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Gedichte
Von Glücksfäden und Lebenslinien. Luc Bondys nuancenreiche Lyrik
19.03.2013 | Hamburg
Schon seit mehreren Jahren bewegt sich der bekannte Regisseur auf Wegen abseits des Theaters. Nun hat er nach einem Erzählband und einem Roman seinen ersten Lyrikband vorgelegt und es ist erstaunlich, wie er auf Anhieb einen ganz eigenen lyrischen Ton getroffen hat. „Ich lauf deinen Himmelsrillen nach“ heißt es bildhaft in dem Gedicht „Toronto“, nach dem der Lyrikband benannt ist. An einer anderen Stelle berichtet das lyrische Ich lakonisch: „Ich trinke Milchkaffee / trage nur weiße Unterwäsche.“ Diese beiden Zitate können als Beispiele für Bondys Themenspektrum dienen. Er bewegt sich dabei zwischen Himmel und Erde, leuchtet bei Betrachtungen des Alltäglichen Sehnsüchte und Ängste aus.
Es sind die kleinen und großen Katastrophen, die Bondy interessieren. Sei es die Kommunikationslosigkeit zwischen Freunden, zwischen Paaren, sei es das Älterwerden, der Tod des Hundes, immer öffnet sich hinter Vordergründigem ein poetischer Raum. Da wird ein verschlafener Tag, an dem „nichts geschah, außer / Zeit, die vergeht“ zu einem kleinen philosophischen Exkurs über das menschliche Dasein. Überhaupt beschäftig sich der 65jährige Bondy in mehreren Gedichten mit der Endlichkeit des Lebens. Wenn er auch schreibt, der „Dichter altert nicht“, so sagt er an anderer Stelle: „Das war das Jahr der toten Freunde“ und: „Was mir wohl kurz vor dem Tod erscheinen wird?“.
Aber neben den eher nachdenklichen Gedichten werden auch Sonnenseiten des Lebens beschrieben, nämlich eine (seine?) Frau, die zwar „keine poetische Gestalt“ ist und sich die Zähne „bei offener Badezimmertür“ putzt, aber anhand ihrer Alltagsverrichtungen sehr liebevoll beschrieben ist.
Bondys prosaische Gedichte erzählen Geschichten. Wie in dem Gedicht, in dem Bondy – ganz Theatermann - mehrere Personen gleichzeitig die „Bühne“ betreten lässt. „Sie schritten hintereinander wie Blinde, / jeder hielt den anderen an der Hose fest. / Wie Blinde glitten sie hintereinander / den Pfad hinab.“ Aber kaum hat der Leser dieses Bild der sich aneinander festhaltenden Menschen vor Augen, kippt die Szenerie um und es kommt einer dazu „dem sie im Traum begegneten.
Interessant sind auch die Gedichte, in denen die erste Strophe in der Gegenwart und die folgende in der Vergangenheit spielt. In „Bourgogne“ ist von einem zersprungenen Herzen die Rede und dieses „ist umhüllt von einem dicken Leib.“ Gekonnt unterläuft Bondy hier das Herz-Schmerz-Klischee und klärt uns zusätzlich in der zweiten Strophe auf, weshalb der dicke Mann so unglücklich ist: „Gestern saß er am Genfersee / mit seiner Verlobten viel jünger als er“ und diese Verlobte sagte: „Du bist nun einer, den ich nicht mehr will.“ Voilà, so ist das Leben.
Luc Bondy arbeitet gern mit Anaphern, Parallelismen und Wiederholungen. Dadurch erhalten die Gedichte einerseits Rhythmus und andererseits werden wichtige Aussagen betont. „Ich brauche den Himmel endlich“ heißt eines der Gedichte und diese Überschrift wird im Text noch zweimal angeführt. Das lyrische Ich braucht Freunde, Bäume, Sonne, das „Summen der Untergrundbahn“. Und dreimal erfahren wir: „Ich brauche den Wind kühl.“ Das ist verständlich, bei diesen Texten voller Melancholie.
Exklusivbeitrag
Luc Bondy, Toronto, Gedichte, ISBN 978-3-552-05576-6, 14,90 €, Paul Zsolnay Verlag Wien 2012
Barbara Zeizinger hat zuletzt über »Kronhardt« von Ralph Dohrmann auf Fixpoetry geschrieben.