Dickicht mit Reden und Augen

Gedichte

Autor:
Steffen Popp
Besprechung:
Mario Osterland
 

Gedichte

Für Rätselfreunde, mitunter. »Dickicht mit Reden und Augen« von Steffen Popp

22.05.2013 | Hamburg

Es muss der Reiz des Geheimnisvollen, schwer Zugänglichen und Chaotischen sein, der das Dickicht immer wieder in den Fokus der Dichtung rückt. Und eventuell ist die akustische Ähnlichkeit der Wörter Dickicht und Gedicht ein weiterer Grund dafür. Zwei Jahre nach Ulrike Almut Sandigs letztem Gedichtband präsentiert nun auch Steffen Popp neue Texte, die mit dem Reizwort betitelt sind. Das dürfte jedoch schon fast die einzige Gemeinsamkeit zwischen Sandigs Dickicht und Popps Dickicht mit Reden und Augen sein. Und dennoch fehlt es dem neuen Band ein wenig an Originalität, macht sich eine gewisse Redundanz in Popps Lyrik bemerkbar. In seinen Bildwelten bewegt sich der Autor nach wie vor irgendwo zwischen Wald- und Stadtrand; an der Grenze zur oder eben weg von der Zivilisation, je nach Standpunkt, der nicht immer eindeutig ist. „In Schonung brechen. Verbissenes Hellgrün redet / vom Zahnstand des Wilds. Revierpächter-Jeep / fern, schwacher Theaterdonner lässt Spitzen beben.“

Gebaut ist diese Welt – natürlich – aus Sprache, die sich dem Autor wohl immer noch als großes Rätsel präsentiert. Ein Dickicht, das durchaus auch erstickend wirken kann. So bekommen manche Verse auch einen selbstreflexiven Charakter, wenn es heißt „[…] die gemüsefeldartige Stagnation atmet Permafrost // Dunst, in dem Tiere und Pflanzen am Ende selbst aufgehen / und du gehst darin auf, so dass Frühling ins Leere greift“ Schwingt hier etwa das Bewusstsein mit, dass nicht jedes Saatkorn auf fruchtbaren Boden fällt? Dass Leser sich oft abwenden, wenn sie ein Gedicht nicht verstehen. Schon möglich. Aber Lyrik ist ja bekanntlich das Rätsel, das es subjektiv zu lösen gilt.

Popps Versuch dem Chaos der Sprache habhaft zu werden, ist, stärker als noch in den vorherigen beiden Gedichtbänden, die Form. Schon allein die Aufteilung von Dickicht mit Reden und Augen lässt diese Tendenz erkennen. In sechs Kapiteln werden je zweimal dreizehn, elf und sieben Gedichte zusammengefasst. Viele davon sind Sonette, die den Formwillen des Autors unterstreichen und einen deutlichen Kontrast zu den mitunter verstrickten Inhalten der Texte bilden.

Bei aller vorangegangenen Kritik muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass sich Popps sprachliche Rätsel keinesfalls in Wortspielen erschöpfen oder sich selbst genügen. Noch immer merkt man deutlich, dass hier ein Autor auf der Suche nach einem kaum zu definierenden Ziel ist, dem sich immer nur angenähert werden kann. „Bildgebung ohne Facetten: Wimpern hängen herein. / Nen unscharfen Rüssel findst du, in Tiefe schielend.“

Dann gibt es wiederum Gedichte, die vor allem in den Kapiteln Narrativ und 12 zu finden sind und durch ihren fast schon erzählerischen Ton überraschend klar wirken. Fast so, als sei man auf der Expedition durch das Dickicht auf eine größere Lichtung gestoßen. „[…] Das Dorf war älter als die Schatten von Blöcken / in denen es rumstand, versank. Ein Freund, hieß es / wohnt dort. An einem Tag, in einer toten Lichtstunde // zog ich deines Großvaters Heugabel aus seinem Erbe im Keller und ging, dort Heu zu wenden. […]“

Dickicht mit Reden und Augen ist ein ordentlicher Gedichtband, der vor allem Lesern gefallen wird, die bereits mit Steffen Popps Lyrik bekannt sind und sie zu schätzen wissen. Allen anderen ist das Buch, nach der Lektüre des großartigen Debuts Wie Alpen von 2004, ebenfalls zu empfehlen.



Exklusivbeitrag

Steffen Popp: Dickicht mit Reden und Augen. Gedichte. ISBN: 978-3-937445-54-0, 19,90 €, kookbooks, Berlin 2013.

Mario Osterland hat zuletzt über »In Stücken« von Jonathan Littell auf Fixpoetry geschrieben,