seismograph-ein aufzeichnen-system

Gedichte

Autor:
elffriede
Besprechung:
Frank Milautzcki
 

Gedichte

Der Mensch, als träge Masse, zeichnet auf

Man muß Bretzelbergpop mit anderen Ohren hören, soviel verstand ich sofort, als ich Mitte der 80er Jahre die ersten Kassetten der Welttraumforscher in meinem Tapedeck abspielte – das war Pop von einem anderen Stern, der wie in einer heimlichen Zusatzdimension auf unserer alten Erde versteckt war, es war gelebte Poesie, wo Musik, Zeichnung, Text und Verhalten zu einem Ganzen fanden und dieses Ganze parallel zum Üblichen existierte, es schien mir viel normaler als das Normale und viel mehr da, als das, was sonst da war. Dasselbe Gefühl stellte sich ein, als ich die elffriede-Welten kennenlernte – hier gab es eine Welt genau in unserer Welt, die nur dazu da war, das zu sein, was sie war – nichts darüber hinaus und aber auch nicht weniger.

Es nutzt nichts sie mit Erklärungen erkunden zu wollen. Wenn man sie analysiert, zerstört man sie. Wenn man sie mit unserer Welt in Verbindung bringen will, verliert sie. Man muß sich mit ihr einlassen oder ihr fernbleiben.

Viele Rezensenten versuchen ihr beizukommen und zu einer Aussage über sie zu kommen, die in etwa gültig ist. Das ist wie einsperren, Ton abdrehen, Licht abdunkeln, die poetische Essenz wird unscharf, unvollständig. Ilse Kilic vom Fröhlichen Wohnzimmer hat das in ihrer Besprechung im AUF am besten ausgedrückt: „das lesen und schauen führt zum denken, zu einer art des denkens, wo die worte und wörter, die linien und punkte unsere gedanken für eine kleine weile dorthin ziehen, wo sie noch keine worte sind“ – die Dinge geschehen lassen, könnte man diese Grundhaltung nennen, die als einzige den elffriede-Welten gerecht wird.
Auch elffriede händelt es so, lässt geschehen und geschieht dabei selbst. Das ist, was einem Seismographen wirklich ähnelt, wobei die träge Masse, die zum Anzeiger der Erschütterungen wird, das Menschenkind elffriede ist.

Sie stammt aus Ten van Hofft in den Niederlanden und lebt heute in Wien, ist in Österreich in der Kunst- und in der Literaturszene längst keine Unbekannte mehr. Als Live-Zeichnerin versieht sie Wände mit „Aufzeichnungen“, diese aus wenigen Strichen auftauchende Welt, die der normalen aufgezeichnet ist als eine zusätzlich mögliche, eine weitere Dimension. Ihre website gehört zu den echten Erlebnisplätzen im www. Das Büchlein „seismograph  - ein aufzeichnen-system“ erschien bereits 2007 und vereint s/w Zeichnungen mit Notizen, getippt auf einer Olympia Traveller de Luxe. Das können Gedichte sein, lange Hinweise und Zitate oder poetische Miniaturen. Alles korrespondiert sichtlich mit den Zeichnungen, entwickelt sich zu kleinen Erzählungen, wobei nicht klar ist, wer wen verführt: der Text das Bild oder das Bild den Text, sie gehören zusammen (weswegen es auch keinen Sinn macht einzelne Textzeilen oder Beispiel-Gedichte hier zu zitieren). Jedenfalls aber ist es elffriede-Welt und für dort gibt es kein Maß, außer dem ihren.

Erschienen ist das Buch in der edition ch von Günter Vallaster in Wien, deren Verlagserzeugnisse einen genauen Blick wert sind: Ilse & Fritz vom Wohnzimmer haben einige Bücher gemacht, von Petra Ganglbauer sind Gedichte erschienen, Franzobel hat einmal eine Anthologie zu gegenwärtiger visueller Poesie herausgebracht und in ähnlicher Thematik ist auch Günter Vallaster selbst mit weiteren Herausgaben unterwegs. Man sollte ein Auge auf diesen Verlag haben.

elffriede: seismograph – ein aufzeichnen-system. edition ch, Wien 2007.

>>  http://www.elffriede.net/