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Gedichte
Die sanfte Entschlossenheit zur Melancholie
Immer wieder bemüht man das Wort Lakonie. Von den wenigen, die ihn überhaupt kennen und lesen, sind sich die vereinzelten Stimmen, die sich bereit fanden über Maximilian Zander ein paar Worte zu verlieren, da seltsam einig. Er selbst spricht von einer „Banalität des Daseins“, gegen die sich das Dichten und das Gedicht behaupten muß. Sein Gedicht jedenfalls ist stark genug dafür – es hilft ihm die „sanfte Entschlossenheit zur Melancholie“ (aus: Antrobus’ Tagebuch) umzusetzen in haltbare Texte.
Wenn einer Jahrgang ’29 und Dichter ist, so wie Enzensberger, denkt man, es gibt sicher eine Art Werk, auf das er zurückblicken kann. Viel Lebenszeit, in der geschrieben und mit den Worten gerungen werden konnte. Bei Maximilian Zander finden wir davon nichts – er hat Ende der neunziger Jahre seine ersten Gedichte veröffentlicht und ist erst 2004 mit seinem Band „Antrobus’ Tagebuch“ in der Edition Ye in eine lyrisch interessierte Öffentlichkeit getreten, hat mittlerweile auch in der einen oder anderen Literaturzeitschrift sporadisch Gedichte hinterlegt und versammelt nun in diesem seinem dritten Gedichtband diese und „neue Gedichte“ unter dem Titel „Anthropisch“. Es ist sein Thema - der Mensch und was von ihm übrigbleibt. Es ist das Ich, das neben sich steht und betrachtet, welch seltsame Dinge man tut. Die Frage bleibt. Es ist ja so, daß der Zweifel nie ganz aufhört, auch im hohen Alter nicht, sich einmischt und alles durchmischt: „Gib acht, / daß der Deckel drauf bleibt / bis die Pampe gar ist.“
Maximilian Zander ist promovierter Chemiker und hat Jahrzehnte in der Forschung gearbeitet. Irgendwann muß ihm aufgefallen sein: es gibt „einerseits Mathematik ---andererseits die Vögel im Gras“. Es gibt also mehr als das naturwissenschaftliche Betrachten und es gibt, wenn man den Menschen anschaut, noch zu wenig, was er sinnvoll betrachtet. In diesem Zwiespalt steckt Zander (vielleicht mit uns allen) fest. Einerseits diese ungeheure Menge an Wissen und brauchbarem Geist, dann wieder das Gefühl, nur Teil einer Art vorübergehenden Installation zu sein, ein bloßes Instrument des Lebens, und dabei den behaarten Vorfahren nicht wirklich weit entwachsen.
Installation 1
Zwei Vierecke, Glas, Griffe,
rechts/links: Gardinen.
Im rechten Viereck ein Baum,
im linken ein Haus.
Darüber ein Himmel, blau.
Davor ein Tisch, ein Viereck,
rechts/links Utensilien.
Dahinter ein Prototyp,
blutbetrieben, rechts/links
Augen. Ahnungslos.
Zanders Gedichte leben, die Vorteile des Alters sind darin in soweit aufgehoben, daß er sich jene Wahrheit leisten kann, die so manches verbreitet Wahre zur Halbwahrheit werden lässt. Da ist also auch ein gereifter Blick. Aber das bedeutet nicht Ruhe, kein Unbeteiligtsein. Zanders Faust fragt: „Entweder Clown oder Nichtsein“ – solange wir uns einmischen, ins Leben, ins Dasein, ist das Ich eine Erscheinung, die man ins Umfeld stellt, und immer närrisch genug, aus diesem oder jenem Blickwinkel besehen. Nach einem Leben voll Wissen, voll von angewandtem Wissen, stellt Zander erst recht oder noch immer unbequeme Fragen. Was können wir wissen? Wohin können wir – verlässlich oder als Narr – durchdringen und was tut es mit uns, das Wissen vom Nicht-Wissen. In solche konfliktreichen Fragestellungen platziert er seine Gedichte und sie sind in einer klaren und wunderbaren Sprache auf den Punkt hin formuliert. Ab und an klingt der alte Expressionismus durch, wie ihn bspw. Alfred Lichtenstein in seiner farbigen Beiläufigkeit so klug in Szene setzte, und ab und an führt Gottfried Benn das Skalpell. Gelungene, zeitlose Gedichte, die eine Art Inventur sind und trotzdem über jede Altersgrenze hinweg zuständig.
Im Park
Hier geht einer seinen Gedanken nach,
dort einer einer Frau.
Der alte Parkwächter hustet sich was,
Frieda färbt den Himmel grau.
Viele Vögel haben Federn gelassen
Im Schwefelwind, der durch die Bäume weht.
Der das copyright für diese Verse hat,
da hat er was; und geht.
Maximilian Zander „Anthropisch“. Neue Gedichte. Silver Horse Edition, Marklkofen 2008.