Lost Voices
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Hans Leybold (1892-1914)

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wikipedia: "... ein deutscher expressionistischer Dichter. Das schmale Werk des gefallenen Dichters wurde zu einer Inspirationsquelle des literarischen Dadaismus. Seine absurden Texte und Gedichte bedeuteten einen wichtigen Schritt in der Entwicklung des Frühexpressionismus.

Leybold ist in Frankfurt am Main geboren und in Hamburg aufgewachsen, wo sein Vater von 1899 bis 1919 Direktor der städtischen Gaswerke war. Er macht 1911 das Abitur an der Oberrealschule St. Georg. Seinen Militärdienst leistete er erfolgreich in dem Feldartillerie-Regiment in Itzehoe und war zuletzt Unteroffizier und Reserve-Offiziersaspirant.

Er begann im Wintersemester 1912/13 das Studium der Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte in München, wo er mit der Schwabinger Vorkriegsboheme und mit späteren Größen des Dadaismus zusammenkam: Richard Huelsenbeck, Emmy Hennings, Klabund, Johannes R. Becher und vor allem mit Hugo Ball, der ein Freund wird. Ball und Leybold verfassten unter dem Kürzel Ha Hu Baley gemeinsam Gedichte.

Leybolds Sprache wurde von Karl Kraus und von Alfred Kerr beeinflusst, philosophisch von Friedrich Nietzsche. Er publizierte sehr viel in der politisch-literarischen Zeitschrift Die Aktion und gab eine eigene Publikation heraus und fünf Nummern einer eigenen Zeitschrift, der Revolution, in der er auch die Anschauungen seiner Freunde verbreitete. Leybold geht nach dem Scheitern der Zeitschrift Anfang 1914 nach Kiel.

Er wird bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommer 1914 eingezogen und schon bald vor Namur schwer verwundet. Drei Tage nach seiner Rückkehr zum Regiment erschoss er sich in der Nacht vom 7. zum 8 September. Für Gründe ist man auf Vermutungen angewiesen, aber eine (eingebildete?) Syphilis-Erkrankung könnte der Auslöser für die Tat gewesen sein."

Konfusion - Ein Film

Plötzlich sprangen in den Straßen Gräber auf wie Erbsenschoten,
und jämmerliche Wesen wälzten sich heraus, die drohten
mit ihren blassgebleichten Knochen ihren Ururenkeln:
Die stoben fort und auseinander, als brennte es in ihren Schenkeln,
Pest oder Cholera im Bauch oder Jüngster Tag am Ende
(man muss doch sehn, ob man Rettung fände,
man hat sein kleines Leben lieb; die Hände,
die sich über alles strecken – –
wer weiß, ob man schlauer ist, versucht, sich zu verstecken).
Sie hopsen, springen ängstlich über Straßenbahngeleise
sie tanzen durcheinander: jeder in seiner Weise,
der eine verkriecht sich im Lokus, um sich zu retten,
der verwälzt sich tief in seine Betten,
viele fallen über die Geländer hoher Brücken,
fallen in hochgeschwollene Ströme, müssen in großen Schlücken
gelbes Wasser saufen, andere aber drücken
voll Furcht vor Unbekanntem sich an ihre Weiber.
Auf einmal greift eine unmäßig große Hand vom Himmel,
schiebt sich langsam durch chaotische Gewimmel,
plättet die Straßen als wären sie Wäsche,
greift aus dem Gewühl sich ein paar besonders fesche
Kokotten und Kavaliere, ein paar dicke Kommerzienräte,
stört in den diversen Salons die Abschiedsfete,
stürzt Börse und Kirche und Rathaus um, als mähte
sie Gras ... hebt sich, verschwindet ... nichts ist passiert.
Ein Gentleman sieht nach, außerordentlich blasiert.

Aus: Die Aktion Jg. 6, Nr. 14/15 vom 08.04.1916, S.195-197

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