]trash[pool

Magazin für Literatur und Kunst

Autor:
Hg.: Tibor Schneider; Christiane Schweitzer; Anselm Treichler
Besprechung:
Kristoffer Cornils
 

Magazin für Literatur und Kunst

EXKLUSIVBEITRAG - Radikal offen. ]trash[pool

14.02.2012 | Hamburg

So trashig wie es ihr Name verspricht, ist sie nicht. Einen reichen Pool bietet sie trotzdem. Auf den ersten Blick macht die zweite Ausgabe der Zeitschrift ]trash[pool trotzdem einen fast dilettantischen Eindruck. Das Design ist nicht von Anfang bis Ende so perfekt durchgestylt wie man vielleicht von anderen Literaturzeitschriften gewohnt ist. So werden einige der surrealistisch anmutenden Radierungen von Karin Brosa –]trash[pool versteht sich als Zeitschrift für „Literatur & Kunst“ –über eine Doppelseiten gezogen.
Das ist angemessen in Anbetracht ihrer Größe, es tut der Bindung allerdings wahrlich nicht gut, will man die Bilder zur Gänze betrachten. Aber das ist eben nur ein erster äußerer Eindruck, bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das schlichte Heft als ein vielseitiges und erfreulich unprätentiöses Magazin, das sich vor allem der Literatur verschrieben hat.

Den Haupteil der gut 100 Seiten machen – soweit, so konventionell – Lyrik und Prosa aus. Das hält sich quantitativ die Waage, allerdings mögen die Gedichte eher überzeugen als die Kurzgeschichten und Auszüge aus längeren Erzählungen beziehungsweise Romanen. Matthias Lottners anachronistisches Stück „Meyers Stadt“ und das erste Kapitel aus Martin von Arndts bald erscheinendem Roman „Oktoberplatz“, dessen Protagonist Wasil im Weißrussland des 21. Jahrhunderts seine Tante ermordern will, fallen jedoch positiv auf. Lottner vor allem wegen seines unangestrengten Tons, in dem er die enigmatische Geschichte vom Haushälter Meyers und dessen „skorbutös[er]“ Stadt erzählt, von Arndt hingegen, weil er selbst auf nur wenigen Seiten mit einem ausdifferenziert gestalteten Protagonisten und einem gleichsam absurden wie hochpolitischen Setting Lust auf mehr macht. Trotzdem scheint es auf erzählerischer Seite etwas gesitteter zuzugehen wie dann auf lyrischer. Da fallen die Texte schon fordernder aus, seien es politische Herausforderungen wie im Fall von Tom Bresemann oder die anglizismengesättigten Texte von Philipp Günzel und Richard Duraj, die extrem verdichtete Lyrik von Jan Skudlarek, Manuel Stallbaumer und Peter Dietze.

Das eigentlich Interessante an ]trash[pool ist jedoch, dass neben dem Rundumschlag durch die beiden Gattungen und die verschiedenen Stile die Zeitschrift noch mehr versammelt und versucht, hinter die Kulissen zu schauen. Natürlich sind Illustrationen mittlerweile Gang und Gäbe, ein Interview mit der Künstlerin – in dem Fall die oben genannte Karin Brosa –nicht unbedingt. Noch ein weiteres und sehr spannendes Interview ist zu lesen, Ulrich Blumenbach berichtet von seinem Selbstverständnis und seiner Arbeit als Übersetzer von David Foster Wallaces „Infinite Jest“ und dessen unvollendeten Roman „The Pale King“. Essays oder Rezensionen sucht man leider vergeblich, dabei würden sie den Ansatz, mehr als nur Bild oder Text zu liefern, vielleicht zu Gute kommen. Noch wesentlich auffälliger ist die Zuwendung  zur Slam Poetry, die zukünftig eine eigene Rubrik bekommen soll. Selbst, wenn es hier und dort Schnittmengen und Verbindungen gibt, auf Publikationsebene tritt die Slam-Szene selten genug auf, zumal nicht in den einschlägigen Literaturzeitschriften, die sich der Lyrik- und Prosaszene verschrieben haben. Ob nun die am mündlichen Vortrag orientierten Kalauer von Wolf Hogekamp im Schriftlichen auch zünden, mag eine andere Frage sein – eine Pointe wie „bin ick richtig angesickt, / brauch ich einen großen schluck alkohol!“ erschließt sich nunmal schwer, wenn man den Paarreimcharakter der Verse nicht verinnerlicht hat. Dass Slam Poetry jedoch etliche andere Facetten aufweist, legen die Texte von Solveig Schomers und Tobias Gralke nah.

Das macht die ]trash[pool aus – sie ignoriert Konventionen, sie bedient keine feste Zielgruppe. Sie ist radikal offen, Betriebszwängen und –bedürfnissen gegenüber indifferent. Obwohl einige Schwerpunkte erkennbar werden – so zum Beispiel der Fokus auf Autorinnen und Autoren aus Tübingen, von wo auch das Magazin herkommt oder durchschnittlich eher junge Schriftstellerinnen und Schriftsteller – bietet die „Zeitschrift für Literatur & Kunst“ vielerlei Triggerpunkte. Aus welcher Richtung man sich ihr nähert, man entdeckt mehr als das, wofür man gekommen ist. Das unterscheidet die ]trash[pool von ihrer Konkurrenz, sie verschränkt den holprigen Fanzinecharakter mit einer Vielzahl von Möglichkeiten und Perspektiven. Selbst, wenn sie nicht von vorn bis hinten durchgestylt ist, selbst wenn nicht alle Texte überzeugen – es bleibt zu hoffen, dass sich die Unverkopftheit dieses Magazins erhält, es einer neugierigen Leserschaft mehr Impulse bietet denn altbekannte Namen.