Herzens Lust Spiele

Gedichte

Autor:
Jean Krier
Besprechung:
Kristoffer Cornils
 

Gedichte

Eine Vielzahl von Rissen behauptet - Jean Kriers Herzens Lust Spiele

14.01.2013 | ZUM GEDENKEN AN JEAN KRIER

11.08.2010 | Hamburg

Jean Krier gehört nicht zu der Sorte Mensch, die sich viel reinreden lassen. Wer den Dichter jemals in einer Diskussion erlebt hat, wird ihn als sympathischen Dickschädel kennen, als jemanden, der ebenso höflich wie bestimmt auf seinen Standpunkten beharrt. In seinem vierten Gedichtband „Herzens Lust Spiele“ kommt eine ähnlich eindringliche und unbeirrbare Stimme zur Sprache, die von elegant-poetisch über gemütlich-parlierend bis beißend-ironisch sämtliche Register zieht. Für den Band erhielt Krier den Chamisso-Preis 2011, mit dem auf Deutsch schreibende Autoren ausgezeichnet werden, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.

Als Luxemburger hat Krier Deutsch ebenso wie Französisch bereits in der Grundschule gelernt, wurde damit sozialisiert und hat Germanistik studiert. Seine Begründungen für die Wahl des Deutschen als Sprache seiner Texte fallen eher pragmatischer aus. Zweifelsohne jedoch bereichern seine Gedichte die deutschsprachige Lyrik. Weil sie mutig sind, sich nicht scheuen, Pathos zu bedienen, allenthalben von „Herz“ und „Blut“ sprechen und trotzdem authentisch klingen und nie in den Kitsch abrutschen. Weil sie das Pathos durch Wendungen und Wechsel der sprachlichen Register sogleich in ein neues Licht rücken, ohne sie dabei ins Lächerliche zu ziehen: „Ich trinke dir zu, komm, / wir tauschen Possessivpronomen aus“. Das sind zwei der Pole, die Kriers Vielseitigkeit ausmachen. In den Gedichten trifft mit voller Wucht Gegensätzliches aufeinander, hoher Stil und Slang stehen sich gegenüber und doch nebeneinander.

Von diese Diskrepanzen lebt „Herzens Lust Spiele“. Die Differenzen schaffen gleichermaßen den Humor wie das immense Verstörungspotenzial, das Kriers Sprachmontagen innehaben.  Seien es lakonisch-zynische Verknappungen wie „Apparaten entgegen u Tod“, der elliptische Charakter von Versen wie „ich bin die Wunde, in die der Finger“ oder graphische Zerstückelungen wie die des Titels, die ständig neue Assoziationen freisetzen. Zwischen Gemütlichkeit und Gewalt oszilliert der Ton dieser Texte, atemberaubend verstörende Partien werden in einem leichtfüßigen, narrativen Parlando wiedergegeben. Eine Vielzahl an Rissen tut sich in den streng gehandhabten Strukturen auf.
Insbesondere die ersten beiden Kapitel suchen an Intensität Ihresgleichen. Das dritte und letzte Kapitel, „Vom Reisen“ fällt dann etwas weniger beeindruckend aus, brilliert zwar hier und dort noch mit derselben Qualität, weist aber auch einige schwache Passagen auf, die statischen Polaroids erreichen nicht das Niveau der vorangegangenen Texte.

Wirklich negativ ins Auge fällt in „Herzens Lust Spiele“ nur die latente Selbstreferenzialität, die ständig wiederkehrenden Verweise auf die Schreibsituation. Gepaart mit Kriers Hang zu kalauernahen Wortspielen kann das auch mal in peinliche Betretenheit resultieren. „Schluss nun mit Vögeln“ ist letztlich ein ziemlich flacher Abschluss für ein erotisches Gedicht. Krier wird sich aber davon nicht abbringen lassen. Er gehört definitiv nicht zu der Sorte Mensch, die sich viel reinreden lassen. Das macht ihn zu dem Ausnahmedichter, der er ist, sein Werk zu einer Bereicherung.

De Aeternitate

Schreib. Schreib jetzt, schreib. Schreib was. Nein,
schreib nicht. Pass auf, wach u horch. Die Nacht.
Wie sie schweigt hier draußen. Der Lärm aber nie
sonst verrauscht. Und das Meer. Wie es badet in
Blut u Öl. Schau hin, schau her u des Himmels Blau.
Der Augen Blau. Wie es spricht. So, schreib das
jetzt. Spieß es auf in kostbar geschenkten Minuten.
Geh in dich, töte den Hund, schlag ihn tot, blauäugig
sei u schreib, du armer Mensch, du blödes Vieh.
Da brauchst du nicht zaubern zu können. Und dann
schlaf, schlaf endlich u in Ewigkeit, du armes Schwein.
Im Herzschlagschatten schreibend schlaf. Wie köstlich,
ach, an keinem Ort mehr zu sein. Die auf der Galerie,
die lachen sich krumm.

 

Jean Krier: Herzens Lust Spiele. Poetenladen. Leipzig 2010.