diese Unmittelbarkeit. Und ich glaube, das ist auch der Grund, warum ich so süchtig danach bin. Weil es mich in so eine Unmittelbarkeit bringt, mit mir und der Welt, die in der Routine oder im Alltag auch oft völlig verloren geht. Also das ist wie so eine Oase im Leben, die man dann hat.

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