Notiz

Poesie passieren & passieren lassen

Gedichtausstellung

 

Pförtnerhäuschen zur Raketenstation Hombroich  Es hat lange gedauert, bis ich ihn entdeckt habe, aber er hat geduldig gewartet, nur darauf gewartet, dass das erste Gedicht in ihn hinein gestellt wird. Der perfekte Ort für Poesie, ein Ort, an dem man vorbei muss, der sich aber nicht aufdrängt und durchwegs übersehen werden kann, vielleicht gelegentlich sogar gerne übersehen wird: das Pförtnerhäuschen zur Raketenstation Hombroich. Ein kleiner Raum, eine Tür, vier Fenster, einseh- und durchschaubar, leicht zu umrunden. Mehr braucht es nicht

Die Ausstellung beginnt mit dem ersten Gedicht, das ich hineinstelle, sie ist als work in progress gedacht, mit open end. Nach und nach werden es mehr und mehr Gedichte werden. Die Ausstellung wird ergänzt und verändert, solange ich hier bin. Fertig ist sie erst, wenn ich den Schlüssel abgebe und aufbreche. Dann lasse ich einige meiner Gedichte hier, etwas von mir zurück, wie auch ich etwas mitnehmen werde von hier, diesem Ort, der so unglaublich verrückt und herzerwärmend unfreundlich ist, in seiner sehr abgelegenen und zugleich völlig exponierten Lage in Sturm und Regen zwischen Zuckerrübenfeldern.

Es geht nicht so sehr darum, dass meine Gedichte im Pförtnerhäuschen tatsächlich entdeckt und gelesen werden. Es geht darum, dass sie hier sind. Gefunden werden können. Dass Poesie sichtbar gemacht wird, an diesem Ort der Poesie.

Gedicht und Foto: Astrid Nischkauer Geschrieben sind die Gedichte auf das, was man so zur Verfügung hat, wenn man bei Regen oder Schneeregen in einem Haus auf einer Wiese sitzt: Karton, Verpackungsmaterial, leere Briefumschläge, die nicht abgeschickt wurden, weil hier alles weit weg ist, auch die Post. Also durchaus rudimentär, geschrieben mit der Hand, von mir selbst, der Autorin.

Die Gedichte sind alle hier entstanden und beziehen sich auf den Ort, die Raketenstation Hombroich. Damit sind es sehr junge Gedichte, die noch keine Zeit hatten, zu rasten und vorsichtig ihre ersten Schritte in die Welt hinaus zu wagen. Nein, hier sind die Wetterbedingungen rau, es ist ein außergewöhnlicher Ort, also werden auch die Gedichte sofort freigelassen, ganz gleich ob es regnet oder zum wiederholten Male Sturmböenwetterwarnung herrscht. Ja, es stürmt hier und regnet, aber wenn Vögel bei diesem Wetter fliegen können, können es auch Gedichte, ob vorwärts, oder rückwärts ist dabei doch einerlei.

Poesie passieren & passieren lassen. Gedichtausstellung.
Astrid Nischkauer. Hombroich : Fellowship Literatur 2015.
Pförtnerhäuschen zur Raketenstation Hombroich.
Ab jetzt. Open End.

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